Die Impfquoten gegen Humane Papillom-Viren (HPV)

Die Impfquoten gegen Humane Papillom-Viren (HPV) zeigen keine Fortschritte: Einer aktuellen Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zufolge lag die Impfquote bei AOK-Versicherten im dritten Quartal 2024 bei 15-jährigen Mädchen bundesweit bei nur 49,5 Prozent. Damit ist der Wert knapp 5 Prozentpunkte niedriger als im dritten Quartal 2023 (55 Prozent) und liegt sogar um etwa 10 Prozentpunkte unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie (61 Prozent).

WIdO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen sagt: „Unsere Analysen zeigen erneut: Die Bundesrepublik ist noch sehr weit von dem erklärten Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entfernt, nach welchem bis 2030 mindestens 90 Prozent der 15-jährigen Mädchen gegen HPV geimpft sein sollen.“

Die Impfung schützt vor Infektionen mit Hochrisiko-Stämmen der HP-Viren, die überwiegend bei sexuellem Kontakt übertragen werden und bei anhaltender Infektion im Verlauf der Zeit Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen, in Deutschland erkrankten laut Zentrum für Krebsregisterdaten 2022 4.388 Frauen neu, 1.413 Frauen starben daran.

Da die Impfung besonders dann effektiven Schutz bietet, wenn sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgt ist, sind die Impfquoten der 15-Jährigen besonders relevant. Für einen vollständigen Schutz sind in der Gruppe der 9- bis 15-Jährigen zwei Impfungen nötig. Eine verpasste Nachholimpfung ist auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen aber bis zum 18. Geburtstag möglich. Scheller-Kreinsen: „Wenn man nicht nur auf die WHO-Zielmarke der 15-Jährigen vollständig geimpften schaut, sondern den Blick etwas erweitert, fallen die Zahlen etwas positiver aus. Nimmt man die „nur einmal“ Geimpften hinzu, betrachtet also jene Gruppe mit begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Impfungen, liegt die Impfrate bei den 15-Jährigen immerhin bei 61 Prozent. Hier muss darauf hingearbeitet werden, dass bis zum 18. Lebensjahr noch Impfserien abgeschlossen bzw. nachgeholt werden.“

Impfniveau bei Jungen weiterhin niedrig

Um Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen, wurde 2018 auch die HPV-Impfung für Jungen als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt. Sie trägt einerseits zum Schutz von Frauen und Mädchen vor einer Übertragung von Hochrisiko-Viren durch Geschlechtsverkehr bei. Andererseits schützt die Impfung die Jungen selbst vor der Entstehung von Anal-, Penis- und bösartigen Schleimhauttumoren des Mundrachenraumes.

Vollständig geimpft waren im dritten Quartal 2024 der WIdO-Auswertung zufolge jedoch nur 30 Prozent der Jungen, mindestens einmal geimpft waren immerhin 40 Prozent.

Entwicklung der Impfaktivität nicht ausreichend

Mit 49,5 Prozent liegt die Impfquote von Mädchen um knapp 5 Prozentpunkte niedriger als im Vergleich mit dem dritten Quartal 2023 (55 Prozent) und sogar um ca. 10 Prozentpunkte unter der Impfquote zum dritten Quartal 2019 vor der Corona-Pandemie (61 Prozent). Das liegt daran, dass jetzt Jahrgänge 15 Jahre alt werden, die während der Pandemie deutlich weniger Impfungen erhalten haben als die Jahrgänge vor der Pandemie.

„Im Gegensatz zur Impfquote bei 15-Jährigen beobachten wir bei der Anzahl der Impfungen insgesamt einen Anstieg auf das Niveau vor der Corona-Pandemie, während der es zu einem Einbruch in der Impfaktivität insgesamt gekommen ist. Diese aktuelle Entwicklung der Impfaktivität wirkt sich aber weniger auf vergangene Kohorten 15-Jähriger aus, sondern stärker auf die kommenden. Und obwohl sich die Impfaktivität wieder dem Niveau vor Corona annähert und sich auch die Impfquote entsprechend entwickeln wird, ist das nicht ausreichend, um dem WHO-Ziel deutlich näher zu kommen“, so Scheller-Kreinsen.

Für Jungen gibt es seit 2018 eine Impfempfehlung, die ab 2019 zunächst zu einem Anstieg der Impfquote geführt hat. So stieg die Impfquote von 2019 auf 2024 von 18 Prozent auf 30 Prozent. Jedoch ist auch bei den Jungen die Impfaktivität während der Corona-Pandemie deutlich eingebrochen und erholt sich erst langsam wieder.

Erhebliche Varianz zwischen den Bundesländern

Die WIdO-Auswertung zeigt zudem, wie stark die Impfquoten auf Ebene der Bundesländer variieren. So waren in Bremen im dritten Quartal 2024 nur 32,9 Prozent der 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV geimpft, während in Sachsen-Anhalt die Quote mit 65,7 Prozent nahezu doppelt so hoch war. Scheller-Kreinsen: „Insgesamt zeigt sich, dass die Impfquoten in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) mit mindestens 60 Prozent deutlich höher sind als in den westlichen. Hier liegt die Impfquote im Schnitt bei nur 47 Prozent.“

Bei der Entwicklung der Impfquoten für Mädchen zwischen 2019 und 2024 unterscheiden sich die Bundesländer ebenfalls deutlich. Besonders hoch war der Rückgang der Impfquote im Saarland (-18 Prozentpunkte), während er in Brandenburg deutlich moderater ausgefallen ist (-7 Prozentpunkte).

Bei den Jungen fällt die Entwicklung der Impfquote in den Bundesländern ebenfalls sehr heterogen aus. Während die Impfquote in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2019 und 2024 von 32 Prozent auf 47 Prozent stieg, hat sie im gleichen Zeitraum in Bremen nur von 11 Prozent auf 18 Prozent zugenommen.

Auch europäischer Vergleich zeigt Potenzial auf

Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland 2023 mit dem 19. Platz eher schlecht ab. Die vorderen Plätze mit einer vollständigen HPV-Impfung bei 15-jährigen Mädchen wurden 2023 von Island, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden mit einer Impfquote von 96 bis 85 Prozent erreicht. „Sowohl die Varianz in Europa wie auch innerhalb Deutschlands zeigt, dass für HPV-Impfungen als Präventionsmaßnahme noch viel Luft nach oben ist“, so Scheller-Kreinsen.


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Der Alterungsprozess des Herzkreislaufsystems

Die Alterung der innersten Zellschicht von Blutgefässen führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Nun konnten Forschende der UZH erstmals nachweisen, dass Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukte direkt zur Gefässalterung beitragen. 

Im Alter verändert sich die Bakterienzusammensetzung im Darm so, dass weniger «verjüngende» und mehr schädliche Substanzen im Körper zirkulieren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten als weltweit häufigste Todesursache. 

Selbst wenn klassische Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck behandelt werden, verschlimmert sich die Krankheit in der Hälfte aller Fälle – insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten. 

Nun konnten Forschende der UZH erstmals nachweisen, dass Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukte Blutgefässe schneller altern lassen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen können.

Phenylessigsäure löst Zellalterung aus

30 bis 100 Billionen Bakterien besiedeln die verschiedenen Organe des menschlichen Körpers. 

Neunzig Prozent davon leben im Darm und verarbeiten die zugeführte Nahrung zu Stoffwechselprodukten, die wiederum unsere Körper beeinflussen. 

«Von der Hälfte dieser Stoffe kennen wir weder die chemische Struktur noch die Funktion», sagt Soheil Saeedi. 

Seine Forschungsgruppe am Center for Translational and Experimental Cardiology des Universitätsspitals und der Universität Zürich untersucht, wie sich die Zusammensetzung des Mikrobioms im Alter verändert und ob das Herzkreislaufsystem dadurch beeinträchtigt wird.

Anhand der Daten von 7303 gesunder Personen zwischen 18 und 95 Jahren und entsprechenden Mausmodellen stellten die Forschenden fest, dass sich im Alter das Abbauprodukt der Aminosäure Phenylalanin – die sogenannte Phenylessigsäure – anhäuft. 

In mehreren Experimentreihen konnte Saeedis Team nachweisen, dass Phenylessigsäure zur Zellalterung der Endothelzellen führt, welche die Blutgefässe innen auskleiden. 

Die Zellen vermehren sich nicht mehr und scheiden Entzündungsmoleküle aus. 

Die Gefässe versteifen zunehmend und ihre Funktion wird beeinträchtigt.

Verantwortliches Bakterium gefunden

Eine umfassende bioinformatische Analyse des Mikrobioms von Mäusen und Menschen führte die Forschenden schliesslich zum Bakterium Clostridium sp. ASF356, das Phenylalanin zu Phenylessigsäure verarbeiten kann. 

Besiedelten die Forschenden junge Mäuse mit diesem Bakterium, zeigten sie anschliessend erhöhte Phenylessigsäure-Werte sowie Zeichen der Gefässalterung. Wurden die Bakterien jedoch mit Antibiotika abgetötet, sank die Konzentration an Phenylessigsäure im Körper. «So konnten wir zeigen, dass die Darmbakterien für die erhöhten Werte verantwortlich sind», erklärt Saeedi.

Körpereigener Jungbrunnen

Das Mikrobiom im Darm produziert jedoch auch Stoffe, die für die Gesundheit der Blutgefässe von Vorteil sind. 

Kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, die durch Fermentation von Nahrungsfasern und Polysacchariden im Darm entstehen, wirken als natürliche Verjüngungsmittel. 

In In-vitro-Versuchen konnte die Forschungsgruppe zeigen, dass die Zugabe von Natriumacetat die Funktion von gealterten Endothelzellen wiederherstellen kann. In der Analyse der Darmbakterien stellten sie fest, dass die Anzahl Bakterien, die solche Verjüngungsmittel produzieren, im Alter schwindet.

«Der Alterungsprozess des Herzkreislaufsystems lässt sich somit über das Mikrobiom regulieren», fasst Saeedi zusammen. 

Der Pharmakologe und sein Team untersuchen nun, welche Ernährung das komplexe Zusammenspiel zwischen Bakterien und Mensch positiv beeinflussen kann. Ballaststoffe und Nahrungsmittel mit antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften kurbeln den körpereigenen Jungbrunnen an. 

Der Verzehr von phenylalanin-reichen Lebensmitteln und Getränken wie rotem Fleisch, Milchprodukten und einigen künstlichen Süssstoffen sollte hingegen eingeschränkt werden, um die Gefäßalterung zu verlangsamen. 

Die Forschenden arbeiten zudem an Möglichkeiten zur medikamentösen Senkung von Phenylessigsäure im Körper. Erste Versuche, die Entstehung von Phenylessigsäure mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien einzudämmen waren vielversprechend.

Literatur
Seyed Soheil Saeedi Saravi, Benoit Pugin, Florentin Constancias et al. Gut microbiota-dependent increase in phenylacetic acid induces endothelial cell senescence during aging. Nature Aging. 12. Mai 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-025-00864-8

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Dr. Soheil Saeedi
Center for Translational and Experimental Cardiology (CTEC)
Universität Zürich
+41 76 701 77 24
soheil.saeedi@uzh.ch

Originalpublikation:
Literatur
Seyed Soheil Saeedi Saravi, Benoit Pugin, Florentin Constancias et al. Gut microbiota-dependent increase in phenylacetic acid induces endothelial cell senescence during aging. Nature Aging. 12. Mai 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-025-00864-8

Lungenkrebs

Lungenkrebs ist die weltweit häufigste tödliche Krebserkrankung. 

Ein zentraler Fortschritt in der Behandlung ist die Analyse von Krebsgenomen, die gezielte, personalisierte Therapien ermöglichen kann. 

Am Lungenkrebszentrum des Westdeutschen Tumorzentrums der Universitätsmedizin Essen gehört diese Form der Diagnostik bereits zum Standard. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die sogenannte KRAS G12C-Mutation dar. Diese Mutation ist eine der häufigsten genetischen Veränderungen bei Lungenkarzinomen und tritt besonders bei Raucher:innen auf.

Für Patient:innen mit metastasierten KRAS G12C-mutierten Tumoren, bei denen Chemo- und Immuntherapien nicht mehr wirken, steht seit kurzem das Medikament Sotorasib zur Verfügung. Die Wirksamkeit des Präparats wurde unter anderem durch Studien an der Universitätsmedizin Essen belegt. Sotorasib ist in Deutschland zugelassen und verordnungsfähig. Das individuelle Ansprechen auf Sotorasib ist jedoch sehr unterschiedlich.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Schuler (Universitätsklinikum Essen/Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Ferdinandos Skoulidis (MD Anderson Cancer Center, Houston, USA) hat deshalb nach Faktoren gesucht, mit denen das Ansprechen auf Sotorasib vorhergesagt werden kann. Sie haben Blut- und Gewebeproben von 429 Patient:innen mit KRAS G12C-mutierten Lungenkarzinomen untersucht, die im Rahmen zweier klinischer Studien mit entweder Sotorasib oder der Standardchemotherapie Docetaxel behandelt wurden. Ihre Erkenntnisse wurden nun in Nature Medicine veröffentlicht: Es gibt ein Marker-Gen, das eng mit dem Therapieerfolg von Sotorasib korreliert, das Gen TTF-1.

„TTF-1 wird bereits routinemäßig bei der Diagnose von Lungenkrebs bestimmt und ist damit unmittelbar als Biomarker verfügbar, der zur individuellen Therapieentscheidung bei fortgeschrittenem Lungenkrebs herangezogen werden kann“, erklärt Prof. Dr. Martin Schuler, Direktor der Inneren Klinik (Tumorforschung) und Sprecher des Standorts West des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen. „Unsere Analysen zeigen, dass eine hohe Expression von TTF-1 mit einem besseren Ansprechen auf Sotorasib korreliert. Patient:innen mit TTF-1-negativen Tumoren können eher von Chemotherapien oder neuen Kombinationen profitieren.“


Prof. Dr. Martin Schuler

Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41591-025-03732-5