Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson: Endoplasmatischen Retikulum (ER)

Medizin am Abend Berlin Fazit: „Science“-Studie: Proteine surfen zu Bestimmungsort in Zellen – Forscher finden neuen Transportweg

  • Proteine sind wichtige Bausteine von Zellen und deren Bestandteilen, etwa den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. 

Kaiserslauterer Forscher um Professor Dr. Johannes Herrmann haben nun erstmals gezeigt, dass die Proteine nicht wie vermutet direkt vom Ort ihrer Entstehung in die Zellkraftwerke wandern, sondern über einen Umweg. 

Sie „surfen“ gewissermaßen über das Endoplasmatische Retikulum, ein weiterer Zellbestandteil, zu ihnen.

 In der renommierten Fachzeitschrift Science stellen die Forscher diesen Mechanismus nun vor. Sie vermuten, dass Zellen so eine Protein-Verklumpung verhindern. 

Der Mechanismus könnte bei Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson eine Rolle spielen. 

Professor Johannes Herrmann und seine Doktorandin Katja Hansen erforschen den Transport von Proteinen in die Mitochondrien.
Professor Johannes Herrmann und seine Doktorandin Katja Hansen erforschen den Transport von Proteinen in die Mitochondrien. Foto: AG Herrmann
 
  • In der Wissenschaft galt lange die Annahme, dass Proteine nach ihrer Produktion im Zytosol, der Zellflüssigkeit, direkt zu ihren Bestimmungsorten gelangen wie den Zellorganellen. 

Zu diesen kleinen Funktionseinheiten der Zelle zählen zum Beispiel die Mitochondrien, in denen bestimmte Proteine die Energie der Zellen produzieren.

Auf ihrer Oberfläche besitzen Mitochondrien spezielle Rezeptoren.

 „Sie erkennen neue Proteine und sorgen dafür, dass spezielle Transportporen diese aufnehmen und ins Innere bringen“, sagt Professor Johannes Herrmann, der an der TUK das Lehrgebiet Zellbiologie leitet und schon lange am Transport von Proteinen in die Mitochondrien forscht.

Aber was mit den Proteinen davor passiert, war bislang völlig unklar.“



Die Mikroskop-Aufnahme zeigt Mitochondrien, die auch als Kraftwerke der Zellen bekannt sind.
 Die Mikroskop-Aufnahme zeigt Mitochondrien, die auch als Kraftwerke der Zellen bekannt sind. Foto: AG Herrmann

Gemeinsam mit Professorin Maya Schuldiner, einer ausgewiesenen Expertin auf dem Gebiet der Genetik vom renommierten Weizmann Institut im israelischen Rehovot, hat das Team um Herrmann herausgefunden, dass die Proteine zunächst zum Endoplasmatischen Retikulum (ER) gelangen.

  • Das ER ist auch ein Zellorganell und dient als Sendezentrale. 
  • Es schickt verschiedene zelluläre Bestandteile, meist Proteine, nach ihrer Bildung dorthin, wo sie gebraucht werden.

„Wir haben dort bestimmte Faktoren identifiziert, die für den Transport von Proteinen zu den Mitochondrien notwendig sind“, sagt Katja Hansen, Doktorandin von Herrmann und Erstautorin der aktuellen Studie. Dazu hat Hansen zunächst ein neues molekularbiologisches Verfahren entwickelt. Mit dieser Technik ist es dem Kaiserslauterer Forscherteam gelungen, den Mechanismus genau zu analysieren. Es hat ihn „ER-Surf“ getauft, „weil die Proteine hierbei über die ER-Oberfläche, auf Englisch surface, surfen“, erläutert Hansen.

Das ER dient dabei als eine Art Zwischenspeicher.

„Empfindliche neue Proteine werden hier solange gebunden, bis sie an Mitochondrien weitergegeben werden können“, so Herrmann. 

„Dies verhindert vermutlich die Bildung von Protein-Klumpen, sogenannten Aggregaten, die für Zellen schädlich und Ursache vieler Krankheiten sind.“

Das Team von Herrmann will nun untersuchen, welche Bedeutung dieser Mechanismus bei verschiedenen Erkrankungen spielen kann und wie sich die Bildung dieser Aggregate verringern lässt.

„Vor allem neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson werden durch solche Protein-Klumpen ausgelöst, die sich in alternden Zellen anreichern“, fährt der Professor fort.


Wenn die Forscher diese Prozesse genauer verstehen, könnten sie in Zukunft als Basis für einen Therapieansatz dienen, um beispielsweise Alterserkrankungen vorzubeugen.

In wie weit der ER-Surf-Mechanismus auch bei Proteinen eine Rolle spielt, die zu anderen Orten in der Zelle wandern, müssen weitere Studien zeigen.

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Prof. Dr. Johannes Herrmann
Zellbiologie
E-Mail: hannes.herrmann(at)biologie.uni-kl.de
Tel.: 0631 205-2406

Originalpublikation:
„ER surface retrieval pathway safe-guards the import of mitochondrial membrane proteins in yeast.“ Hansen, K.G., Aviram, N., Laborenz, J., Bibi, C., Meyer, M., Spang, A., Schuldiner, M., Herrmann, J.M.
http://science.sciencemag.org/content/361/6407/1118
DOI: 10.1126/science.aar8174

Angst, Scham, Freude oder Stolz: Verlust des ersten Milchzahnes in der Ferienzeit?

Medizin am Abend Berlin Fazit: Kinder freuen sich über den Verlust des ersten Milchzahns

Angst, Scham, Freude oder Stolz: 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Frühchen-Versorgung  

Welche Gefühle zeigen Kinder, wenn sie ihren ersten Milchzahn verlieren? 

Mehrheitlich positive – zu diesem Schluss kommt eine interdisziplinäre Forschungsgruppe der Universität Zürich.

  •  In ihrer aktuellen Studie konnte sie zeigen, dass frühere Zahnarztbesuche das emotionale Erleben ebenso beeinflussen wie der Bildungsgrad und die Herkunft der Eltern.
 
In den ersten Jahren nach Geburt wachsen bei Kindern Milchzähne, die später durch ein dauerhaftes Gebiss ersetzt werden.

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Kita-Sachkostenberechnung  

Ihren ersten Milchzahn verlieren die Kleinen in der Regel im sechsten Lebensjahr: 

Der Zahn beginnt zu wackeln, lässt sich immer stärker bewegen, bis er schliesslich ausfällt und eine Lücke für seinen Nachfolger hinterlässt. Dieser schrittweise Prozess gehört wohl zu den ersten biologischen Veränderungen am eigenen Körper, die Kinder bewusst erleben.

Entsprechend breit ist das Spektrum von Emotionen, die ihn begleiten können.

Sie reichen von Freude darüber, endlich zur Welt der Grossen zu gehören, bis hin zu Angst vor dem Verlust eines Körperteils.

Eltern beobachten positive Reaktionen

Welche Gefühle Kinder beim Verlust des ersten Milchzahns durchleben und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen, untersuchte ein interdisziplinäres Team von Zahnmedizinern, Entwicklungs- und Gesundheitspsychologen der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit dem Schulzahnärztlichen Dienst der Stadt Zürich in einer aktuellen Studie.

Die Wissenschaftler befragten dazu Eltern von Kindern, die bereits mindestens einen ihrer Milchzähne verloren hatten. In den gegen 1300 beantworteten Fragebogen berichteten rund 80 Prozent der Eltern von positiven und nur 20 Prozent von negativen Emotionen bei ihrem Kind. Werte, die den Erstautoren Raphael Patcas freuen: «Dass vier von fünf Kindern den Verlust eines Milchzahns positiv erleben, ist eine für Eltern wie Zahnärzte gleichermassen beruhigende Nachricht.»

Was lange wackelt, wird endlich gut

Als Einflussfaktor auf die Gefühle der Kinder machten die Forscher frühere Zahnarztbesuche aus. 

Waren diese kariesbedingt und so vielleicht auch mit Scham oder Schuldgefühlen verbunden, zeigten die Kinder beim späteren Verlust des ersten Milchzahns weniger positive Emotionen.

Liessen sich frühere Zahnarztbesuche hingegen auf einen Unfall und so auf ein abruptes, unerwartetes und schmerzhaftes Ereignis zurückführen, erhöhte dies die Wahrscheinlichkeit positiver Gefühle beim späteren Zahnverlust. 

Eine mögliche Erklärung sieht Zahnmediziner Raphael Patcas darin, dass der Milchzahn schrittweise beweglicher wird, bevor er sich ganz löst – ein gradueller Prozess, der im Gegensatz zu einem Umfall langsam und vorhersehbar verläuft.

Dafür spricht auch, dass Kinder, die das Wackeln ihres Zahns über eine längere Zeit wahrnahmen, eher positive Gefühle zeigten:

Je länger die Vorbereitungs- und Wartezeit, desto grösser die Erleichterung und der Stolz, wenn der Zahn endlich ausfällt.

Bildung und Herkunft der Eltern als Einflussfaktoren

Wie die Studie weiter zeigte, beeinflussen aber auch soziodemographische Faktoren die Gefühle der Kinder:

So stieg die Wahrscheinlichkeit für positive Gefühle wie Stolz oder Freude, wenn die Eltern über eine höhere Ausbildung verfügten und aus nicht-westlichen Ländern stammten.

Als mögliche Gründe dafür verweisen die Forschenden auf kulturelle Unterschiede:

Diese betreffen einerseits Erziehungsstil und Normen, die Eltern ihren Kindern vermitteln, andererseits aber auch Übergangsrituale, die den Verlust des ersten Milchzahns begleiten.

«Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kinder vergangene Erfahrungen, die ihre Zähne betreffen, bewusst verarbeiten und in ihre Emotionsentwicklung einbeziehen», fasst Moritz Daum, UZH-Professor für Entwicklungspsychologie, zusammen.

Eine Erkenntnis, die für Zahnärzte und Eltern wichtig sei:

«Gerade bei Problemen mit Karies lohnt es sich, mit Kindern behutsam zu kommunizieren», so Daum. «Damit lassen sich Emotionen im Zusammenhang mit Zähnen und Zahnärzten in möglichst positive Bahnen lenken.»

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Originalpublikation:
Raphael Patcas, Moritz M. Daum, Hubertus J. M. van Waes, Selina Beltrani, Lara T. Pfister, Markus A. Landolt. Emotions experienced during the shedding of the first primary tooth. International Journal of Paediatric Dentistry. DOI: 10.1111/ipd.12427