Fragen zu Long-COVID

Als Teil eines bundesweiten Netzwerks soll das Comprehensive Care Center zu besserer Diagnostik und Behandlung in Niedersachsen beitragen.

Viele Fragen zu Long-COVID sind noch ungeklärt. So ist beispielsweise die genaue Ursache der Erkrankung noch nicht vollständig erforscht. Das erschwert die Diagnose und auch die Behandlung der Betroffenen. Um die Versorgungssituation speziell von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, werden zurzeit in allen Bundesländern spezialisierte Einrichtungen, sogenannte Comprehensive Care Center (CCC) aufgebaut. Eines der insgesamt 20 CCC entsteht in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Die CCC sind interdisziplinär und multiprofessionell konzipiert. Gemeinsam mit wissenschaftlichen und klinischen Partnern bauen wir regionale Behandlungsstrukturen für das Land Niedersachsen auf“, erklärt Privatdozent (PD) Dr. Martin Wetzke. Er ist Oberarzt in der Abteilung für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie und leitet das CCC der MHH.
Viel Erfahrung mit der Patientengruppe
Beim Aufbau des Versorgungszentrums an der MHH können Dr. Wetzke und sein Team auf wertvolle Erfahrungen zurückgreifen. In der Spätphase der COVID-19-Pandemie gab es dort eine Long-/Post-COVID-Ambulanz für Kinder und Jugendliche, in der insgesamt rund 200 Betroffene untersucht und behandelt wurden. Dazu gehörten nicht nur Patientinnen und Patienten mit Long-COVID, sondern auch mit Beschwerden nach einer COVID-Impfung oder mit myalgischer Enzephalomyelitis/ Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) unbekannter Ursache. ME/CFS beschreibt einen schweren Erschöpfungszustand, der nach verschiedenen Virusinfektionen auftauchen kann. „Eine COVID-Erkrankung kann die Ursache ein, muss es aber nicht. Eine Long-COVID-Diagnose ist oft eine Ausschluss-Diagnose“, sagt Dr. Wetzke. Dieser Umstand beschreibt eine Kernaufgabe des CCC: die Betroffenen mit ihren unterschiedlichen Beschwerden zu untersuchen und eine möglichst gesicherte Diagnose zu stellen. „Eine sichere Diagnose ist immer die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie“, sagt Dr. Wetzke.
Zahlreiche Fachleute eingebunden
In einigen Wochen sollen die Strukturen des CCC stehen. Dann können die ersten Patientinnen und Patienten aufgenommen werden. Dabei ist auch daran gedacht, dass die Fachleute des CCC besonders schwer betroffene Kinder und Jugendliche zu Hause aufsuchen und den Familien Unterstützungsangebote im Alltag machen. Um möglichst viele Erkrankte niedrigschwellig betreuen zu können, kooperiert das CCC bei der Grundversorgung mit regionalen Spezialambulanzen und -stationen sowie mit geschulten Kinder- und Jugendärzten und Hausarztpraxen. Mit im Boot sind außerdem psychologische und psychiatrische, sozial- und palliativmedizinische Fachleute sowie Experten und Expertinnen der rehabilitativen Medizin.
Bundesweiter Verbund
So wie in Hannover entstehen an 19 weiteren Standorten in Deutschland Versorgungszentren, die alle dem sogenannten PEDNET-LC-Verbund angehören. Die Zentren bilden ein Netzwerk, um Wissen zu Häufigkeit, Diagnostik, Behandlung und Prognose von Long-COVID bei jungen Menschen zu gewinnen, zu bündeln und in die Versorgung der Patientinnen und Patienten einzubringen. „In Kooperation mit den anderen CCC werden wir standardisierte Versorgungsstrukturen und klinische Leitlinien für die Diagnostik und Therapie in Deutschland entwickeln“, erläutert Dr. Wetzke. Die Grundlage wird unter anderem ein bundesweites Patientenregister mit Daten zu Lebensqualität, Symptomen, Diagnosen und Gesundheitswerten sein. So soll die Versorgung von jungen Menschen mit Long-COVID und ähnlichen Erkrankungen in Deutschland nachhaltig verbessert werden. Das ist auch mit Blick auf Zukunft sinnvoll. „Mittlerweile zeichnet sich ab, dass COVID-19 wahrscheinlich zu einer Endemie wird. Das bedeutet, dass die Erkrankung regelmäßig auftritt und die Zahl der Infizierten – und damit auch der Long-COVID-Fälle – relativ konstant ist“, erklärt Dr. Wetzke.
Die Abkürzung PEDNET-LC steht für „Pädiatrisches Netzwerk für die Versorgung und Erforschung von postakuten Folgen von COVID-19, ähnlichen postakuten Infektions- und Impfsyndromen sowie ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen“. Die Projektleitung hat die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Technischen Universität München inne. Am PEDNET-LC-Verbund beteiligt sind insgesamt 38 Einrichtungen des Gesundheitswesens. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert PEDNET-LC mit insgesamt rund 41 Millionen Euro. Davon entfällt gut eine Million Euro auf das CCC an der MHH.

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Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Martin Wetzke, Telefon 0511 532-3204, [wetzke.martin@mh-hannover.de].

Verkalkung der Aortenklappe

Eine Verkalkung der Aortenklappe ist bislang nicht aufzuhalten. 

Wenn gar nichts mehr geht, muss die Klappe ausgetauscht werden. Um die Entstehung der häufigen Erkrankung besser zu verstehen, haben Forschende aus Bochum und Bonn defekte Klappen genau unter die Lupe genommen. Dabei konnten sie zum einen zeigen, dass Endothelzellen, die das Gewebe einkleiden, eine große Rolle spielen wie auch bei anderen Gefäßkrankheiten. Zum anderen konnten sie sehen, dass das Geschehen sehr unterschiedlich ist, je nachdem ob jemandes Aortenklappe aus drei Segeln besteht – wie meistens – oder nur aus zweien. Das Team berichtet im Journal of the American Heart Association vom 25. Juni 2025.


Viele Menschen büßen ab etwa 60 Jahren an körperlicher Leistungsfähigkeit ein, weil sie eine Aortenklappenstenose haben. 

Dabei verkalkt die Herzklappe, die sich zwischen der linken Herzkammer und der Aorta befindet. Dadurch kann sie sich nicht mehr so leicht öffnen, sodass sie den Auswurf des Bluts aus dem Herzen in den Körper behindert. „Diese Erkrankung kommt häufig vor; ihre Entstehung ist aber noch unzureichend verstanden“, erklärt Prof. Dr. Daniela Wenzel, Leiterin der Abteilung für Systemphysiologie der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. „Deswegen gibt es bislang auch keine Möglichkeit sie aufzuhalten. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht, muss man die Herzklappe ersetzen.“

Sie und ihre Kolleg*innen, die dem Sonderforschungsbereich/Transregio 259 „Aortenerkrankungen“ angehören, wollen der Entstehung der Erkrankung auf den Grund gehen. Dabei schauen sie sich insbesondere das Endothel an: die einlagige Zellschicht, in die Aortenklappen eingehüllt sind. „Diese Zellen sorgen unter anderem dafür, dass keine Blutplättchen anhaften und Gerinnsel entstehen können“, so Daniela Wenzel. „Wir wissen, dass das Endothel auch bei Gefäßkrankheiten, etwa der Arterienverkalkung, eine bedeutende Rolle spielt.“

Besondere Stempeltechnik erlaubt die Untersuchung

Das Forschungsteam hat eine besondere Technik entwickelt, um die Endothelzellen für die Untersuchung zu isolieren. Sie legen dafür eine bei einer Operation entfernte, defekte menschliche Aortenklappe zwischen zwei Glasplättchen und pressen einen tiefgekühlten Stempel darauf. Die Endothelzellen frieren dadurch an den Glasplättchen fest – auf dem einen Plättchen die Zellen, die zum Herzen hin liegen, auf der anderen Seite diejenigen auf der Seite der Aorta. Nun können sich die Wissenschaftler*innen die dünne Zellschicht genau ansehen.

Durch Färbung der Zellen lässt sich ermitteln, wie dicht das Endothel ist. Je durchlässiger es für Proteine aus dem Blut ist, desto kränker ist das Endothel. Darüber hinaus untersuchten sie die von den Zellen produzierte RNA. Daran lässt sich erkennen, welche Gene aktuell abgelesen werden.

Verkalkung ist nur einseitig, wenn es drei Segel gibt

„Bei Menschen, deren Aortenklappe aus drei Segeln besteht – so ist es meistens – kann man mit bloßem Auge erkennen, dass die Verkalkung vor allem auf der Aortenseite der Klappe stattfindet, nicht so sehr auf der Herzseite“, beschreibt Adrian Brandtner, Doktorand und Erstautor der Studie. Die Färbeuntersuchung und die RNA-Sequenzierung zeigten: Auf der Aortenseite war das Endothel durchlässiger und es wurden mehr Gene exprimiert, die auf Verkalkungsprozesse hinweisen. Das Endothel ist also eindeutig an der Erkrankung beteiligt.

„Interessant war aber auch, dass das bei Menschen, deren Aortenklappe nur aus zwei Segeln besteht, ganz anders ist“, sagt der Forscher. Menschen mit dieser genetischen Veranlagung neigen dazu, früher im Leben eine Aortenklappenstenose zu erleiden. Bei ihnen ist das Endothel auf beiden Seiten der Klappe gleichermaßen geschädigt, also durchlässig und von Verkalkung betroffen. „Es handelt sich bei der Aortenklappenstenose bei Menschen mit zwei Segeln also offenbar um eine sehr andere Erkrankung als bei Menschen mit drei Segeln“, folgert Adrian Brandtner.

Die Forschenden hoffen, durch ihre Erkenntnisse zum tieferen Verständnis der Entstehung der Aortenklappenstenose beizutragen. „Es wäre schön, wenn es irgendwann möglich wäre, bei einer beginnenden Stenose medikamentös einzugreifen und den Fortgang der Erkrankung aufhalten zu können“, hofft Wenzel.

Kooperationspartner

Neben den Forschenden der Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum und des Instituts für Physiologie I der Universität Bonn waren an der Studie Forschende der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Bonn beteiligt.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 259.

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Prof. Dr. Daniela Wenzel
Institut für Physiologie
Abteilung für Systemphysiologie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel. +49 234 32 29100
E-Mail: daniela.wenzel@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. Bernd K. Fleischmann
Institut für Physiologie I
Universitätsklinikum Bonn
Medizinische Fakultät
Universität Bonn
Tel.: +49 228 6885 200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de

Originalpublikation:
Adrian Brandtner, Alexander Brückner, Wilhelm Röll, Farhad Bakhtiary, Bernd K. Fleischmann, Daniela Wenzel: Valvular Endothelial Cell Heterogeneity Reflects Different Pathogenesis of Tricuspid and Bicuspid Aortic Valve Stenosis in Humans, in: Journal of the American Heart Association, 2025, DOI: 10.1161/JAHA.124.040556, https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/JAHA.124.040556