Die Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin,
Dr. Angelika Prehn, bewertet die Pläne des Gesundheitsministeriums zum
„GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“ (GKV-VSG) kritisch. Besonders die
Vorgabe, nach der Praxen in überversorgten Versorgungsbereichen
aufgekauft statt nachbesetzt werden sollen, kann sie nicht
nachvollziehen: „Geht man nach rein statistischen Angaben, so würde sich
ein Abbau von Praxen in Berlin auf sämtliche Arztgruppen und die
Psychotherapeuten auswirken. Denn: Berlin gilt in der bundesweiten
Bedarfsplanung für die Zulassung von Ärzten und Psychotherapeuten als
ein einziger Planungsbezirk. Hier wird also nicht unterschieden, ob es
um die Zahl der Ärzte in Neukölln, Reinickendorf oder
Marzahn-Hellersdorf geht – die Kriterien beziehen sich auf die ganze
Stadt als ein Bezirk.“ Und der wiederum sei gemäß der Statistik in allen
Arztgruppen überversorgt, sprich: Es gäbe mehr als 110 Prozent Ärzte
pro Arztgruppe im Versorgungsbezirk Berlin. Alles, was darüber liege,
würde den Gesetzesplänen der Mathematik zum Opfer fallen und abgebaut
werden müssen.
Prehn
zu den Konsequenzen: „Das wirkliche Opfer wäre die Bevölkerung. Die hat
dann in manchen Arztgruppen nur noch die Hälfte oder weniger Ärzte in
ganz Berlin zur Behandlung zur Verfügung. Wie ein solch massiver Abbau
von Ärzten und Praxen den Patienten helfen und die Versorgung in der
Region auch noch stärken soll, ist mir ein Rätsel. Ich kann den
Berlinerinnen und Berlinern daher nur empfehlen, sich von ihren
zuständigen Politikern im Bezirk erklären zu lassen, wie es medizinisch
helfen soll, wenn es um die Ecke künftig weniger Ärzte gibt und die
Wartezeiten bei den vorhandenen Ärzten dadurch sicher nicht kürzer
werden.“ Die Stimmen, die die KV erreichten, forderten in aller Regel
statt weniger immer mehr Ärzte. Hier, so die Allgemeinärztin, passten
Theorie in der Politik und Praxis in der Versorgung eindeutig nicht
zusammen.
Die
KV-Vorsitzende nennt auch konkrete Zahlen, wie sich das Gesetz auf die
Berliner Gesundheitslandschaft im ambulanten Bereich auswirken würde:
„Insgesamt würden über 2.000 Ärzte und Psychotherapeuten ersatzlos
wegfallen. Von den 398 fachärztlichen Internisten in Berlin müssten 231
gestrichen werden. Bei durchschnittlich 800 bis 880 Fällen je Arzt und
Quartal bei dieser Arztgruppe könnten dann jedes Quartal rund 180.000
bis 200.000 ambulante Behandlungen schlichtweg nicht erbracht werden.
Oder die verbleibenden 167 fachärztlichen Internisten müssten diese
Fälle noch übernehmen. Das wären 1.000 bis 1.200 Fälle zusätzlich je
verbleibenden Arzt pro Quartal.“ Die Regelung zum Praxisaufkauf im
Gesetzesentwurf würde außerdem beispielsweise bedeuten: 99 weniger
Radiologen, 57 weniger Orthopäden, 205 weniger Hausärzte, ganze 945
weniger Psychotherapeuten.
Prehn
hält dieses Szenario nicht für eine Stärkung der ambulanten Versorgung,
sondern für eine Gefährdung des Sicherstellungsauftrags, den
Kassenärztliche Vereinigungen haben. Leidtragende, so ist sich die
Vorsitzende der KV Berlin sicher, seien in erster Linie die Patienten:
„Berlinerinnen und Berliner, die jetzt schon über zu lange Wartezeiten
beim Arzt klagen, können sich anhand der Zahlen sicher gut ausrechnen,
was diese Entwicklung für ihre eigene Versorgung und die
Terminkapazitäten bei ihrem Arzt heißt. Dass die Versorgung gestärkt
wird – wohl nicht.“
Susanne Roßbach
Kassenärztliche Vereinigung Berlin
Masurenallee 6 A
14057 Berlin
Tel.: 030 / 31003-681
Fax: 030 / 31003-210
E-Mail: susanne.rossbach@kvberlin.de
Internet: http://www.kvberlin.de
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