Paradoxen Embolien und Schlaganfall: Prophylaxe eines erneuten Schlaganfalls Acetylsalicylsäure/ASS genauso gut geeignet ist wie Antikoagulanzien.

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Schlaganfall-Rezidivprophylaxe bei offenem Foramen ovale mit ASS

Relativ oft kann die Ursache eines Schlaganfalls nicht geklärt werden. 

  • Nicht selten haben diese Patienten als Zufallsbefund im Herzultraschall einen „Vorhofseptumdefekt“ bzw. persistierendes Foramen ovale (PFO), das zu paradoxen Embolien und somit zu Schlaganfällen prädisponieren kann. 
  • Eine Studie [1] zeigte nun, dass bei den Betroffenen zur Prophylaxe eines erneuten Schlaganfalls Acetylsalicylsäure/ASS genauso gut geeignet ist wie Antikoagulanzien.

Ein sogenanntes offenes (oder persistierendes) Foramen ovale (PFO) ist eine kleine Öffnung in der Scheidewand des rechten und linken Herzvorhofes (Vorhofseptum). 

  • Vorgeburtlich ist das Foramen ovale notwendig, damit das Blut nicht durch die Lunge fließt (die ja noch nicht arbeitet), sondern direkt vom venösen Gefäßsystem in das arterielle gepumpt wird. 

Meistens verschließt sich das Foramen nach der Geburt. 

  • Gelegentlich persistiert es aber auch und wird dann häufig zufällig entdeckt (als Herzgeräusch oder als Zufallsbefund bei einer Herzultraschalluntersuchung). 

Ein PFO bereitet normalerweise keine Beschwerden, kann aber zu Schlaganfällen prädisponieren, da kleine Blutgerinnsel (Thromben), die sich irgendwo im Venensystem (z. B. in den Beinen) unbemerkt bilden können, dann mit dem Blutstrom in Hirnarterien gelangen können. 

Dort kann ein solches Gerinnsel eine Hirnembolie (ischämischer Schlaganfall) auslösen. 

  • Wenn bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten keine andere Emboliequelle gefunden wird („ESUS: embolic stroke of undetermined source“), kann ein PFO die Ursache sein.
  • Zur Prophylaxe erneuter Schlaganfälle kann ein PFO interventionell verschlossen werden. 

Dafür gibt es gute wissenschaftliche Evidenz [2]. Eine andere Möglichkeit ist eine medikamentöse, gerinnungshemmende Therapie

  • Diese kann mit Antikoagulanzien (direkte Hemmung plasmatischer Gerinnungsfaktoren bzw. deren Co-Faktoren) oder mit Hemmern der Blutplättchen (Thrombozytenaggregationshemmer, z. B. Acetylsalicylsäure/ASS) erfolgen. 
  • Dabei ist nach der bisherigen Datenlage bei Patienten mit ESUS und PFO die Antikoagulation gegenüber der Plättcheninhibition zu bevorzugen [3].


Um die Evidenzlage zu verbessern, analysierte eine aktuelle Studie [1] Daten einer präspezifizierten Subgruppe der „RE-SPECT ESUS“-Studie [4, 5]. Über 5.000 ESUS-Patienten (mit und ohne PFO) waren zu gleichen Teilen randomisiert worden und erhielten zur sekundären Schlaganfallprophylaxe entweder das direkte orale Antikoagulans Dabigatran (150 oder 110 mg zweimal täglich) oder täglich 1x100 mg ASS. Primärer Endpunkt war die Rate der Schlaganfall-Rezidive. Außerdem wurde die Rate ischämischer Schlaganfälle von Patienten mit versus ohne PFO erfasst.

Ein PFO war bei 680/5.388 Patienten (12,6%) vorhanden – bei 319/2694 in der Dabigatran-Gruppe, (11,8%) und bei 361/2694 (13,4%) in der ASS-Gruppe. In der PFO-Subgruppe war (gegenüber der Gruppe ohne PFO) das mittlere Alter niedriger und der Anteil an Patienten <60 Jahren größer. Die Patienten der PFO-Subgruppe hatten weniger schwere Schlaganfälle und weniger vorbestehende Schlaganfall-Risikofaktoren. Das Risiko für ein Schlaganfallrezidiv war in den Gruppen Dabigatran versus ASS (mit/ohne PFO) statistisch nicht signifikant unterschiedlich (ca. 3-5%). In der PFO-Subgruppe zeigte die Metaanalyse aller vorhandenen (einschließlich der neuen) Daten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede für das Antikoagulans versus ASS hinsichtlich des Risikos eines erneuten ischämischen Schlaganfalls (OR 0,7).

„Zusammenfassend bedeutet das, dass bei Schlaganfall-Patienten mit einem PFO die Antikoagulation nicht wirksamer war als ASS“, kommentiert DGN-Pressesprecher Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen. 

„Somit ist letztendlich auch die Empfehlung der Favorisierung von oralen Antikoagulanzien gegenüber der Plättchenhemmung zu überdenken; zumal ASS insgesamt weniger Nebenwirkungen hat und deutlich kostengünstiger ist.“


Literatur
[1] Diener HC, Chutinet A, Easton JD et al. Dabigatran or Aspirin After Embolic Stroke of Undetermined Source in Patients With Patent Foramen Ovale Results From RE-SPECT ESUS. Stroke 2021 Mar;52(3):1065-1068
doi: 10.1161/STROKEAHA.120.031237. Epub 2021 Jan 28.
[2] Diener H.-C., Grau A., Baldus S. et al., Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale, S2eLeitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie
in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 04.03.2021) https://dgn.org/wp-content/uploads/2012/11/030142_LL_Kryptogener_Schlaganfall_20...
[3] Kuijpers T, Spencer FA, Siemieniuk RAC et al. Patent foramen ovale closure, antiplatelet therapy or anticoagulation therapy alone for management of cryptogenic stroke? A clinical practice guideline. BMJ 2018; 362: k2515
[4] Diener HC, Sacco RL, Easton JD et al. RE-SPECT ESUS Steering Committee and Investigators. Dabigatran for prevention of stroke after embolic stroke of undetermined source. N Engl J Med 2019; 380: 1906–1917
[5] Diener HC, Easton JD, Granger CB et al. RE-SPECT ESUS Investigators. Design of Randomized, Double-Blind, Evaluation in Secondary Stroke Prevention Comparing the Efficacy and Safety of the Oral Thrombin Inhibitor Dabigatran Etexilate vs. Acetylsalicylic Acid in Patients With Embolic Stroke of Undetermined Source (RE-SPECT ESUS). Int J Stroke 2015; 10: 1309–1312

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Originalpublikation:

https://doi.org/10.1161/STROKEAHA.120.031237


Prof. Dr. Angelika Lindinger: Mehrdurchblutung der Lunge, Minderdurchblutung der Organe Niere, Darm, Gehirn

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Die Kleinsten der Kleinen mittels Herzkathetermaßnahme versorgt

Der Ductus arteriosus ist eine pränatale Gefäßverbindung zwischen der großen Körper- und der zentralen Lungenschlagader, die sich üblicherweise in den ersten Lebenstagen verschließt. 

Bei den unreifen Kindern erfolgt dieser Verschluss jedoch häufig stark verzögert oder gar nicht. 

  • Die Folgen sind eine Mehrdurchblutung der Lungen sowie eine Minderdurchblutung der Organe des Körperkreislaufs inkl. der Nieren, des Darms und des Gehirns. 

Zur Behandlung werden verschiedene Medikamente eingesetzt, die aber nicht immer erfolgreich sind. 

In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, das offene Gefäß entweder operativ oder per Herzkathetermaßnahme zu verschließen. 

Letztere Methode gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil der Eingriff schonender für die sehr kleinen Kinder ist. 

Dabei wird ein Gefäß in der Leiste punktiert und der Verschlusspfropfen über einen Katheter in den Ductus platziert. 

  • Neue miniaturisierte Verschlusssysteme erlauben es, auch sehr kleine und untergewichtige Frühgeborene mit einem Körpergewicht von 700g bis 2.000g schonend zu behandeln. 

Da die unreifen Kinder bei der Prozedur nicht auskühlen dürfen, ist man in einigen Kliniken auch dazu übergegangen, sie im Inkubator unter echokardiografischer Kontrolle mit diesem System zu versorgen, was einen komplexen Eingriff darstellt. 

Durch Kooperation von wissenschaftsbasierten Industriezweigen und Kinderkardiologen konnte mit der Weiterentwicklung der Implantationssysteme große Fortschritte in der Behandlung dieser sehr kleinen und unreifen Kinder erzielt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborenen Herzfehler e.V. (DGPK) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft mit dem Ziel der Förderung von Wissenschaft, Diagnostik und Therapie sowie der Prävention von angeborenen und erworbenen Herz- und Kreislauferkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Sie nimmt Belange der Lehre (Ausbildung, Fort- und Weiterbildung) sowie die Erstellung von Leitlinien wahr.

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