Wirkung pflanzlicher Stoffe: Potenzielles Risiko für das Ungeborene

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Auch «natürliche Stoffe» können Ungeborene schädigen

  • Pflanzliche Stoffe, welche Schwangere über ihre Nahrung aufnehmen, werden von der Darmflora in chemische Substanzen zerlegt, welche teilweise die Plazentaschranke durchqueren und in den Fötus gelangen. 

Diese körperfremden Stoffe können dem Ungeborenen schaden, auch wenn sie «natürlichen Ursprungs» sind. 

Forschende des Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Inselspital, Universitätsspital Bern, warnen daher davor, die Einwirkung solcher Stoffe zu unterschätzen. 

Prof. Dr. rer. nat. Stephanie Ganal-Vonarburg, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern.
Prof. Dr. rer. nat. Stephanie Ganal-Vonarburg, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern.
 
Alle Säugetiere und so auch wir Menschen sind von Milliarden von Mikroben besiedelt, welche vor allem in unserem Darm leben, welche aber auch in den Atemwegen, auf der Haut und im Urogenitaltrakt zu finden sind.

In der Forschungsgruppe Gastroenterologie des Department for BioMedical Reserarch (DBMR) der Universität Bern und am Inselspital, Universitässpital Bern, untersuchen Stephanie Ganal-Vonarburg und Andrew Macpherson das Zusammenspiel dieser gutartigen Darmmikroben mit dem Wirtsorganismus.

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachHinweis: LABORMEDIZINISCHE UNTERSUCHUNGEN UND TESTS 

Schon lange ist der positive Einfluss bekannt, den die Darmflora auf unser Immunsystem hat. 

  • Bereits die mütterliche Darmflora hat einen Einfluss auf die Entwicklung des kindlichen Immunsystems im Mutterleib sowie direkt nach der Geburt. 

In einem im Fachjournal «Science» publizierten Übersichtsartikel haben Stephanie Ganal-Vonarburg und Andrew Macpherson die aktuellsten Kenntnisse darüber zusammengetragen, inwieweit die mütterliche Darmflora bei der Entstehung des kindlichen Immunsystems mitwirkt.

  • Sie fanden auch Hinweise darauf, dass die Wirkung pflanzlicher Stoffe, welche Schwangere über die Ernährung aufnehmen, in der Forschung bislang unterschätzt wurde und ein potenzielles Risiko für das Ungeborene darstellt.

Plazenta bietet nur partiellen Schutz

  • Schon lange geht die Forschung davon aus, dass der sich entwickelnde Embryo und Fötus komplett steril, das heisst in der Abwesenheit von besiedelnden Mikroben, heranwächst und dass die Besiedlung erst zum Zeitpunkt der Geburt stattfindet. 

«Allerdings ist der Fötus trotz allem nicht vor mikrobiellen Stoffwechselprodukten, die von der Darmflora der Mutter abstammen, geschützt», sagt Ganal-Vonarburg.

  • Die Plazenta bietet hier nur einen partiellen Schutz und der Kontakt mit mikrobiellen Substanzen führt bereits im Mutterleib zur Reifung des kindlichen angeborenen Immunsystems. 

Dies konnten vorherige Studien der Gruppe um Ganal-Vonarburg und Macpherson bereits zeigen.

«Es ist üblich, dass Schwangere Medikamente nur unter Vorsicht und nach Absprache mit ihrem Arzt einnehmen, da viele Medikament die Plazenta überqueren und die Entwicklung des Kindes stören können. 

Viel weniger ist allerdings darüber bekannt, welche natürlich vorkommenden Stoffe in der Nahrung auf das ungeborene Kind übergehen können und inwieweit dies förderlich oder schädlich für die Entwicklung des kindlichen Immunsystems sein kann», erklärt Ganal-Vonarburg.

Vorsicht bei pflanzlichen Stoffen geboten


Sie hat nun mit Andrew Macpherson aktuelle Forschungsresultate zusammengetragen und Hinweise darauf gefunden, dass Stoffwechselprodukte aus der Nahrung nicht nur direkt, sondern oft erst nach Verstoffwechselung durch die Darmflora in den mütterlichen Organismus und so auch in den sich entwickelnden Fötus gelangen können.

  • Dies gilt auch für die Einnahme von pflanzlichen Produkten, beispielsweise Superfoods, die gerade in der Schwangerschaft als besonders gesund gelten, wie etwa Goji-Beeren oder Chia-Samen: 

«Obwohl es sich bei pflanzlichen Produkten um «natürliche» Stoffe handelt, sind es immer noch sogenannte xenobiotische, also körperfremde Substanzen, mit denen sehr vorsichtig umgegangen werden sollte», sagt Macpherson.

«Gerade wenn Schwangere Produkte auf pflanzlicher Basis in grossen Mengen einnehmen».


Prof. Dr. med. Andrew Macpherson, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern.
 Prof. Dr. med. Andrew Macpherson, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern.

Ganal-Vonarburg und Macpherson empfehlen, dass zukünftige Studien untersuchen sollten, wie und welche Substanzen sich förderlich oder negativ auf die Entwicklung des Ungeborenen auswirken und welchen Einfluss Unterschiede in der mütterlichen Darmflora auf diesen Prozess haben können.

Wie unser Immunsystem entsteht

Sobald das Neugeborene den Geburtskanal der Mutter durchquert, beginnt die Besiedlung seiner Körperoberflächen mit der gutartigen Flora. 

Im Laufe der ersten Jahre reift diese zu einer komplexen Gemeinschaft an Mikroben heran.

Äussere Einflüsse, wie Entbindung (Spontangeburt, Kaiserschnitt), sowie Ernährung (Stillen oder Flaschennahrung) beeinflussen diesen Vorgang langfristig. 

Parallel hierzu entwickelt sich das kindliche Immunsystem.

Es gilt heute als belegt, dass bestimmte mikrobielle Stimuli in dieser frühen Zeit das Immunsystem lebenslang prägen.

Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com






















Über Google: Medizin am Abend Berlin
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.

PROF. DR. RER. NAT. STEPHANIE CHRISTINE GANAL-VONARBURG
Department for Biomedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern
Telefon
+41 31 632 49 73
E-Mail-Adresse
stephanie.ganal@dbmr.unibe.ch

Hochschulstrasse 6
3012 Bern
Schweiz
Bern


Nathalie Matter
Telefon: 0041-31-631 45 80
Fax: 0041-31-631 45 62
E-Mail-Adresse: nathalie.matter@kommunikation.unibe.ch
Originalpublikation:
Stephanie C. Ganal-Vonarburg, Mathias W. Hornef, Andrew J. Macpherson: Microbial–host molecular exchange and its functional consequences in early mammalian life. Science, 8. Mai 2020, https://science.sciencemag.org/content/368/6491/604

CovidSurg Collaborative: Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Patienten: Postoperativ versterben verhindern

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Sterberisiko von Patienten, die sich vor oder direkt nach einer Operation mit SARS-CoV-2 infizieren ist erhöht

Patienten, die an COVID-19 erkranken, haben ein erhöhtes Risiko, im Zusammenhang mit einer Operation zu versterben. 

  • Vor planbaren Operationen sollte deshalb eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 möglichst ausgeschlossen werden. 

Zu diesem Schluss kommt eine weltweite Untersuchung, deren Ergebnisse jetzt von dem Forschungsnetzwerk CovidSurg Collaborative im Fachjournal The Lancet veröffentlicht wurde. 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: OperationsNetzwerk  
 
Professor Dr. Alfred Königsrainer, klinischer Leiter der Studie in Tübingen und Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie sieht das Tübinger Universitätsklinikum jedoch gut gerüstet:

“Wir haben aus den vergangenen Wochen gelernt und uns gut vorbereitet.

Bei Notfalleingriffen und vor geplanten Operationen tun wir alles, um im Vorfeld eine SARS-CoV-2-Infektion möglichst auszuschließen.

Dies ist uns bislang auch gelungen.“ Ob die Situation auch in Deutschland so dramatisch ist, wie es die Studiendaten vermuten lassen, soll möglichst bald durch weitere Auswertungen geklärt werden.

Momentan sind alle chirurgischen Kliniken in Deutschland dringend aufgerufen, sich an der CovidSurg Kohorten-Studie zu beteiligen.

  • Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Patienten, die sich einer Operation unterziehen mussten, haben ein stark erhöhtes Risiko, postoperativ zu versterben, wie eine neue weltweit durchgeführte Studie zeigt, die aktuell in Fachjournal The Lancet veröffentlicht wurde. 

Dazu untersuchten die Forscher Daten von 1.128 Patienten aus 235 Krankenhäusern in 24 Länder. Diese repräsentieren vor allem die Situation in Europa, auch einige Krankenhäuser in Afrika, Asien und Nordamerika waren beteiligt.

Nach den jetzt veröffentlichten Ergebnissen, die unter der Leitung der NIHR Global Research Health Unit on Global Surgery an der Universität Birmingham ausgewertet wurden, haben SARS-CoV-2-infizierte Patienten, die sich einer Operation unterziehen, wesentlich schlechtere postoperative Ergebnisse als ohne die Infektion.

Insgesamt lag die Mortalität während der ersten 30 Tage nach der Operation bei 23,8 Prozent.

Dabei war die Mortalität in allen Untergruppen unverhältnismäßig hoch.

Dies betraf sowohl elektive chirurgische Eingriffe (18,9 Prozent), 
Notfalloperationen (25,6 Prozent), 
kleinere Operationen (16,3 Prozent)
als auch größere chirurgische Eingriffe (26,9 Prozent).

In der Studie wurde weiterhin festgestellt, dass die Sterblichkeitsrate von Männern (28,4 Prozent) verglichen mit der von Frauen (18,2 Prozent) aber auch bei älteren Patienten über 70 Jahren (33,7 Prozent) gegenüber jüngeren Patienten (13,9 Prozent) stark erhöht war.

Zu den Risikofaktoren für die postoperative Mortalität zählen neben Alter und Geschlecht auch vorbestehende schwere Erkrankungen, wie etwa Krebs, große Eingriffe und Notfalloperationen.

Der Tübinger Mitautor der Studie, Prof. Dr. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, kommentierte den Bericht: "Normalerweise erwarten wir, dass die Sterblichkeitsrate von Patienten, die sich elektiven Operation unterziehen, unter einem Prozent liegt.

  • Diese Studie zeigt nun aber, dass die Sterblichkeitsrate bei Patienten, die mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert sind, selbst bei Routineoperationen ganz wesentlich erhöht ist. 
  • Tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate so stark erhöht, dass sie mit dem Mortalitätsrisiko von Hochrisiko-Patienten vor der Pandemie vergleichbar ist.“ 

Ob sich diese Zahlen auch auf deutsche Krankenhäuser übertragen lassen, soll aktuell mit zusätzlichen Daten vordringlich analysiert werden.

Ziel muss es jetzt also sein, nicht nur bei Notfalleingriffen sondern auch vor geplanten Operationen alles zu tun, um eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 möglichst auszuschließen.

In Tübingen wurde deshalb eine telefonische Kontaktaufnahme mit den Patienten am Vortag der geplanten stationären Aufnahme und eine fokussierte Eingangsbewertung in Verbindung mit einem Abstrich bei Risikopatienten am Aufnahmetag etabliert. 

Ebenso gibt es auditierte Verfahrensanweisungen für alle Mitarbeiter und eine strenge Isolierung von Patienten mit nachgewiesener Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, um das Risiko, sich in der Klinik damit anzustecken, praktisch auszuschließen. „Dank dieser Maßnahmen ist es in Tübingen bislang gelungen, keinen einzigen Patienten mit einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu übersehen oder für eine planbare Operation aufzunehmen“, so Königsrainer.

Hintergrundinformationen

Die CovidSurg Collaborative ist ein Forschungsnetzwerk, das sich auf die Untersuchung der Auswirkungen der Coronavirus Pandemie für die chirurgische Versorgung spezialisiert hat.

Am Netzwerk sind zwischenzeitlich viele tausend Chirurgen und Forscher aus über 120 Ländern beteiligt. CovidSurg führt aktuell zwei große Kohorten-Studien durch, in denen Daten zur chirurgischen Versorgung von Patienten weltweit gesammelt und ausgewertet werden; bisher sind Daten von über 20.000 Patienten aus über 700 Krankenhäusern in 72 Ländern verfügbar.

Prof. Dr. Alfred Königsrainer und Dr. Markus Quante sind die klinischen Studienleiter in Tübingen, die gemeinsam mit weiteren Kollegen die CovidSurg Studie durchführen und an dieser weltweiten Initiative mitarbeiten.

Dr. Markus Löffler ist Mitglied im nationalen Leitungsgremium der CovidSurg Collaborative und unterstützt die Initiative und die Studiendurchführung in Deutschland.

Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com





















Über Google: Medizin am Abend Berlin 
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.

Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie
Prof. Dr. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor
alfred.koeningsrainer@med.uni-tuebingen.de
Tel. 07071 29 86620

Dr. Markus Löffler
Forschungsgruppenleiter und Projektkoordinator
markus.loeffler@med.uni-tuebingen.de
Tel. 07071 29 80992

CovidSurg an der Universität Birmingham
Tony Moran, Leiter Internationale Kommunikation, Universität Birmingham,
+44 121 414 8254 oder +44 782 783 2312 bzw. +44 7789 921 165 (Zentrale)
t.moran@bham.ac.uk

Bianca Hermle Universitätsklinikum Tübingen
Hoppe-Seyler-Str. 6
72076 Tübingen
Postfach 2668
72016 Tübingen
Deutschland
Baden-Württemberg
Telefon: 07071 / 29 81032
E-Mail-Adresse: presse@med.uni-tuebingen.de

Originalpublikation:
Mortality and pulmonary complications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31182-X