CAVE-Chest Pain Unit (CPU): Herzinfarktversorgung: Zeit ist Herz-Musekl

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Gefährliche Angst vor dem Virus | Studie am UKU zu Herzinfarktpatienten während der Coronavirus-Pandemie

Das Coronavirus und die damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens haben den Alltag vieler Menschen stark verändert. 

  • Doch nicht nur das Virus an sich, auch die Angst vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Krankheitserreger kann schwerwiegende Folgen haben, das bestätigt eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Ulm. 

Expert*innen der Klinik für Innere Medizin II haben untersucht, welche Veränderungen es bei der Versorgung von Patient*innen mit akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen am Universitätsklinikum Ulm gab und ob sich die Anzahl der Patient*innen mit diesem Krankheitsbild verändert hat. 
(v. l. n. r. oben) Professor Wolfgang Rottbauer, Professor Armin Imhof , (v. l. n. r. unten) Dr. Manuel Rattka, PD Dr. Sinisa Markovic
 
  • „Neben der Angst vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Krankheitserreger, denken im Moment die meisten Menschen bei Symptomen wie Luftnot und Brustschmerz zunächst an eine Coronavirus-Erkrankung und nicht an einen Herzinfarkt“, so Professor Wolfgang Rottbauer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Lungenerkrankungen des Universitätsklinikums Ulm. 
  • „Wir wissen, dass eine verzögerte Diagnostik und Behandlung eines Herzinfarktes Leben und Herzmuskel kostet – denn Zeit ist Muskel. 

Die Effekte der Coronavirus-Pandemie auf die Herzinfarktversorgung haben wir deshalb über unsere Chest Pain Unit (CPU) analysiert“, so Professor Wolfgang Rottbauer weiter. Die CPU arbeitet seit zehn Jahren für die Großregion Ulm und ist auf die notfallmäßige Behandlung von Herzpatient*innen spezialisiert.


Das Studienteam um Professor Armin Imhof hat hierzu alle Daten von Patient*innen, die zwischen dem 21. März und dem 20. April diesen Jahres notfallmäßig über die CPU aufgenommen wurden, untersucht. „Im Vergleich mit den Patientinnen und Patienten der vergangenen Jahre im gleichen Zeitraum waren die Herzinfarkte größer. 

  • Es traten häufiger schwere Komplikationen auf, wie beispielsweise Defekte der Herzscheidewand, die auch häufiger den Einsatz von Herz-Lungenmaschinen notwendig machten. 
Diese Art der Komplikationen beobachtet man seit Einführung der Chest Pain Units und durch Patientenaufklärung sonst nur noch sehr selten“ berichtet der Erstautor der Studie Dr. Manuel Rattka. 

Die Studie zeigt, dass Patient*innen – sogar wenn sie Symptome eines Herzinfarkts zeigten – später medizinische Hilfe gesucht haben als in den beiden Jahren zuvor.

„Wir haben die Laborwerte unserer Patientinnen und Patienten mit den Werten der letzten drei Jahre verglichen und festgestellt, dass die kritischen Werte während des Untersuchungszeitraums deutlich höher waren. 

Diese Erhöhung deutet darauf hin, dass zwischen den ersten Symptomen akuter Herz-Kreislauf-Probleme und der ersten medizinischen Untersuchung eine längere Zeit vergangen ist als üblich“, sagt Professor Armin Imhof. Dies bestätigt auch den Eindruck von Oberarzt PD Dr. Sinisa Markovic, Leiter der Chest Pain Unit und Mitautor der Studie.

Neben der Versorgung in der CPU haben die Herzspezialist*innen des Universitätsklinikums Ulm auch die generelle Anzahl der Akutaufnahmen an der Klinik für Innere Medizin II analysiert. Die an der Studie beteiligten Ärztinnen und Ärzte untersuchten im gleichen Zeitraum (21. März bis 20. April 2020) ob sich die Zahl der Patient*innen, die aufgrund akuter Herz-Kreislauf-Probleme in der Klinik für Innere Medizin II aufgenommen wurden, im Vergleich zu den Vorjahren verändert hat. Die Ergebnisse bestätigen, was viele schon vermuteten: „Verglichen mit den Jahren 2017 bis 2019 haben wir im untersuchten Zeitraum rund 20 Prozent weniger Patientinnen und Patienten wegen akuter Herz-Kreislauf-Probleme aufgenommen“, erklärt der Studienleiter und Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin II, Professor Armin Imhof. „Dies liegt wohl nicht daran, dass plötzlich weniger Menschen an diesen Symptomen leiden, sondern – so vermuten wir – vielmehr an der Angst vieler, sich in einer Klinik mit dem Coronavirus anzustecken.“ 

  • Hinzu kommen könnte, dass einige Patient*innen nicht zur Überlastung des Gesundheitssystems während der Coronavirus-Pandemie beitragen wollten bzw. ihre Symptome selbst als nicht kritisch einschätzten. 

Besonders in den ersten 15 Tagen der Kontaktbeschränkungen seien die Patientenaufnahmen deutlich zurückgegangen.

 „Dieser Rückgang ist eine besorgniserregende Entwicklung, denn bei vielen Krankheitsbildern, die wir in unserer Klinik behandeln, zählt jede Sekunde.

Wenn Menschen, die akute Symptome verspüren, nicht rechtzeitig in eine Klinik kommen, kann das tödliche Folgen haben“, sagt Professor Armin Imhof.

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie wurden am Universitätsklinikum Ulm für die Patient*innen, Mitarbeiter*innen und Besucher*innen umgehend zahlreiche Schutzmaßnahmen umgesetzt.

Auch während der Hochphase der Pandemie konnten Patient*innen, die mit akuten Herz-Kreislauf-Problemen und anderen kritischen Symptomen in die Chest Pain Unit eingeliefert wurden, jederzeit sicher und effizient dort , in den Herzkatheterlaboren und der kardiologischen Intensivstation versorgt werden.

Über die Chest Pain Unit (CPU)
Auf der Chest Pain Unit der Universitätskardiologie (Klinik für Innere Medizin II) des UKU werden täglich 20-30 Patient*innen mit Verdacht auf Herzinfarkt aus der Stadt und Region Ulm behandelt. Es werden mehr als 2.500 Stentimplantationen an Herzkranzgefäßen durchgeführt, wenn nötig auch unter Einsatz der Herzlungenmaschine. In der Kardiologie des Universitätsklinikums Ulm werden mehr als 6.000 stationäre Patient*innen pro Jahr wegen Herzkrankheiten wie Herzdurchblutungsstörungen (Herzinfarkt), Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen und Herzschwäche behandelt.

Die Herzklinik des UKU ist eine der größten Universitätskardiologien Deutschlands und zählt seit Jahren im Fokus Ranking aufgrund seiner Reputation, seiner Leistungsstärke, seiner höchsten Qualitätsstandards und wissenschaftlichen Leistungen zu den Top Einrichtungen der Herzmedizin in Deutschland. 

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Die Lymphozyten - weiße Blutkörperchen: Gezielte Immunabwehr

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: T-Lymphozyten spielen wichtige Rolle für Krankheitsverlauf bei COVID-19

MHH-Forschungsteam veröffentlicht erste europäische Studie dieser Art im Lancet-Journal „EBioMedicine“ 
 
  • Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 können sehr unterschiedlich verlaufen – einige Menschen bleiben völlig ohne Symptome oder zeigen einen milden Krankheitsverlauf. 

Andere müssen im Krankenhaus behandelt werden. Doch auch hier gibt es Unterschiede zwischen Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation beatmet werden müssen und solchen, die weniger schwer an COVID-19 erkranken. Wie sich diese beiden in den Kliniken versorgten Gruppen immunologisch unterscheiden, hat ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) herausgefunden. Unter der Leitung des Instituts für Immunologie und der Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Blut von COVID-19-Patientinnen und -Patienten untersucht.

Dabei stellten sie fest, dass für den Verlauf der Erkrankung eine bestimmte Zusammensetzung der Lymphozyten eine wichtige Rolle spielt, die für die gezielte Immunabwehr zuständig sind. 

Als erste europäische Studie dieser Art ist die Forschungsarbeit im Lancet-Journal „EBioMedicine“ erschienen. Erstautor ist Dr. Ivan Odak.

  • Zahl der T-Lymphozyten sinkt bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten

„Uns war zwar bekannt, dass schwer an COVID-19 erkrankte Patienten generell weniger Lymphozyten im Blut haben“, sagt Dr. Christian Schultze-Florey, gemeinsam mit Professor Dr. Christian Könecke verantwortlicher Leiter der Studie.

„Allerdings wussten wir nicht, welche speziellen Untergruppen und in welchen Ausmaß diese tatsächlich betroffen sind.“

  • Lymphozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen und werden wie alle Blutzellen im Knochenmark gebildet. 
  • Danach müssen sie im Körper einen Reifungsprozess durchlaufen, bevor sie als T- oder B-Lymphozyten körperfremde Zellen wie Bakterien oder Viren erkennen und bekämpfen können. 
  • Bei schweren Verläufen von COVID-19 – etwa Patienten, die beatmet werden müssen – zeigten sich alle Lymphozyten-Unterarten vermindert im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. 

Dies war bei milden COVID-19 Verläufen deutlich weniger ausgeprägt.

„Von wegweisender Bedeutung war zudem, dass die COVID-19-Patienten mit milder Erkrankung schon bei Aufnahme ins Krankenhaus mehr Effektor-T-Zellen aufwiesen als die Patienten mit einem schweren Verlauf“, erläutert Professor Könecke.

  • Effektor-T-Zellen sind besonders aktivierte T-Zellen, die entweder direkt kranke Zellen zerstören oder mit Botenstoffen das Immunsystem alarmieren und so zusätzliche Immunzellen anlocken. 

Unterschiede konnten die Forscher auch im Verlauf der COVID-19-Erkrankung feststellen.

  • Erholen sich die Patienten von der Infektion mit SARS-CoV-2 und verbessert sich ihr Gesundheitszustand, nimmt auch die Anzahl der Effektor-Zellen im Blut deutlich zu. 

Auch Gedächtniszellen, die als eine besondere Form der T-Zellen Krankheitserreger bei einer erneuten Infektion wiedererkennen und dadurch schneller bekämpfen können, lassen sich im Laufe der Genesung wieder verstärkt nachweisen.

Bleibt eine Besserung der Erkrankung aus, kommt es hingegen nicht zu einem solchen Anstieg.

Gezieltere Diagnose und effektivere Behandlung möglich

„Die T-Zell-Immunantwort scheint bei COVID-19 eine entscheidende Rolle zu spielen“, sagt Professor Förster, Leiter des Instituts für Immunologie.

  • Die generelle Abnahme der Lymphozyten-Unterarten und der Effektor-T-Zellen könnten daher als Biomarker dienen, um über die Messung des Immunstatus den Schweregrad der Erkrankung frühzeitig einzuschätzen. 

„Das ist wichtig, weil manche Patienten bei der Aufnahme ins Krankenhaus klinisch zunächst stabil erscheinen, jedoch schon wenig später ein schwerer COVID-19 Verlauf eintritt“, betont Studienleiter Schultze-Florey.

Diese Patienten könnten durch eine gezielte Diagnose schneller und effektiver behandelt werden.

Auch der Therapieverlauf ließe sich mit Hilfe der T-Zell-Marker möglicherweise vorhersagen. 

So könnte bereits während der Behandlung kontrolliert werden, ob die Patienten darauf ansprechen und sich ihr Gesundheitszustand voraussichtlich verbessert.

Die Forschungsarbeit „Reappearance of Effector T Cells Is Associated With Recovery from COVID-19“ wurde finanziert durch das Corona-Forschungsförderprogramm des Landes Niedersachsen, den Exzellenzcluster „RESIST“und den Sonderforschungsbereich (SFB) 900 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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