Prof. Andreas Birkenfeld: Die Gewichtsabnahme: Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) und das Protein Kallistatin im Glukosestoffwechsel

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Kallistatin trägt zu den positiven Effekten einer Gewichtsabnahme auf den Stoffwechsel bei

  • Nach einer Gewichtsabnahme bilden Menschen mit Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) vermehrt das Protein Kallistatin* im Unterhautfettgewebe (subkutanes weißes Fettgewebe). 

Das konnten Forscherinnen und Forscher des DZD in einer aktuellen Studie zeigen. 

Zudem verbessert Kallistatin den Stoffwechsel und könnte in Zukunft neue Therapiemöglichkeiten für Menschen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes eröffnen. 

Die Ergebnisse wurden jetzt in ‚Molecular Metabolism‘ veröffentlicht. 

Das Protein Kallistatin wird verstärkt nach einer Gewichtsreduktion gebildet. In Mäusen verbessert es die Insulinsensitivität der Leber.  © IDM, support@biorender.com. Das Protein Kallistatin wird verstärkt nach einer Gewichtsreduktion gebildet. In Mäusen verbessert es die Insulinsensitivität der Leber. © IDM, support@biorender.com.

Immer mehr Menschen erkranken an Typ-2-Diabetes und an Adipositas. 

Dabei handelt es sich um sehr komplexe und vielschichtige Erkrankungen. 

Um sie nachhaltig behandeln zu können, sind neue Ansätze in der Therapie gefragt. Klinische Studien am Menschen zeigten, dass stark mehrgewichtige Menschen weniger Kallistatin bilden. 

Kallistatin ist ein Protein, das verschiedene Wirkungen im Körper hat. 

Unter anderem ist es an der Heilung von Entzündungen und Wunden beteiligt.  

Welche Rolle Kallistatin im Glukosestoffwechsel spielt und ob es sich als therapeutisches Ziel eignen könnte, untersuchten jetzt Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Nephrologie des Universitätsklinikums Tübingen.

  • Nach Gewichtsabnahme wird mehr Kallistatin gebildet

Dazu bestimmten sie bei 47 übergewichtigen bis fettleibigen Personen die Kallistatinbildung im subkutanen weißen Fettgewebe vor und nach einer Gewichtsreduktion. Das Ergebnis: Nach einer Gewichtsabnahme wird mehr Kallistatin gebildet.

  • Kallistatin verbessert die Insulinempfindlichkeit der Leber


Zusätzlich untersuchten die Forschenden die Wirkung des Proteins im Tiermodell. Dabei stellten sie fest, dass menschliches Kallistatin die Insulinsensitivität in der Leber von Mäusen verbesserte, die durch eine Diät fettleibig geworden waren.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kallistatin ein interessantes, aber auch herausforderndes therapeutisches Ziel für Menschen mit Adipositas und Insulinresistenz sein könnte“, sagt die Erstautorin Leontine Sandforth. 

„Da Kallistatin in der Leber Insulin-sensibilisierende Effekte hat, sollte es als potenzielles leberspezifisches Ziel untersucht werden, um die vorteilhaften Effekte eines Gewichtsverlusts nachzuahmen und möglicherweise Typ-2-Diabetes und Adipositas zu behandeln“, ergänzt Letztautor Prof. Andreas Birkenfeld.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

  • Kallistatin wird im menschlichen subkutanen weißen Fettgewebe gebildet.
  • Die Kallistatin-mRNA-Expression bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas nimmt nach einem Gewichtsverlust im subkutanen Fettgewebe zu.

Bei diätinduzierten fettleibigen Mäusen verbessert menschliches Kallistatin die Insulinsensitivität der Leber.

Kallistatin kann zu den positiven metabolischen Auswirkungen der Gewichtsabnahme beitragen.

*Kallistatin (KST)
Kallistatin ist ein zirkulierendes, breit wirkendes humanes Protein. 

Es spielt zum Beispiel bei der Heilung von Verletzungen oder der Vorbeugung von Krankheiten eine Rolle. 

Bei Fettleibigkeit wurden in klinischen Studien niedrigere KST-Spiegel festgestellt. 

Die genaue Funktion dieses Proteins im Zusammenhang mit der Regulation des Blutzuckers und des Energiestoffwechsels bei Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes ist jedoch noch nicht vollständig verstanden. Forschende arbeiten daran, diese Zusammenhänge besser zu entschlüsseln, um neue Ansätze für die Behandlung von Stoffwechselstörungen zu finden.

Über die Forschenden:
Leontine Sandforth
Die Forscherin und Ärztin in Weiterbildung arbeitet beim DZD-Partner Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und in der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Nephrologie des Universitätsklinikums Tübingen.

Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld
Der Sprecher des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) leitet den DZD-Standort in Tübingen, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie des Universitätsklinikum Tübingen.

Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt mehr als 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-munich.de

Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen gehört zu den führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Als eines der 33 Universitätsklinika in Deutschland trägt es zum erfolgreichen Verbund von Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre bei. Weit über 400 000 stationäre und ambulante Patienten aus aller Welt profitieren jährlich von dieser Verbindung aus Wissenschaft und Praxis. Die Kliniken, Institute und Zentren vereinen alle Spezialisten unter einem Dach. Die Experten arbeiten fachübergreifend zusammen und bieten jedem Patienten die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für bessere Diagnosen, Therapien und Heilungschancen, viele neue Behandlungsmethoden werden hier klinisch erprobt und angewandt. Neben der Diabetologie sind die Neurowissenschaften, Onkologie, Immunologie, Infektionsforschung und Vaskuläre Medizin Forschungsschwerpunkte in Tübingen. Der Lehrstuhl für Diabetologie /Endokrinologie war in den letzten 25 Jahren Zentrum interdisziplinärer Forschung insbesondere unter Beteiligung der Chirurgie, Radiologie und Labormedizin. Diese ausgezeichnete Entdeckung der Prädiabetes-Subtypen war nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat die Entdeckung der Prädiabetes Subtypen am Universitätsklinikum ermöglicht. Das Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung verlässlicher Partner. www.medizin.uni-tuebingen.de

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind Helmholtz Munich – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden von Helmholtz Munich am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner. www.dzd-ev.de 

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Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld
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E-Mail-Adresse: niesing@dzd-ev.de


Originalpublikation:

Leontine Sandforth… Andreas L. Birkenfeld: Role of human Kallistatin in glucose and energy homeostasis in mice, Molecular Metabolism,Volume 82, 2024. DOI: doi.org/10.1016/j.molmet.2024.101905.

 

CAVE: Pregabalin und Gabapentin - höhere Kontrolle gewährleisten und den Missbrauch erschweren...

 


Pregabalin und Gabapentin in Kombination mit anderen Drogen – ein potenziell tödlicher Cocktail

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Die Suchtgefahr von Pregabalin ist bekannt. Aufgrund der entspannenden und euphorisierenden Wirkung wird Pregabalin (sowie auch Gabapentin) zunehmend als Droge missbraucht. 

Unheilvoll wird die Einnahme zusammen mit anderen Drogen, die Zahl der Pregabalin- und Gabapentin-assoziierten Todesfälle hat lt. einer aktuellen UK-Auswertung zugenommen und ein entsprechender Anstieg ist auch in Deutschland zu vermuten. 

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor dem missbräuchlichen Medikamentenkonsum und diskutiert eine BtM-Pflicht für die Substanzen.


Pregabalin ist ein Medikament, das häufig zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt wird und dort zur Standardtherapie gehört. Auch bei schweren Angststörungen und neuropathischen Schmerzen kommt es häufig zum Einsatz. Das Medikament ist per se nicht gefährlich, kann aber zu einer Abhängigkeit führen, da es entspannend und euphorisierend wirkt. Daher wird es zunehmend auch als Droge missbraucht und dann in hohen, die normale Dosierung übersteigenden Mengen eingenommen.

Besonders problematisch wird die Substanz in Kombination mit Drogen wie Opioiden und Benzodiazepinen und/oder Alkohol. „Daraus kann schnell ein tödlicher Cocktail entstehen“, mahnt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit. „Der Mischkonsum kann den Effekt der Drogen verstärken, außerdem auch zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führen, mitunter auch zu Ateminsuffizienz und Tod. Leider ist davon auszugehen, dass diese Fälle zunehmen.“ Von Missbrauch betroffen ist auch ein weiteres Medikament, Gabapentin, das ebenfalls zur Schmerztherapie und Therapie epileptischer Anfälle eingesetzt wird. Da es anders verstoffwechselt wird, galt es als sicherer und wurde oftmals als Alternative zu Pregabalin verschrieben. Allerdings wird es von drogenabhängigen Menschen intravenös oder rektal verwendet, was Rauschzustand und Toxizität deutlich erhöht.

Eine behördliche Auswertung der Todesdaten aus Großbritannien [1] zeigte, dass im Jahr 2022 insgesamt 552 Todesfälle auf den Konsum von Gabapentin oder Pregabalin in Kombination mit anderen Drogen zurückgeführt werden konnten, 2018 waren es nur 272 gewesen. Eine aktuelle Arbeit aus Nordirland [2] berichtet, dass Pregabalin-assoziierte Todesfälle vor allem bei Männern im Alter zwischen 30 und 40 Jahren beobachtet werden, aber die Fallzahl auch bei Frauen ansteigt. Bei 80 % der Betroffenen war ein vorhergehender Drogenkonsum bekannt. Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie: Die letale Dosis scheint geringer zu sein, als bislang angenommen wurde.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat bereits 2020 in ihrem Informationsblatt „Arzneiverordnung in der Praxis“ vor der Gefahr der Pregabalin-Abhängigkeit gewarnt und berichtete über einen 6 %igen Anstieg der Verordnungszahlen im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Bremen bekannt gab [4], hat die Anzahl der Verordnungen in den letzten Jahren stark zugenommen, laut Arzneiverordnungsreport 2020 von 37 Mio. DDD in 2008 vs. 117 Mio. DDD in 2019. Die Ärzteschaft wurde über die Gefahren informiert und aufgefordert, bei Verschreibung genau zu prüfen, ob eine Abhängigkeit bzw. Koabhängigkeit von anderen Substanzen vorliegt, und die Patientinnen und Patienten über die Gefahren aufzuklären. Inzwischen sind entsprechende Warnhinweise auch in der Fachinformation nachzulesen.

„Neurologinnen und Neurologen nehmen diese Verantwortung ernst, dennoch können sie einen Missbrauch nicht immer ausschließen“, erklärt Prof. Berlit. 

Pregabalin und Gabapentin seien unverzichtbare Medikamente bei der Behandlung neurologischer Krankheiten, für die bei vielen Indikationen keine anderen wirksamen Therapiealternativen zur Verfügung stünden. Ein Verbot der Medikamente ist daher aus Sicht der neurologischen Fachgesellschaft keine Option. 

„Es müssen Auflagen für die Verordnung wie eine BtM-Pflicht diskutiert werden, so dass eine höhere Kontrolle gewährleistet ist und der Missbrauch erschwert wird“, erklärt Prof. Berlit.

[1] Death registrations related to Gabapentin or Pregabalin, England and Wales: 2018 and 2022. Publiziert am 24.01.2024 https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/birthsdeathsandmarriages/dea...
[2] Huddleston WR, Robert Lyness J, Quinn A. Review of the demographic factors and toxicology related to deaths due to pregabalin in Northern Ireland. J Forensic Leg Med. 2024 Jan;101:102635. doi: 10.1016/j.jflm.2023.102635. Epub 2023 Dec 9. PMID: 38100952.
[3] Köberle U, Stammschulte T, Acquarone D, Bonnet U. Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin. Arzneiverordnung in der Praxis 2020; 47 (1-2): 62-65; https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/Artike...
[4] https://www.kvhb.de/praxen/nachrichten/detail/warnhinweis-zur-verordnung-von-pre...