FEM- Freiheitsentziehende Maßnahmen: Wohltätigkeit + Fürsorge begründete Zwangsmaßnahmen

Medizin am Abend Berlin Fazit: Wann dürfen Menschen vor sich selbst geschützt werden?

Der Deutsche Ethikrat hat in Berlin seine Stellungnahme „Hilfe durch Zwang? Professionelle Sorgebeziehungen im Spannungsfeld von Wohl und Selbstbestimmung“ veröffentlicht. 
 
  • Mit Wohltätigkeit und Fürsorge begründete Zwangsmaßnahmen sind in vielen Feldern des Sozial- und Gesundheitswesens verbreitet. 
  • Dabei handelt es sich etwa um freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Unterbringung in Kliniken und anderen stationären Einrichtungen gegen den Willen der betroffenen Person oder das Anbringen von Bettgittern oder Fixierungsgurten, um medizinische Behandlungen oder Pflegemaßnahmen gegen den Willen eines Patienten oder um sogenannte intensivpädagogische Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. 
Wenn eine Person sich selbst schwer zu schädigen droht, können solche Zwangsmaßnahmen dem Wohl der betroffenen Person dienen.

  • Gleichwohl stellt jede Anwendung solchen „wohltätigen Zwangs“ einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person dar und ist folglich in besonderem Maße rechtlich und ethisch rechtfertigungspflichtig. 
Dies führte immer wieder zu kritischen Diskussionen über entsprechende Praktiken in der Medizin, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Pflege- und Behindertenheimen.

Der Deutsche Ethikrat greift mit seiner Stellungnahme diese Diskussionen mit dem Ziel auf, Politik, Gesetzgeber und Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen auf Regelungs- und Umsetzungsdefizite im schwierigen Problemfeld der professionellen Hilfe durch Zwang hinzuweisen und Lösungsvorschläge aufzuzeigen.

  • Grundsätzlich ist der Ethikrat der Auffassung, dass die Anwendung von Zwang im Kontext professioneller Sorgebeziehungen nur als Ultima Ratio in Betracht kommt. 
  • Das heißt zunächst, dass Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse so gestaltet werden sollten, dass Zwang möglichst vermieden wird. 

Kommt es dennoch zu Situationen, in denen eine Person schweren Schaden zu nehmen droht, etwa weil sie sich einer erforderlichen medizinischen Maßnahme widersetzt, so muss durch beharrliche Überzeugungsarbeit versucht werden, die freiwillige Zustimmung oder Mitwirkung des Betroffenen zu erzielen. 

  • Auch müssen vor der Durchführung einer Zwangsmaßnahme alle zur Verfügung stehenden weniger eingreifenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, mit denen das gleiche Ziel erreicht werden kann.

Zwangsmaßnahmen dürfen nur in Situationen in Erwägung gezogen werden, in denen ein Sorgeempfänger in seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung so stark eingeschränkt ist, dass er keine freiverantwortliche Entscheidung zu treffen vermag.

Das bedeutet umgekehrt, dass der freie Wille einer voll selbstbestimmungsfähigen Person auch dann zu respektieren ist, wenn ihr erhebliche Risiken für Leib und Leben drohen. 

  • Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung ist damit der zentrale normative Bezugspunkt im Umgang mit Zwang, auch wenn die Grenze der fehlenden Freiverantwortlichkeit in der Praxis schwer zu ziehen ist.

Jede Zwangsmaßnahme bedeutet in letzter Konsequenz eine Fremdbestimmung des Gezwungenen.

Umso wichtiger ist es, ihre Durchführung so zu gestalten, dass Achtung und Respekt vor der individuellen Person und ihrer Selbstbestimmung soweit als möglich gewährleistet bleiben.

Das bedeutet unter anderem, dass ihr Anspruch auf Partizipation durch Einbeziehung in die Planung und Durchführung sowie die Nachbereitung einer Zwangsmaßnahme durchgesetzt werden muss.

Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Zwangsmaßnahme muss stets auch die Möglichkeit sekundärer Schäden etwa in Form von Demütigung, Traumatisierung oder Vertrauensverlust berücksichtigt werden. 

Die Dauer von Zwangsmaßnahmen sollte so kurz wie möglich gewählt werden.

Um dies sicherzustellen, muss in angemessenen zeitlichen Abständen regelmäßig überprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Einsatz von Zwangsmaßnahmen weiterhin vorliegen.

Wegen ihres exzeptionellen Charakters müssen Zwangsmaßnahmen sorgfältig dokumentiert und in regelmäßigen Abständen ausgewertet werden.

Maßnahmen der Qualitätssicherung inklusive Fehlermeldesysteme und Beschwerdemanagement sollten auch Zwangsmaßnahmen erfassen.

An Zwangsmaßnahmen beteiligtes Personal sollte speziell geschult sein. 

Die interkulturelle Kompetenz der professionell Sorgenden sollte gefördert werden.

Auch sollten Strukturen geschaffen werden, die kulturelle und sprachliche Barrieren minimieren. 

  • Professionell Sorgende, die an Zwangsmaßnahmen beteiligt sind, sollten Unterstützung und Begleitung erhalten, um die im Umgang mit Zwang gemachten eigenen Erfahrungen kognitiv und emotional zu verarbeiten. 

Kollegiale Beratungsgremien sollten etabliert werden, die sich mit dem Einsatz von Zwangsmaßnahmen prospektiv und retrospektiv befassen.

Die Öffentlichkeit sollte für die ethisch und rechtlich problematischen Aspekte von Zwangsmaßnahmen im Umgang mit psychisch Kranken in Krisensituationen, Kindern und Jugendlichen in schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen sowie pflegebedürftigen alten und behinderten Menschen sensibilisiert werden.

Dabei fällt den Medien die wichtige Aufgabe einer differenzierten und sachangemessenen Berichterstattung zu.

Zusätzlich zu diesen (und weiteren) grundsätzlichen Empfehlungen für den verantwortungsvollen Umgang mit Zwang in professionellen Sorgebeziehungen hat der Ethikrat eine Vielzahl bereichsspezifischer Empfehlungen für die drei Praxisfelder Psychiatrie, Kinder- und Jugendhilfe sowie Altenpflege und Behindertenhilfe formuliert, die in der Stellungnahme nachgelesen werden können.

Die Stellungnahme wurde ohne Gegenstimmen vom Deutschen Ethikrat verabschiedet.

Ein Mitglied äußert in einem Sondervotum Bedenken bezüglich des zentralen Begriffs der Freiverantwortlichkeit.

Der Begriff werde in der Stellungnahme nicht klar genug bestimmt, um die ihm aufgebürdete normative Last zu tragen.

Die Stellungnahme ist online verfügbar unter

Medizin am Abend Berlin ZusatzLink: Ethikrat-Stellungnahme  

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Untersucher/StudiyNurse Studienplanungen: Respektvolle Behandlung von Versuchspersonen

Medizin am Abend Berlin Fazit: Ethische Verantwortung beginnt bei der Planung von Studien

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) hat Empfehlungen für „Ethisches Handeln in der psychologischen Forschung“ veröffentlicht. 

Die Empfehlungen richten sich an Forschende, Studierende und Lehrende aus allen Bereichen der Psychologie, und damit auch an Antragstellende und Begutachtende in Ethikkommissionen. 

„Qualität in der psychologischen Forschung kann nur dann gewährleistet sein, wenn sie ethischen Prinzipien folgt“, sagt Birgit Spinath, Präsidentin der DGPs. 

„Mit unseren Empfehlungen setzen wir ein Zeichen für Qualitätssicherung und bieten Forschenden eine klare Orientierung für ihren Forschungsprozess.“ 
 
  • Welche Auswirkungen hat die Nutzung von Smartphones auf die Stimmung von Jugendlichen? 

Wie gut können wir unliebsame Gewohnheiten verändern?

Ab wann verstehen Babys unsere Sprache?

Wie verändern sich unsere Emotionen im Alter?

Diese und ähnliche Fragen berühren den Kern psychologischer Forschung: das Erleben und Verhalten des Menschen.

  • „Psychologische Forschung ist in den allermeisten Fällen auf die Teilnahme von Menschen als ‚Untersuchungsobjekt‘ angewiesen. 

Wir Forschenden tragen die Verantwortung dafür, dass unsere Versuchspersonen respektvoll behandelt werden und durch die Untersuchungen keinen Schaden nehmen“, erklärt Annette Schröder, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Koblenz-Landau und Zweite Vizepräsidentin der DGPs.


Im Forschungsprozess beginnt diese Verantwortungsübernahme bereits bei der Studienplanung: 

Wer muss bei Untersuchungen mit Jugendlichen zur Smartphone-Nutzung und Stimmungsbeeinflussung einwilligen – nur die Jugendlichen selbst, nur die Eltern, oder beide? Gibt es Risiken bei der Teilnahme an bestimmten psychologischen Experimenten, zum Beispiel durch das Ausfüllen von Selbsteinschätzungsfragebögenund falls ja, muss man darüber aufklären?

„Wir haben das Wissen über gute ethische Forschungspraxis in unseren Empfehlungen gebündelt“, sagt Annette Schröder. Auf Basis der bereits 2004 formulierten berufsethischen Richtlinien, die Leitlinien sowohl für die berufliche Praxis als auch für die Forschung formulieren, behandelt die Broschüre vor allem die ethischen Prinzipien, die in der Forschung mit Menschen relevant sind. „Neben einer Reihe von Good Practice-Beispielen für ethische Entscheidungen bieten wir unseren Forschenden auch konkrete Hilfestellungen durch Checklisten und Musterbeispiele an, die sie für ihre Ethikanträge nutzen können“. In den Empfehlungen werden vier international anerkannte elementare Prinzipien beschrieben, nach denen ethisch vertretbare Forschung erfolgen sollte:

Respekt vor Selbstbestimmung: Die Freiwilligkeit der Teilnahme von Versuchspersonen muss in allen Phasen und Teilen einer wissenschaftlichen Untersuchung respektiert werden.

Nichtschädigung: Die Privatsphäre von Versuchspersonen muss gesichert werden und erhaltene Informationen müssen vertraulich behandelt werden.

Fürsorge: Die Würde und Integrität von Versuchspersonen muss gewahrt werden.
Gerechtigkeit: Versuchspersonen müssen fair behandelt werden.

Die Empfehlungen der DGPs verdeutlichen, unter welchen Bedingungen eine Studie als ethisch unbedenklich einzustufen ist.

Dazu werden insbesondere auch die Kriterien transparent gemacht, die bei der Beurteilung von Anträgen von der Ethikkommission der DGPs angelegt werden. 

Sie dienen dadurch als Unterstützung für Antragstellende und für Vertreterinnen und Vertreter lokaler Ethikkommissionen an den Universitäten.

Über die DGPs:
Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.) ist eine Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 4500 Mitglieder erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag.
Die Pressestelle der DGPs informiert die Öffentlichkeit über Beiträge der Psychologie zu gesellschaftlich relevanten Themen. Darüber hinaus stellt die DGPs Journalisten eine Datenbank von Experten für unterschiedliche Fachgebiete zur Verfügung, die Auskunft zu spezifischen Fragestellungen geben können.
Wollen Sie mehr über uns erfahren? Besuchen Sie die DGPs im Internet: www.dgps.de

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DGPs
Dr. Anne Klostermann
Pressereferentin DGPs
Tel.: 030 280 47718
E-Mal: pressestelle@dgps.de


Prof. Dr. Annette Schröder
2. Vizepräsidentin der DGPs
Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Universität Koblenz-Landau
E-Mail: schroede@uni-landau.de

Originalpublikation:
https://www.hogrefe.de/shop/ethisches-handeln-in-der-psychologischen-forschung-7...