Metallbelastung durch Gelenkimplantate

Studie zu Metallbelastung durch Gelenkimplantate

Metalle aus künstlichen Gelenkimplantaten können nicht nur ins Blut, sondern auch ins Nervenwasser gelangen. 

Das zeigt eine aktuelle Studie von Forschenden der Universitätsmedizin Greifswald und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die nun im Fachjournal JAMA Network Open veröffentlicht wurde.


Vor allem das Metall Cobalt wurde im Nervenwasser nachgewiesen. 


Ob das Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem haben kann, wird Gegenstand künftiger Untersuchungen sein.

Die Idee zu dieser Studie entstand auf Grundlage einzelner Fallberichte, deren Veröffentlichungen bereits mehr als zehn Jahre zurückliegen. 


Darin wurden verschiedene Krankheitsbilder wie zum Beispiel beeinträchtigtes Seh- und Hörvermögen oder Funktionsstörungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Schilddrüse und des Zentralen Nervensystems mit erhöhten Cobaltwerten im Blut(serum) der betroffenen Patienten in Verbindung gebracht. 

„Was diese Patientinnen und Patienten gemeinsam hatten, war, dass sie vor Auftreten dieser Beschwerden mit Hüftendoprothesen mit sogenannten Metall-Metall-Gleitpaarungen versorgt worden waren“, erzählt Anastasia Rakow, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. 


„Dies führte und führt immer wieder zu großer Verunsicherung von Patienten mit Endoprothesen, selbst wenn sie mit anderen Implantaten, also ohne Metall-Metall-Gleitpaarungen, versorgt wurden.


 Zur zentralen Frage unserer Studie wurde es daher, zu untersuchen, ob Metalle aus Endoprothesen überhaupt in der Hirnflüssigkeit nachweisbar sind“, so die Projektleiterin.

Insgesamt 204 Patienten, die zwischen April 2018 und November 2019 in der Charité in Behandlung waren, wurden in die Studie eingeschlossen. Seit 2020 setzt ein Teil der Arbeitsgruppe die themenbezogene Forschung an der Universitätsmedizin Greifswald fort. Das Team aus Orthopäden, Neurologen, Anästhesisten, Labormedizinern und Grundlagenforschern analysierte die Proben von 102 Patienten mit verschiedenen Gelenkimplantaten und verglich diese mit den Proben von 102 Patienten ohne Prothesen. 


Neben Cobalt und Chrom wurden auch Titan, Niob, Zirkonium und weitere Metalle untersucht. 


„Dabei schauten wir uns nicht nur das Blut und das Serum, sondern auch den sogenannten Liquor, also das Nervenwasser, an“, erklärt Rakow, die an der Unimedizin Greifswald auch für Implantatsicherheit in der Endoprothetik zuständig ist. 


Das Forschungsteam hat speziell untersucht, ob die Metalle aus den Implantaten stammen, indem es die Metallwerte mit dem Typ des Implantats in Beziehung gesetzt hat.

MaAB - Das Ergebnis: 

In der Gruppe der Patienten mit Gelenkimplantaten fanden sich höhere Konzentrationen verschiedener Metalle im Blut.

 Zudem wurde eine Konzentrationserhöhung von Cobalt im Nervenwasser nachgewiesen. 

Dass Cobalt aus Endoprothesen damit die zellulären Schutzbarrieren des Zentralnervensystems wie die sogenannte Blut-Hirn-Schranke passieren kann, sei zwar eine wichtige Erkenntnis, „doch wir wissen aktuell noch viel zu wenig über weitere Faktoren, die diese Prozesse möglicherweise beeinflussen“, wie Rakow betont. 


Eine Kausalität könne mit dieser Studie nicht nachgewiesen werden. Vielmehr bedürfe es Folgestudien, die untersuchen, ob es biologische Effekte gibt, die klinisch abbildbar sind. Hier seien auch gemeinsame Untersuchungen mit der Neurologie und der Versorgungsepidemiologie denkbar.

Für eine bessere Patientenversorgung sei es wichtig, dass Hausärzte und Neurologen um diese Thematik wissen: „Wenn sich ein Patient bei ihnen vorstellt, der eine oder mehrere Endoprothesen hat, und dann neu auftretende neurologische Auffälligkeiten zeigt, die nicht anders erklärbar zu sein scheinen, sollten die Kollegen daran denken, dass es Metallexpositionen aus Prothesen gibt." 


MaAB - Fazit: 

Es lohne sich, in solchen Fällen Untersuchungen durchzuführen, die über das bislang vielerorts Übliche hinausgehen....!

Die Ergebnisse der Studie wurden nun in einem der renommierten Journale der American Medical Association (AMA) veröffentlicht: in JAMA Network Open. „Die Untersuchung gibt wichtige Impulse für die weitere Forschung“, meint Prof. Karlhans Endlich, Wissenschaftlicher Vorstand der Unimedizin Greifswald, „insbesondere im Hinblick auf mögliche Langzeitwirkungen dieser Metallbelastung auf das Nervensystem." Zwar stehe ein direkter Nachweis von gesundheitlichen Schäden noch aus, „doch die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Nachsorgeuntersuchungen von Patientinnen und Patienten mit Metallimplantaten." Die Arbeit liefere auch wertvolle Erkenntnisse zu potenziellen Risiken moderner Implantatmaterialien. „Solche Studien sind entscheidend, um die Patientensicherheit weiter zu erhöhen“, so Endlich.

Originalpublikation: 

https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2832017

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OÄ Anastasia Rakow
E-Mail: 

anastasia.rakow@med.uni-greifswald.de

Originalpublikation:
JAMA Network open
March 28, 2025
Metal Concentrations in Blood and Cerebrospinal Fluid of Patients With Arthroplasty Implants
https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2832017

Schmerzempfinden

Was wir erwarten, beeinflusst, wie wir Schmerz empfinden – und zwar stärker, als viele denken. 

Eine aktuelle Studie der Universität Duisburg-Essen (UDE), kürzlich veröffentlicht im Journal eLife, zeigt: Negative Erwartungen verstärken Schmerzen deutlicher und wirken nachhaltiger, als positive Erwartungen Schmerzen lindern. Dieses Ergebnis hat große Bedeutung für die Kommunikation zwischen Behandelnden und Patient:innen.

Das Forschungsteam um Prof. Ulrike Bingel an der Medizinischen Fakultät der UDE untersuchte 104 gesunde Freiwillige, die kurzfristigen Hitzeschmerzen ausgesetzt wurden. Dabei wurden die Erwartungen und Behandlungserfahrungen der Teilnehmenden an eine scheinbare Nervenstimulation (sog. Sham Stimulation) gezielt beeinflusst und dann untersucht, wie stark sich diese auf nachfolgende Testphasen am selben Tag und nach einer Woche auswirkt. In den Testphasen erhielten die Teilnehmenden gleich starke Schmerzreize, aber verbunden mit unterschiedlichen Erwartungen – positiven, negativen, oder neutralen. Die Schmerzreize wurden auf einer Skala von 0-100 bewertet.

Das spannende Ergebnis: 

Eine negative Erwartung hatte einen stärkeren und anhaltenderen Einfluss auf das Schmerzempfinden als eine positive Erwartung. Im Durchschnitt bewerteten die Teilnehmenden Schmerzen während einer negativen Erwartung um rund 11 Punkte höher als in der Kontrollbedingung. Positive Erwartung hingegen reduzierte die Schmerzbewertung nur um gut 4 Punkte. Der Effekt der negativen Erwartung war also doppelt so groß wie der von positiver Erwartung – bei sonst experimentell identischen Bedingungen.

In der zweiten Sitzung eine Woche später erhielten wieder alle Personen den gleichen Schmerzreiz. Der Effekt blieb ähnlich: Der Nocebo-Effekt führte dazu, dass der Schmerz um rund 9 Punkte höher bewertet wurde als in der Kontrollgruppe. Der Placebo-Effekt führte dazu, dass der Schmerz um 4,6 Punkte geringer empfunden wurde.

„Menschen neigen offenbar dazu, eher mit dem Schlimmsten zu rechnen – und das spiegelt sich in der Schmerzverarbeitung wider“, erläutert Prof. Dr. Ulrike Bingel, Leiterin des interdisziplinären Zentrums für Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Essen. „Für die klinische Praxis ist das von großer Bedeutung: Denn im Alltag konzentrieren wir uns oft darauf, positive Erwartungen zu fördern. Unsere Studie zeigt jedoch, dass es mindestens genauso wichtig ist, unbeabsichtigte negative Erwartungen zu vermeiden.“ Angehörige von Gesundheitsberufen sollten sich laut Bingel bewusst sein, dass die Art und Weise, wie sie über Behandlungen informieren, die Reaktion der Patient:innen darauf stark beeinflussen kann – im positiven wie im negativen Sinne.

Die Autor:innen betonen, dass die Studie an gesunden Personen mit experimentell erzeugtem Schmerz durchgeführt wurde. Weitere Forschungsarbeiten sind nötig, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf klinische Kontexte zu prüfen. Gefördert wurde die Arbeit durch den Sonderforschungsbereich „Treatment Expectation“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

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Prof. Ulrike Bingel ulrike.bingel@uk-essen.de

Originalpublikation:
Nocebo effects are stronger and more persistent than placebo effects in healthy individuals https://elifesciences.org/reviewed-preprints/105753
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.treatment-expectation.de

Reanimationsversorgung in Deutschland

Nach Jahren des Stillstands kommt wieder Bewegung in die Reanimationsversorgung in Deutschland – und zwar in die richtige Richtung: Sowohl die Quote der Wiederbelebungen durch Ersthelfende als auch die der telefonischen Anleitung zur Reanimation (Telefon-CPR) sind im Jahr 2024 gestiegen. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters hervor, die beim heutigen Jahrestreffen in Düsseldorf vorgestellt wurden.

Für die Auswertung wurden Daten von 198 Notarzt- und Rettungsdiensten aus dem gesamten Bundesgebiet herangezogen, die Teilnehmende am Deutschen Reanimationsregister sind. Gemeinsam decken sie eine Versorgungsregion mit rund 42 Millionen Menschen ab. Aus dieser Gesamtgruppe wurde zusätzlich eine sogenannte Referenzgruppe gebildet – 44 Standorte mit besonders vollständiger und qualitativ hochwertiger Dokumentation. Die Auswertungsergebnisse werden sowohl für die Gesamtmenge als auch auf Basis der Referenzgruppe dargestellt. Diese doppelte Datengrundlage erlaubt zuverlässige Hochrechnungen und valide Rückschlüsse auf die Reanimationsversorgung in Deutschland.

Endlich wieder ein Aufwärtstrend

In der Referenzgruppe ist der Anstieg bei der Ersthelfenden-Reanimationsquote besonders deutlich: Sie erhöhte sich von 50,7 Prozent im Jahr 2023 auf 55,4 Prozent im Jahr 2024. Im Gesamtdatensatz liegt die Quote mit 52,0 Prozent rund zwei Prozentpunkte höher als im Vorjahr. „Diese Entwicklung ist ermutigend und zeigt, dass die langjährigen Anstrengungen in der Bevölkerung Wirkung zeigen“, erklärt Prof. Dr. Matthias Fischer, Mitglied im Organisationskomitee des Deutschen Reanimationsregisters. „Nach einem längeren Plateau sehen wir endlich wieder einen Aufwärtstrend – das sollte uns ermutigen, den eingeschlagenen Weg entschlossen weiterzugehen.“

Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Sprecher des Organisationskomitees des Reanimationsregisters betont: „Die aktuelle Entwicklung ist ein wichtiger Schritt, aber wir sind noch weit entfernt von skandinavischen Vorbildern, die Ersthelfenden-Reanimationsquoten von über 70 Prozent erreichen. Was wir brauchen, sind gesetzlich verankerte Reanimationsschulungen an Schulen und passgenaue Trainingsangebote für Erwachsene – niedrigschwellig, regelmäßig und lebensnah. Denn im Ernstfall zählt jede Sekunde. Jede und jeder kann ein Leben retten.“

Noch ausgeprägter ist der Zuwachs bei der Telefonreanimation. In der Referenzgruppe stieg die Quote von 33,0 im Jahr 2023 auf 40,4 Prozent im Jahr 2024. Bei der Gesamtmenge lag die Quote bei 37,3 Prozent (Vorjahr: 33,9 Prozent). „Auch das ist ein starkes Signal“, betont Prof. Fischer. „Die telefonische Anleitung durch die Leitstellen hilft Ersthelfenden, die Hemmschwelle zu überwinden und trägt wesentlich dazu bei, die Überlebenschancen zu verbessern. Diese Form der Unterstützung muss flächendeckend verfügbar und konsequent umgesetzt werden.“

Mit insgesamt über 560.000 Datensätzen – darunter knapp 80.000 neue Fälle aus dem Jahr 2024 – ist das Deutsche Reanimationsregister die größte notfallmedizinische Datenbank im deutschsprachigen Raum. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Trägerin des Registers, engagiert sich seit vielen Jahren mit Kampagnen wie der „Woche der Wiederbelebung“, den Bad Boller Reanimations- und Notfallgesprächen und weiteren Initiativen für eine verbesserte Reanimationsversorgung. Entscheidend sei es, die Bevölkerung flächendeckend und regelmäßig in Reanimationsmaßnahmen zu schulen – altersübergreifend und praxisnah.

Originalpublikation:
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.reanimationsregister.de