Fettstoffwechsel: Lebenslange Gehirnentwicklung mit Fettsäuresynthase FASN

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Fettstoffwechsel steuert Gehirnentwicklung

Ein Enzym des Fettstoffwechsels steuert die Aktivität von Hirnstammzellen und die lebenslange Gehirnentwicklung. 

Funktioniert das Enzym nicht korrekt, schränkt dies die Lern- und Gedächtnisleistung bei Menschen und Mäusen ein, wie Forschende der Universität Zürich ermittelt haben. 

Die Regulierung der Stammzellaktivität via Fettstoffwechsel könnte zu neuen Therapien von Hirnerkrankungen führen. 

Hirnorganoide, gebildet von humanen embryonalen Stammzellen, sind organähnliche Zellkulturen des menschlichen Gehirns bestehend aus neuralen Stamm- (rün), Vorläufer- (rot) und Nervenzellen (weiss). (
Hirnorganoide, gebildet von humanen embryonalen Stammzellen, sind organähnliche Zellkulturen des menschlichen Gehirns bestehend aus neuralen Stamm- (rün), Vorläufer- (rot) und Nervenzellen (weiss).Daniel Gonzalez-Bohorquez, UZH
 
  • Neurale Stammzellen sind nicht nur für die frühe Gehirnentwicklung verantwortlich – sie bleiben ein Leben lang aktiv. 
  • Sie teilen sich und bilden laufend neue Nervenzellen und ermöglichen es dem Gehirn, sich kontinuierlich an neue Anforderungen anzupassen. 

Verschiedene genetische Veränderungen beeinträchtigen die Aktivität neuraler Stammzellen und führen so bei betroffenen Menschen zu einer eingeschränkten Lern- und Gedächtnisleistung. Welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, war bislang nur wenig bekannt.

Enzym reguliert die Aktivität von Hirnstammzellen

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Sebastian Jessberger, Professor am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich (UZH), zeigt nun erstmals in einer in Cell Stem Cell publizierten Studie, dass ein Enzym des Fettstoffwechsels die lebenslange Aktivität von Stammzellen im Gehirn reguliert. 

Dieses Enzym – die sogenannte Fettsäuresynthase (FASN)ist für die Bildung von Fettsäuren zuständig.

  • Eine spezifische Mutation in der Erbinformation des Enzyms schränkt bei betroffenen Patientinnen und Patienten die kognitive Leistungsfähigkeit ein.

Angeführt von Postdoc Megan Bowers und den Doktoranden Tong Liang und Daniel Gonzalez-Bohorquez untersuchten die Forschenden die genetische Veränderung von FASN sowohl im Mausmodell als auch in humanen Hirnorganoiden – organähnliche Zellkulturen des Gehirns, die von menschlichen embryonalen Stammzellen gebildet werden. «Dieser Ansatz ermöglicht es, parallel die Auswirkungen des fehlerhaften Enzyms im Hirn erwachsener Mäuse und während der frühen menschlichen Gehirnentwicklung zu analysieren», erklärt Jessberger. Dazu wurde das Erbgut der Mäuse sowie der menschlichen Organoide experimentell so verändert, dass das Enzym des Fettstoffwechsels exakt jene Mutation aufweist, die bei den Menschen mit kognitiven Defiziten gefunden wurde.

  • Verminderte Stammzellenaktivität schmälert kognitive Leistung

Sowohl in der Maus als auch im menschlichen Gewebe führte die FASN-Mutation zur verminderten Teilung von Stammzellen, die laufend neue Nervenzellen bilden.

Verantwortlich dafür ist die Überaktivität des mutierten Enzyms:  

Dadurch sammeln sich Fette im Zellinnern an, was die Stammzellen unter Stress setzt und ihre Teilungsfähigkeit reduziert. 

  Ähnlich wie die kognitiven Einbussen betroffener Menschen zeigten auch die Mäuse aufgrund der Mutation Lern- und Gedächtniseinschränkungen.

«Unsere Ergebnisse liefern den Beweis für den funktionellen Zusammenhang von Fettstoffwechsel, Stammzellaktivität und kognitiver Leistungsfähigkeit», fasst Jessberger zusammen.

Der nun identifizierte Mechanismus zeigt, wie der Fettstoffwechsel die Aktivität neuronaler Stammzellen reguliert und damit die Gehirnentwicklung beeinflusst. «Nur die Verknüpfung von Forschung im Tiermodell und an menschlichen Zellen hat die neuen Erkenntnisse über Lern- und Gedächtniseinschränkungen beim Menschen ermöglicht», betont Jessberger. Gemäss den Wissenschaftlern stellt ihre Methodik eine «Blaupause» dar, um die Aktivität von Hirnstammzellen und ihre Rolle bei kognitiven Prozessen im Detail zu erforschen und damit nur schlecht verstandene Erkrankungen besser zu verstehen.

Stammzellen als therapeutisches Ziel für Hirnerkrankungen

«Wir hoffen zudem, die Stammzellaktivität zukünftig therapeutisch steuern zu können, um sie auch zur Reparatur des Gehirns zu nutzen – etwa zur Behandlung von kognitiven Erkrankungen oder bei Krankheiten, bei denen Nervenzellen absterben, wie dem Morbus Parkinson oder Alzheimer», sagt Sebastian Jessberger.

Finanzierung
Die Forschungsarbeit wurde unterstützt von einem SNSF Consolidator Grant des Schweizerischen Nationalfonds, dem European Research Council, der Dr. Eric Slack-Gyr Stiftung, der Betty & David Koetser Stiftung, dem Zentrum für Neurowissenschaften Zürich und einem Forschungsgrant der Universität Zürich.

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Prof. Dr. Sebastian Jessberger
Institut für Hirnforschung
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Kurt Bodenmüller Universität Zürich
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Originalpublikation:
Megan Bowers, Tong Liang, Daniel Gonzalez-Bohorquez, Sara Zocher, Baptiste N. Jaeger, Werner J. Kovacs, Clemens Röhrl, Kaitlyn M. L. Cramb, Jochen Winterer, Merit Kruse, Slavica Dimitrieva, Rupert W. Overall, Thomas Wegleiter, Hossein Najmabadi, Clay F. Semenkovich, Gerd Kempermann, Csaba Földy, Sebastian Jessberger. FASN-dependent lipid metabolism links neurogenic stem/progenitor cell activity to learning and memory deficits. Cell Stem Cell. 7 May 2020. DOI: 10.1016/j.stem.2020.04.002

MORGEN: Kater-Symptome - Hangover-Symptome : AlkoholTag: HerrenTag - PflanzenCombo-Hinweis

Medizin am Abend Berlin - MaAB-Berlin: Pflanzen-Cocktail hilft gegen den Katzenjammer

Weniger Kopfschmerzen und Übelkeit nach Alkoholkonsum dank einer Mischung aus Pflanzenextrakten – Studie mit 214 Teilnehmerinnen und Teilnehmern veröffentlicht  
  • Eine Mischung aus Pflanzenextrakten hilft effektiv gegen Symptome, die durch übermäßigen Alkoholgenuss verursacht werden und sich meist am nächsten Tag als Kater zeigen. 
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Prof. Dr. Bernhard Lieb und Patrick Schmitt von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt haben. 
  • Demnach wirkt ein Pflanzen-Cocktail aus Früchten, Blättern und Wurzeln, versehen mit Mineralstoffen und Vitaminen, gut gegen die häufigsten Kater-Beschwerden wie Kopfschmerzen und Übelkeit. 

Mineralstoffe und Vitamine alleine hatten keinen günstigen Effekt. 

„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass eine Intervention gegen Kater-Beschwerden auch eine klinische Signifikanz hat“, sagt Patrick Schmitt. An der Untersuchung nahmen 214 Probanden im Alter zwischen 18 und 65 Jahren teil. Es handelt sich um die bislang größte Studie auf diesem Gebiet, die zudem nach den höchsten wissenschaftlichen Standards durchgeführt wurde.

  • Pflanzen-Combo aus Acerola, Kaktusfeige, Ginkgo, Silberweide und Ingwer getestet

Die Biologen wollten herausfinden, ob Kater-Symptome, die nach einem gemäßigten Alkoholkonsum auftreten, durch eine intensive Wasserzufuhr und die Einnahme von antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln und Pflanzenextrakten schwächer ausfallen. 

Schmitt hat dazu im Vorfeld auf der Basis von 600 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften eine Formulierung aus verschiedenen pflanzlichen Substanzen entwickelt. 
  • Dazu gehören Acerolakirsche, Kaktusfeige, Ginkgo, Silberweide und Ingwerwurzel, die für den Test mit Mineralstoffen und Vitaminen kombiniert wurden. 

Als Vergleich dienten ein Placebo und eine Mischung, die nur aus Mineralstoffen und Vitaminen bestand. Der Alkoholkonsum der Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer im Rahmen des Experiments belief sich im Durchschnitt auf rund 1,6 Gramm Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht. Das entspricht bei einem Gewicht von 60 Kilogramm etwa 2,5 Liter Bier.

Hangover-Symptome fallen milder aus

  • Die Probanden konnten sich aussuchen, ob sie Bier, Radler, Weißwein oder Weißweinschorle trinken wollten. Sie erhielten jeweils vor und nach dem Alkoholgenuss einen vorgefertigten Drink der Pflanzenmischung, der Mineralstoff-Vitamin-Mischung oder das Placebo. Wie sich zeigte, kamen die Versuchsteilnehmer, die den Pflanzen-Cocktail erhielten, am besten über die Runden: Im Vergleich zur Placebo-Gruppe war die Intensität der Kopfschmerzen um 34 Prozent geringer und Übelkeit war um 42 Prozent reduziert, Gleichgültigkeit beziehungsweise Apathie fiel um 27 Prozent schwächer aus und Ruhelosigkeit zeigte gegenüber Placebo eine Reduktion um 41 Prozent.  
  • Insgesamt erfasste die Studie 47 Symptome von Durst bis Tinnitus und Lichtempfindlichkeit bis Impulsivität.

Der Kontrollgruppe, die lediglich Mineralstoffe und Vitamine ohne den Pflanzenextrakt erhielt, erging es in etwa wie der Placebo-Gruppe, das heißt sie konnte keine positiven Effekte verbuchen.

  • „Wir sehen also deutlich, dass die Pflanzenauszüge beim Alkoholabbau im Körper interagieren und damit bei der Vorbeugung oder Behandlung von Kater-Erscheinungen helfen beziehungsweise die Probleme lindern“, fasst Schmitt zusammen. 

„Die Pflanzenextraktmischung stellt nach gegenwärtigem Kenntnisstand die einzige wissenschaftlich belegte Möglichkeit dar, um gegen Kater-Beschwerden zu intervenieren.“

Alkoholkonsum führt nicht zu Dehydration

Schmitt, der die Studie im Rahmen seiner Masterarbeit an der JGU durchgeführt hat und nun über Naturstoffe aus Pflanzen gegen Antibiotika-resistente Keime promoviert, weist auf ein weiteres Ergebnis hin:

Ein Flüssigkeitsverlust infolge von Alkoholkonsum ist de facto nicht festzustellen. 

„Das ist ein Mythos aus den 1950er-Jahren.

Tatsächlich kommt es aber nicht zu einer Dehydration infolge von Alkohol.“

Die Studie hatte dazu die Flüssigkeitsaufnahme und Urinausscheidung verglichen.

Für die Zukunft könnte sich der Biologe weitere Untersuchungen vorstellen, um aus den verschiedenen Pflanzenstoffen einen einzelnen Wirkstoff herauszufiltern, der für die positiven Effekte gegen Kater-Beschwerden hauptsächlich verantwortlich ist.

„Dann könnte man aus einer Substanz eventuell auch ein Medikament herstellen“, meint Schmitt.

Weiterführende Links:
https://www.staff.uni-mainz.de/lieb/ - Prof. Dr. Bernhard Lieb

https://imp.biologie.uni-mainz.de/structural_biology/ - Arbeitsgruppe Strukturbiologie

https://www.bio.uni-mainz.de/fachbereich/institute/imp/ - Institut für Molekulare Physiologie

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Originalpublikation:
Bernhard Lieb, Patrick Schmitt
Randomised double-blind placebo-controlled intervention study on the nutritional efficacy of a food for special medical purposes (FSMP) and a dietary supplement in reducing the symptoms of veisalgia
BMJ Nutrition, Prevention & Health, 30. April 2020
DOI: 10.1136/bmjnph-2019-000042
https://nutrition.bmj.com/content/early/2020/04/01/bmjnph-2019-000042