DR. MED. JOEL ZINDEL: Verwachsungen im Bauch (Adhäsionen) - Nach Entzündungen/Operationen - Labor Makrophagen

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Verwachsungen im Bauch bekämpfen

Verwachsungen im Bauchraum, die etwa nach Operationen entstehen, haben oft schwerwiegende Folgen. 

Nun haben Forschende der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital Bern, in Zusammenarbeit mit kanadischen Forschenden entdeckt, wie sich solche Verwachsungen bilden. 

Die Erkenntnisse können dazu beitragen, ein Medikament zu entwickeln, um künftig Verwachsungen verhindern zu können. 

Die Studie wurde vom Fachmagazin «Science» als Titelgeschichte veröffentlicht. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzLink: Fachfilm  

Makrophagen im Bauchraum (rot) versiegeln eine mit einem Laser verursachte Verletzung (grün) innert Minuten mit Gerinnsel-ähnlichen Strukturen. Makrophagen im Bauchraum (rot) versiegeln eine mit einem Laser verursachte Verletzung (grün) innert Minuten mit Gerinnsel-ähnlichen Strukturen. Joel Zindel University of Calgary

  • Verwachsungen im Bauch, sogenannte Adhäsionen, entstehen nach Entzündungen oder Operationen. 

Sie können chronische Schmerzen und Verdauungsbeschwerden nach sich ziehen, bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen oder gar lebensbedrohliche Folgen wie einen Darmverschluss haben. 

  • Treten Verwachsungen auf, müssen diese erneut operiert werden. 
  • Zudem erschweren sie nachfolgende operative Eingriffe. 

Dies führt zu entsprechendem Leid bei den Betroffenen und ist auch ein wichtiger Kostenfaktor im Gesundheitssystem. Allein in den USA verursachen Verwachsungen Gesundheitskosten in der Höhe von 2.3 Milliarden Dollar pro Jahr.

Die Entstehung von Verwachsungen ist noch unvollständig erforscht, und es gibt bisher keine Therapie. 

«Da die Krankheit in der Forschung vernachlässigt wurde, haben wir in Bern ein Grundlagenforschungsprogramm gestartet, um mehr über die Entstehung von Adhäsionen herauszufinden», sagt Prof. Daniel Candinas, Mitautor der Studie. 

Es wurde bereits vermutet, dass bei der Entstehung spezielle Immunzellen, sogenannte Makrophagen, eine entscheidende Rolle spielen.

Dies konnte von Joel Zindel und Daniel Candinas von der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin am Inselspital und dem Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, bestätigt werden. Daher setzte Zindel seine Forschung an der University of Calgary in Kanada in der Gruppe von Paul Kubes fort, da diese als führend auf dem Gebiet der Makrophagen in der Bauchhöhle gilt.

Dr. med. Joel Zindel, Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Department for BioMedical Research, Universität Bern.

Dr. med. Joel Zindel, Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital, Universitätsspital Bern, und Department for BioMedical Research, Universität Bern. Pascal Triponez Insel Gruppe


Dank Zindels klinischer Expertise und dem Know-how der kanadischen Forschenden gelang es, ein neues Mikroskopiesystem zu entwickeln, um die Makrophagen sozusagen «in flagranti» dabei zu filmen, wie sie Formen bilden, die dann zu den Verwachsungen führen. Zudem konnten die Forschenden die molekularen Mechanismen dahinter beschreiben. Die Ergebnisse der Studie wurden vom Fachmagazin «Science» nun als Titelgeschichte publiziert.

Neue Technologie entwickelt

  • Makrophagen befinden sich in der Bauchhöhle in der sogenannten peritonealen Flüssigkeit, dem «Schmiermittel» zwischen dem Bauchfell, der inneren Auskleidung der Bauchwand, und einem ähnlichen Überzug der Organe in der Bauchhöhle. 

In dieser Flüssigkeit schwimmen die Makrophagen freischwebend umher, ähnlich wie Plankton im Meer. 

Zu ihren Aufgaben gehört es, Erreger zu beseitigen, aber auch Verletzungen im Bauchraum möglichst rasch zu versiegeln. Wie sie letzteres bewerkstelligen, also eine Verletzung erkennen und sich dorthin zu bewegen, war bislang unklar.

Da sich diese Zellen im Reagenzglas ganz anders verhalten als im Körper, entwickelten Zindel und Kubes ein neues Mikroskopiemodell, das es ihnen ermöglichte, die feinste Stelle der Bauchwand als Fenster zu nutzen, um durch die intakte Bauchwand hindurch in die Bauchhöhle hineinzublicken und die Makrophagen in Echtzeit zu filmen.

Wenn Makrophagen die Kontrolle verlieren

  • Gibt es innerhalb des Bauchraums eine winzige Verletzung, verklumpen Makrophagen innert Minuten dort zu Gerinnsel-ähnlichen Strukturen. 

So versiegeln sie die Verletzung und hören anschliessend auf, weiter zu verklumpen. 

Wie die Forschenden um Zindel und Kubes entdeckt haben, basiert der molekulare Mechanismus dahinter auf speziellen, unspezifischen Rezeptoren, die eine Vielzahl von Strukturen erkennen. 

  • Werden die Makrophagen nun in der Flüssigkeit bewegt, etwa durch die Atem- oder Verdauungsbewegungen, reicht dies aus, damit die Makrophagen mittels ihrer Rezeptoren an einer Wunde und aneinander haften und so verklumpen können.


Was bei kleineren Verletzungen bestens funktioniert, wird bei grossen Verletzungen, wie etwa dem operativen Öffnen der Bauchwand, oder dem Einsetzen eines Implantats, zum Problem. 

  • «Bei grösseren Verletzungen geraten die Makrophagen ausser Kontrolle – die Gerinnsel hören nicht auf zu wachsen und bilden lange Stränge bis alle Makrophagen ‹aufgebraucht› sind», erklärt Zindel. «Wir konnten zeigen, dass diese Stränge zu den Verwachsungen führen.»


Dies könnte evolutionäre Gründe haben: 

Makrophagen sind von der Evolution so optimiert, dass sie mit einer kleineren Verletzung gut umgehen können. 

«Nehmen wir als Beispiel eine Jägerin, die von einem Hirschgeweih verletzt wird», sagt Zindel. 

«Die Makrophagen versiegeln möglichst rasch alle internen Löcher – nur so kann man das überleben». 

Wenn jedoch bei einer Bauchoperation Luft in die Bauchhöhle eindringt oder Fremdkörper implantiert werden, sind die Makrophagen überfordert, denn die Evolution hat sie nicht darauf vorbereitet. «In dem Fall werden die Makrophagen schädlich und verursachen Verwachsungen», erklärt Zindel.

Patent angemeldet

Die Forschenden stellten fest, dass wenn die entsprechenden Rezeptoren im Mausmodell blockiert werden, dies zu weniger Verwachsungen führt. Der entsprechende Wirkstoff wurde zum Patent angemeldet. 

Die Erkenntnisse sind relevant für viele Forschungsgebiete, denn keine anderen Immunzellen werden so schnell «rekrutiert» wie Makrophagen in der Bauchhöhle – dies könnte in anderen Hohlräumen wie beim Herz oder der Lunge ähnlich sein, oder der entdeckte Mechanismus könnte nicht nur bei Verletzungen, sondern auch Erkrankungen wie beispielsweise bei Bauch-Tumoren eine Rolle spielen.

«Dies ist ein Beispiel dafür, dass Grundlagenforschung einen hohen translationellen Wert hat», sagt Daniel Candinas. Gemeinsam mit Calgary werden die Berner Forschenden nun Industriepartner suchen und die Wirksamkeit des Wirkstoffs in menschlichem Gewebe testen. 

  • Künftig könnten Patientinnen und Patienten etwa vor Operationen ein Medikament erhalten, das die Reaktion der Makrophagen unterdrückt und Verwachsungen verhindert.


Department for Biomedical Research (DBMR)

Über 25 Jahre biomedizinische Forschung in Bern: Das Department for Biomedical Research (DBMR) der Universität Bern wurde 1994 gegründet und hat als Institut der Medizinischen Fakultät den Auftrag, Forschenden des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Medizinischen Fakultät eine optimale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die Core Facilities entsprechen stets dem State of the Art, und die Forschenden finden im Departement bedarfsgerechte Labor- und Arbeitsplätze. Dem Departement sind 47 unabhängige Forschungsgruppen angegliedert, die fast alle Bereiche der biomedizinischen Forschung abdecken. Ziel des DBMR ist es, Brücken zwischen laborbasierter und patientenorientierter klinischer Forschung zu schlagen. Ausserdem richtet es seinen Fokus auf die Entwicklung von translationaler Forschung und die Anwendung von sogenannten Omics-Methoden.

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Originalpublikation:

J. Zindel, M. Peiseler, M. Hossain, C. Deppermann, W.Y. Lee, B. Haenni, B. Zuber, J.F. Deniset, B.G.J. Surewaard, D. Candinas, P. Kubes: Primordial GATA6 macrophages function as extravascular platelets in sterile injury, Science, 5. März 2021,https://science.sciencemag.org/content/371/6533/eabe0595



 

Prof. Dr. Roman-Ulrich Müller: Polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) Zystennieren und die Ketogene Diät

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Zystennieren: Studie untersucht Ernährung als Schlüsselfaktor bei Nierenerkrankung

An der Kölner Universität und Uniklinik startet eine klinische Studie, die eine ketogene Diät bei Patienten mit polyzystischen Nieren untersucht / 

Unterstützt wird die Studie von der amerikanischen PKD Foundation (polycystic kidney disease)

  • Ein Kölner Forschungsteam startet eine Studie zur ketogenen Ernährung bei Patienten, die von der vererbbaren polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD, Zystennieren) betroffen sind. 
  • Eine ketogene Diät zeichnet sich durch eine kohlenhydrat- und zuckerarme, aber fettreiche Ernährung aus. 

Unter der Leitung von Prof. Dr. Roman-Ulrich Müller, Oberarzt der Klinik II für Innere Medizin der Uniklinik Köln und Forschungsgruppenleiter am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD sowie am Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK), und Dr. Franziska Grundmann, Oberärztin und Leiterin des Studienzentrums der Klinik II für Innere Medizin, startet die „First in Men“ – Translationale Studie Keto-ADPKD mit 63 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern.

  • Durch Grundlagenforschung konnte bereits in Modellorganismen ein positiver Effekt der ketogenen Diät auf die Zystennieren-Erkrankung gezeigt werden. 

Müllers Kooperationspartner und Köln Alumnus Prof. Dr. Thomas Weimbs, University of California, Santa Barbara, veröffentlichte diese Daten 2019 im Fachjournal „Cell Metabolism“.


Weltweit ist ca. einer von 1.000 Menschen von Zystennieren betroffen, was in Deutschland in einer Zahl von rund 80.000 Menschen mit dieser Erkrankung resultiert. 

Etwa die Hälfte der Patienten leidet mit fortschreitendem Alter unter erheblichen Einschränkungen der Nierenfunktion. 

Gefördert wird die aktuelle Studie durch die amerikanische PKD Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Erforschung der polyzystischen Nierenerkrankung spezialisiert hat. 

„Darauf sind wir stolz und freuen uns sehr, dass wir diese Studie hier in Köln durchführen können. 

Es ist selten, dass Ernährungsstudien, die kostspielig und aufwendig sind, gefördert werden“, so Müller.

Nun soll erstmals – koordiniert durch das Studienzentrum der Klinik II für Innere Medizin – in drei Gruppen à 21 Patienten die Umsetzbarkeit, Sicherheit und Wirkung der ketogenen Diät bei Zystennieren im Menschen untersucht werden. 

Bei einer ketogenen Diät entstammt der Hauptanteil der zugeführten Kalorien aus Fetten, wobei hier im Rahmen der Studie explizit auf gesunde fettreiche Nahrungsmittel geachtet wird. 

Kohlenhydrate (Zucker) werden nur sehr wenige konsumiert. 

  • Der Körper passt sich der Diät an und wechselt seinen Stoffwechsel von der Kohlenhydrat-/Zuckerverbrennung (Glykolyse) zur Ketose, der Verbrennung von Fetten. 

Im Tiermodell wurde zuvor gezeigt, dass der Stoffwechselzustand der Ketose wichtig ist, um das Fortschreiten der Zystennieren-Erkrankung zu hemmen, denn die Zystenzellen können sich nicht an den geänderten Stoffwechsel anpassen. 

In der aktuellen Studie ändert eine Gruppe ihre Ernährung nicht (Kontrollgruppe), die zweite erhält einen ketogenen Ernährungsplan und die dritte Gruppe ernährt sich wie gewohnt, macht jedoch einmal im Monat über drei Tage Wasserfasten (nur Wasseraufnahme).

 
Bei der polyzystischen Nierenerkrankung sind die Funktionseinheiten der Nieren betroffen, die Nephrone. 

Diese entwickeln Zysten – mit Wasser gefüllte Säcke – welche die Nierenfunktion erheblich einschränken können. 

Mehr als 50 Prozent der Betroffenen werden im Alter von 50 bis 60 Jahren ihre Nierenfunktion endgültig verloren haben, sodass eine Dialysebehandlung (Blutwäsche) oder eine Nierentransplantation zum Ersatz der Nierenfunktion notwendig werden. 

„Der Erhalt der Nierenfunktion ist das vorrangige Ziel. 

Es ist hier enorm wichtig den Betroffenen präventive Maßnahmen mit an die Hand geben zu können. 

  • Aber auch der potenzielle Effekt der Ernährung auf das mit der Erkrankung verbundene Größenwachstum der Nieren, welches häufig Beschwerden verursacht, ist von Bedeutung“, sagt Müller.

 Grundmann ergänzt: 

„Zudem ist es von großem Interesse die wissenschaftliche Datenlage zur ketogenen Diät auszubauen. Fundierte Studien über die Sicherheit und Wirkung sind insbesondere bei Patienten mit Nierenerkrankungen bislang kaum vorhanden. 

Wir sind gespannt, ob wir bei den Patienten einen ähnlich positiven Effekt auf die Erkrankung sehen wie zuvor in den vorklinischen Studien."


Die Studie ist für einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren angesetzt. 

Die ersten Ergebnisse werden im Herbst 2022 erwartet.

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Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte 


https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04680780?cond=ADPKD&draw=2&rank=1