Dein verbales Gedächtsnis: Die TV-bedingte Demenz ab 50

Medizin am Abend Berlin Fazit: Gibt es eine Fernseh-bedingte Demenz?

Das verbale Gedächtnis ist dafür zuständig, sprachliche Botschaften zu erfassen und sie zu verarbeiten. 

Es ist somit zentral wichtig für die Aufnahme und das Verwenden von Informationen, die uns in Worten übermittelt werden.

  • Eine Studie zeigte, dass tägliches Fernsehen von mehr als 3,5 Stunden pro Tag bei Menschen im Alter von 50 Jahren und höher zu einem Abbau des verbalen Gedächtnisses führt. 
  • Sie zeigte auch, dass das nicht nur damit zusammenhängt, dass man beim Fernsehen sitzt und sich nicht ausreichend bewegt. 
Die kognitive Einschränkung entspricht auch nur zum Teil denen von Demenzkranken. 

Möglicherweise zeigt sich hier ein neues Krankheitsbild: die TV-bedingte Demenz. 
 
Macht Fernsehen dumm? 

In gewisser Weise schon, so könnte man das Ergebnis einer aktuellen Studie zusammenfassen.

  • Denn landläufig werden die Menschen als dumm bezeichnet, die nicht in der Lage sind, Informationen adäquat zu verarbeiten. 

Ihnen wird etwas gesagt – z.B. „biege rechts ab!“ –, aber sie sind nicht in der Lage, das Gesagte zu verstehen und umzusetzen.

Sie biegen dann falsch ab oder fahren weiter geradeaus.

Das ist keine Frage des Intelligenzquotienten, sondern kann bedeuten, dass das sprachliche Gedächtnis schwach ist. 

Hätte man diesen Menschen die Wegbeschreibung als Skizze an die Hand gegeben, wäre die Information bei ihnen wahrscheinlich angekommen. 

Doch verbal vermittelte Inhalte „erreichen“ Betroffene nicht in einem ausreichenden Maße.

Das gilt für die Durchsage am Bahnhof, dass der Zug von einem anderen Gleis abfährt, genauso wie die mündlich ausgesprochene Einladung eines Freundes.

  • Bedenkt man, wie stark die moderne Welt von verbaler Information abhängig ist, wird klar, dass Menschen mit einem schwach ausgeprägten verbalen Gedächtnis schnell orientierungslos zurückbleiben, das verbale Gedächtnis also enorm wichtig ist, um sich in der heutigen Informationsgesellschaft zurechtzufinden.
  • Eine Studie aus Großbritannien zeigte nun, dass ein hoher TV-Konsum von täglich mehr als 3,5 Stunden bei über 50-Jährigen zum Abbau des verbalen Gedächtnisses führt. 

Beobachtet wurden 3.590 Studienteilnehmer, die zu Beginn der Studie über 50 Jahre alt waren (das durchschnittliche Alter betrug 67 Jahre) und keine Demenz aufwiesen. Nach sechs Jahren wurden sie im Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten untersucht und zu ihren Fernsehzeiten befragt.

Es zeigte sich ein „dosisabhängiger“ Effekt: je mehr TV ein Teilnehmer schaute, desto mehr hatte das verbale Gedächtnis im Vergleich zum Ausgangswert abgebaut. 

Die kritische Schwelle waren 3,5 Stunden Fernsehkonsum pro Tag, weniger wirkte sich nicht aus.

Dieses Ergebnis hatte auch noch Bestand und blieb statistisch signifikant, nachdem bestimmte Einflussfaktoren wie demographische Größen (Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus, sozialer Stand, Berufsleben/Rente) und gesundheitliche Daten (Vorliegen einer Depression oder Gefäßerkrankungen, Tabak- und Alkoholkonsum) herausgerechnet worden waren.


Die Forscher korrigierten die Befunde auch gegen das Sitzen, also den Bewegungsmangel von Menschen, die viel Fernsehen schauen – und selbst dann blieb das Ergebnis robust.

Der Abbau des verbalen Gedächtnisses kann also nicht allein mit Bewegungsmangel erklärt werden. Bereits früher hat es Studien gegeben, die zeigten, dass viel Fernsehen mit einem kognitiven Abbau einhergeht, aber andere sitzende Freizeitbeschäftigungen wie z. B. im Internet surfen nicht. 

  • Forscher hatten das mit der hohen Stimulanz und dem schnellen Wechsel von Sinneswahrnehmungen (Sehen und Hören) und der gleichzeitigen Passivität der Zuschauer erklärt, die dem Fernsehschauen eigen ist.

Interessanterweise war aber nur das verbale Gedächtnis vom TV-Konsum-bedingen Abbau betroffen, nicht die Wortflüssigkeit („semantic fluency“), die z. B. bei Alzheimerpatienten ebenfalls stark reduziert ist.

 „Verschiedene Studien hatten die These aufgestellt, dass viel TV das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, fördern könnte.

Alzheimer-Patienten haben aber auch kognitive Defizite jenseits des verbalen Gedächtnisverlustes.

Dennoch sind diese Studienergebnisse beunruhigend, da sich möglicherweise eine ganz eigene Krankheitsentität, die TV-bedingte Demenz, entwickelt“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Schon jetzt liegt der durchschnittliche TV-Konsum der Deutschen bereits bei über 3 Stunden [2] – und die vorliegende Studie hatte auch gezeigt, dass Menschen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, mehr TV schauen. 

Des Weiteren waren weibliches Geschlecht, geringer Bildungsgrad, geringer sozialer Status und soziale Isolation (alleine lebend) mit erhöhtem Fernsehkonsum verbunden.

 „Gerade ältere Menschen sollten, um lange geistig fit zu bleiben, von zu viel Fernsehschauen absehen“, so der DGN-Experte.

Literatur
[1] Fancourt D, Steptoe A. Television viewing and cognitive decline in older age: findings from the English Longitudinal Study of Ageing. Nature Scientific Reportsvolume 9, Article number: 2851 (2019).
https://doi.org/10.1038/s41598-019-39354-4
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2913/umfrage/fernsehkonsum-der-de...

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Untersucher+Cardiolotse: Mangelnde Adhärenz von Patienten - Therapieempfehlungen

Medizin am Abend Berlin MaAB - Fazit: Wie bleiben Patienten der Therapie treu?

In einer vom BMBF geförderten Nachwuchsgruppe erforscht der Geriater und Neurologe PD Dr. Tino Prell am Universitätsklinikum Jena, in welchem Maß ältere neurologische Patienten in der Klinik und nach der Entlassung die vereinbarten Therapieempfehlungen einhalten und wodurch sich die Therapietreue verbessern lässt. 

Der Geriater und Neurologe PD Dr. Tino Prell erforscht am Universitätsklinikum Jena, in welchem Maß ältere neurologische Patienten die vereinbarte Therapie einhalten.
Der Geriater und Neurologe PD Dr. Tino Prell erforscht am Universitätsklinikum Jena, in welchem Maß ältere neurologische Patienten die vereinbarte Therapie einhalten.
Foto: Michael Szabó/UKJ
 
Das Mittel vertrage ich nicht, die Tablette habe ich vergessen, ich weiß gar nicht, wozu die Salbe gut sein soll – aus den verschiedensten Gründen und erstaunlich oft können oder wollen sich Patienten nicht an die mit ihrem Arzt abgesprochenen Behandlungsmaßnahmen halten. 
  • Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass nur etwa die Hälfte der chronisch kranken Patienten in Industrieländern die Therapieempfehlungen konsequent einhält. 
Dies ist besonders bei älteren Patienten, die wegen mehrerer Erkrankungen auch zahlreiche Medikamente bekommen, ein großes Versorgungsproblem.

Diese mangelnde Adhärenz, so die Fachbezeichnung für die Befolgung des Therapieplans, verursacht enorme Kosten und kann zu einer dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder gar zum Tode führen.

In einem zweistufigen Forschungsprojekt untersucht eine Forschungsgruppe am Universitätsklinikum Jena jetzt allgemeine und krankheitsspezifische Faktoren, die zu einer Abweichung vom Therapieplan führen, und welche Maßnahmen die Adhärenz verbessern können. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Nachwuchsgruppe an der Klinik für Neurologie leitet PD Dr. Tino Prell: „Für die wachsende Gruppe der geriatrischen Patienten mit einer neurologischen Grunderkrankung wie Parkinson, Schlaganfall oder einer Demenz liegen bislang kaum umfangreiche Daten zur Adhärenz vor. Deshalb bitten wir diese Patienten auf unserer Station zunächst, an einer umfassenden Beobachtungsstudie teilzunehmen.“

Sektorenübergreifende Beobachtungsstudie zur Adhärenz

Dazu werden die Patienten während des stationären Aufenthalts nach persönlichen Gründen für das Nichteinhalten von Therapieempfehlungen, das als Non-Adhärenz bezeichnet wird, befragt.

Um der besonderen Struktur des deutschen Gesundheitssystems gerecht zu werden, erfolgt einen Monat nach Entlassung ein Telefoninterview, in dem u.a. die Gründe für Veränderungen der Medikation im ambulanten Bereich eruiert werden. Dieses Telefoninterview wird nach zwölf Monaten wiederholt, ergänzt um standardisierte Befragungen zur Lebensqualität und zur Adhärenz. Zusammen mit umfangreichen krankheitsspezifischen Daten kann so das komplexe Phänomen der Non-Adhärenz näher charakterisiert und verstanden werden.

Basierend auf diesen Daten sollen im zweiten Abschnitt des Projekts Maßnahmen entwickelt werden, die die Therapietreue verbessern können. „Die jeweiligen individuellen Gründe für Non-Adhärenz müssen berücksichtigt werden. Wer seine Medikamente häufig vergisst, dem kann am ehesten durch Verhaltensstrategien geholfen werden. Für Patienten, denen nicht ausreichend erklärt wurde, warum sie ein Medikament nehmen sollen, ist eine Verhaltensintervention sicherlich weniger nützlich. Hier sind andere Strategien notwendig“, nennt Tino Prell als Beispiel.

Niedergelassene Ärzte einbezogen in Test der Interventionen

Der zweite Projektteil überprüft dann die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in einer kontrollierten Interventionsstudie. Dafür setzen die Jenaer Neurologen auch auf die Unterstützung ihrer Kollegen in den Arztpraxen. Der Studienarzt kontaktiert die niedergelassenen Ärzte vor der Entlassung des Patienten, um dessen aktuelle Situation, das Therapiekonzept und eventuelle Probleme zu besprechen. So können die in der Klinik mit Gesprächen und krankheitsspezifischen Informationen begonnenen Maßnahmen in der ambulanten Betreuung fortgesetzt werden. Nach zwölf Monaten erfragt das Studienteam dann wieder die Adhärenz und die Lebensqualität des Patienten.

Insgesamt 1000 Patienten will die Nachwuchsgruppe am Jenaer Uniklinikum in ihre Untersuchung aufnehmen, für die fünf Jahre veranschlagt sind. Ihr Ziel ist es, spezifische Interventionen zu etablieren, die die Adhärenz von neurogeriatrischen Patientinnen und Patienten verbessert. Tino Prell: „Damit wollen wir dazu beitragen, die Lebensqualität dieser Patienten zu steigern, unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden, Pflegebedürftigkeit zu reduzieren und Kosten für das Gesundheitssystem zu senken.“

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