Prof. Dr. Stefan Kluge: Innerklinische Wiederbelebung - Außer-Klinische Wiederbelebung

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Studie des UKSH und UKE: Kühlungsbehandlung nach Wiederbelebung bringt keinen Vorteil

Eine Unterkühlungsbehandlung bei Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher innerklinischer Wiederbelebung wurde in der Vergangenheit immer wieder empfohlen - um Hirnschäden zu vermeiden. 

Forschende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf haben im Rahmen einer multizentrischen Interventionsstudie festgestellt, dass diese Behandlung keinen Nutzen hat. 

Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck

 Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck UKSH

  • Um Hirnschäden bei Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher Wiederbelebung zu reduzieren, wurde in der Vergangenheit immer wieder eine Kühlungsbehandlung auf 33 Grad Celsius propagiert und empfohlen. 

Forschende des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben nun erstmals Patientinnen und Patienten nach Wiederbelebung im Krankenhaus im Rahmen einer multizentrischen Interventionsstudie untersucht und festgestellt, dass diese Unterkühlungsbehandlung keinen Nutzen hat. 

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht.

In der HACA-in-hospital Studie des UKSH und des UKE wurden Behandlungsdaten von 249 Patientinnen und Patienten analysiert. Der klinische Verlauf sowie das Ausmaß der Erholung der Gehirnfunktion wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand erfasst. Die Hälfte der betroffenen Patientinnen und Patienten wurde auf eine Körpertemperatur von 33 Grad Celsius herabgekühlt, die andere Hälfte wurde durch die Gabe von fiebersenkenden Mitteln auf einer Körpertemperatur von 37 Grad Celsius gehalten.  

  • Die Sterblichkeit innerhalb des beobachteten Zeitraums war bedingt durch die Schwere der Erkrankung erwartungsgemäß hoch und lag in beiden Gruppen bei mehr als 70 Prozent – ohne, dass ein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen nachzuweisen war. 
  • Es zeigte sich auch kein statistisch relevanter Effekt auf die Erholung der Gehirnfunktion durch die künstliche Unterkühlung.

„Während in früheren Studien durchaus ein Effekt der Unterkühlungsbehandlung aufgezeigt werden konnte, haben wir diesen Nutzen nicht feststellen können. 

In den früheren Studien waren allerdings vornehmlich außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstände untersucht worden, während wir bereits stationär behandelte Patientinnen und Patienten mit Grunderkrankungen untersucht haben. 

Wir vermuten daher, dass die in unserer Studie eingeschlossenen Patienten im Wesentlichen an ihrer Grunderkrankung gestorben sind, sodass die Effekte der Kühlung weniger bedeutsam waren“, so Studienleiter Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck.

  • „Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass in unserer Studie auch bei den Patientinnen und Patienten, die nach der Reanimation nicht gekühlt worden sind, Fieber vermieden worden ist, während bei den Patienten in früheren Studien durchaus Fieber über 38 Grad Celsius auftrat. 

Diese Begründung wird auch durch weitere Studien der vergangenen Jahre bestärkt, die ebenfalls keinen Effekt der Unterkühlungsbehandlung bei außerklinisch reanimierten Personen beobachten konnten, wenn die Kontrollgruppe bei 36 bis 37 Grad Celsius gehalten wurde“, erklärt Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE.

Die HACA in-hospital Studie wurde unter der Leitung von Dr. Wolfrum gemeinsam mit Prof. Dr. Kluge und Dr. Kevin Roedl, Klinik für Intensivmedizin des UKE, sowie weiteren deutschen Zentren durchgeführt und ist ein wichtiger weiterer Puzzlestein, um die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand auf ein wissenschaftlich begründetes Fundament zu stellen. 

 Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE

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Originalpublikation:

Sebastian Wolfrum et al, Temperature Control After In-hospital Cardiac Arrest – A Randomized Clinical Trial, Circulation, 2022, Doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060106


Tag der Deutschen Einheit 2022: Empathie/Mitgefühl und seine finanziellen Anreize für eine Entscheidung - musst mich nur dafür Entlohnen...?! Dann habe ich Mitgefühl..

Medizin am Abend  Berlin - MaAB-Fazit: Mitgefühl: Ein Anreiz hilft nicht immer

  • Wer anderen Menschen hilft, will dafür nicht unbedingt eine Belohnung erhalten. 
  • Menschen mit einem geringen Grad an Empathie kann eine Belohnung allerdings zur Hilfeleistung animieren. 

Das zeigt eine neue Studie.

Es ist ein Klassiker der sozialpsychologischen Forschung: 

Menschen spenden weniger Blut, wenn sie dafür bezahlt werden. Ohne Bezahlung, das heißt, nur aus dem Wunsch heraus, ihren Mitmenschen zu helfen, lassen sie sich deutlich mehr Blut abnehmen. Der Rückgang ihrer Spendenbereitschaft kann vermutlich auf ein Motiv zurückgeführt werden: die Sorge, Dritte könnten zu dem Schluss kommen, dass sie allein das Geld dazu antreibt, sich sozial zu engagieren.

Allerdings trifft dieser Befund nicht auf alle Menschen zu. 

Wer ein vergleichsweise geringes Maß an Empathie – sprich: an Einfühlungsvermögen – besitzt, kann durch einen finanziellen Anreiz durchaus zu prosozialem Verhalten animiert werden.  

Das zeigt eine neue Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Würzburg und Frankfurt. Verantwortlich dafür ist Grit Hein, Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Würzburger Universitätsklinikums. Veröffentlicht wurde die Studie in der Fachzeitschrift Social Neuroscience.

Empathie und Egoismus

Auch wenn prosoziales Verhalten gut erforscht ist: „Die Erkenntnisse über die Auswirkungen von Anreizen auf prosoziale Entscheidungen sind widersprüchlich“, erklärt Grit Hein. Da diese Erkenntnisse hauptsächlich auf Verhaltensbeobachtungen beruhen, würden sie keinen Einblick in die zugrunde liegenden Motivationsprozesse geben. „Infolgedessen bleibt unklar, ob und wie finanzielle Anreize andere Motive beeinflussen, aus denen Menschen helfen“, so die Wissenschaftlerin.

Klar ist: 

Anreize schüren Egoismus, also das Streben einen persönlichen Vorteil zu erzielen. 

Helfen ohne Anreize basiert häufig auf Empathie, also der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen. 

„Wer auf der Basis einer empathischen Motivation Hilfe leistet, will das Wohlergehen des anderen steigern, unabhängig von einer möglichen Belohnung. 

Bei einem egoistischen Motiv ist der Nutzen für die anderen nur ein Nebenprodukt. 

Eigentliches Ziel ist es, das eigene Wohlgefühl zu verbessern“, erklärt Hein. Grit Hein und Kollegen haben nun untersucht, wie finanzielle Anreize und eine daraus resultierende egoistische Motivation, Empathie-getriebene Entscheidungen beeinflussen.

Die Studie


In der jetzt veröffentlichten Studien konnten die Versuchsteilnehmerinnen – die Wahl viel ausschließlich auf weibliche Probanden, um so die potenziellen Komplikationen einer geschlechtsgemischten Paarung zu vermeiden –egoistische Entscheidungen oder Entscheidungen zugunsten der anderen Person treffen, indem sie Punkte zu ihrem eigenen Vorteil oder fair teilten.

In einer Versuchsbedingung teilten sie die Punkte, nachdem sie gesehen hatten, dass sich die andere Person in einer unglücklichen Lage befand – in diesem Fall einen schmerzhaften Schock am Handrücken erhielt. Hier basierte die Entscheidung also auf Empathie mit der anderen Person. 

In einer zweiten Versuchsbedingung wurde den Probandinnen zusätzlich ein Bonus versprochen, wenn sie der anderen Person „halfen“, also Punkte zu deren Gunsten vergaben.  

Außerdem wurde ihnen zugesichert, dass ihre Entscheidungen anonym bleiben würden, um auf diese Weise einen potenziellen „Störfaktor“ – nämlich die Motivation, ein positives öffentliches Image zu erzeugen – zu minimieren.

Blick auf die Vorgänge im Gehirn

Bei der Auswertung der Ergebnisse nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine spezielle Methodik: die sogenannte Drift-Diffusions-Modellierung (DDM), die es ermöglicht zu erkennen, wie Empathie allein oder gekoppelt mit einem finanziellen Anreiz die Verarbeitung der Entscheidung beeinflusst. 

Beispielsweise kann unterschieden werden, ob sich nur die Schnelligkeit und Effizienz der Entscheidung ändert, oder auch die Präferenz einer Person für eine egoistische oder faire Entscheidung verändert wird.

Die Autorinnen und Autoren wendeten diese Methode zur Analyse von Hirnaktivierungen an, die während der Entscheidungen mit funktioneller Resonanz-Tomographie (fMRT) aufgezeichnet wurden. 

Die Ergebnisse zeigten, dass wenig empathische Personen Entscheidungen zugunsten der anderen Person effizienter treffen, wenn sie dafür finanziell belohnt werden.
Bei Personen, die ohnehin aus Empathie heraus helfen, haben finanzielle Anreize keinen, oder sogar einen entgegengesetzten Effekt.

CAVE: Keine Veränderung bei hochempathischen Menschen

Auch bei Hirnaktivierungen in der sogenannten anterioren Insel, einer Hirnregion, die mit der Verarbeitung von Empathie in Verbindung steht, führten finanzielle Anreize zu einer stärkeren Aktivierung bei niedrig empathischen Personen, aber keiner Veränderung bei hochempathischen Menschen.

  • „Diese Befunde zeigen, dass finanzielle Anreize nur bei Personen wirken, die von Hause aus wenig empathisch und prosozial eingestellt sind – und auch bei diesen Personen erhöhen sie nur die Effizienz der konkreten Entscheidung. 

Die grundlegende Präferenz einer Person sich egoistisch oder zugunsten einer anderen Person zu entscheiden, wird durch finanzielle Anreize nicht verändert“, fasst Grit Hein die Ergebnisse der Studie zusammen. 

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Prof. Grit Hein, PhD, Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften, Universität und Universitätsklinikum Würzburg, T: +49 931 201-77411, hein_g@ukw.de

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Originalpublikation:

Vassil Iotzov, Anne Saulin, Jochen Kaiser, Shihui Han & Grit Hein (2022) Financial incentives facilitate stronger neural computation of prosocial decisions in lower empathic adult females, Social Neuroscience, DOI: 10.1080/17470919.2022.2115550