CAVE-ZNA-RettungsKANZEL: Antibiotika-Therapie:

Medizin am Abend Berlin Fazit: Zelluläres Gedächtnis überlistet Krankheitskeime

Studie des Kiel Evolution Center belegt Wirksamkeit der sequentiellen Antibiotika-Therapie gegen den Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt davor, dass sich scheinbar harmlose Bakterieninfektionen in den nächsten Jahren zu einer der häufigsten Todesursachen vor allem in den Industrienationen entwickeln könnten. 

Diese dramatische Bedrohung ist entstanden, weil die seit Jahrzehnten als Standardtherapie verschriebenen Antibiotika in vielen Fällen durch sich ausbreitende Resistenzen wirkungslos geworden sind und diese Entwicklung mit zunehmender Geschwindigkeit weitergeht. 

Dr. Roderich Römhild untersuchte die Wirkung der sequentiellen Antibiotika-Gabe auf den Krankheitserreger Pseudomonas aeruginosa.
Dr. Roderich Römhild untersuchte die Wirkung der sequentiellen Antibiotika-Gabe auf den Krankheitserreger Pseudomonas aeruginosa. © Christian Urban, Uni Kiel 
  • Ursache des Problems ist die Fähigkeit der Keime zur schnellen evolutionären Anpassung an die eingesetzten Wirkstoffe. 
  • Die Konsequenz ist, dass selbst neue Antibiotika innerhalb kurzer Zeit ineffektiv werden können. 

Daher verfolgen Forschende weltweit einen alternativen Ansatz, um in der sich zuspitzenden Antibiotika-Krise die Oberhand zurückzugewinnen. Sie versuchen durch die Anwendung evolutionsbiologischer Prinzipien die Wirksamkeit der aktuell vorhandenen Wirkstoffe länger zu erhalten. Ein Forschungsteam des Kiel Evolution Center (KEC) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat gemeinsam mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön und der schwedischen Universität Uppsala dazu ein bisher unbekanntes Prinzip aufgedeckt, das eine komplett neue und gleichzeitig höchst nachhaltige Therapieform ermöglicht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler gestern in der renommierten Fachzeitschrift PNAS.

Das untersuchte Behandlungsverfahren macht sich ein simples Prinzip zunutze: 

  • Auf die kurze, impulsartige Gabe eines bestimmten Präparats folgt anschließend die Anwendung eines Antibiotikums mit einer anderen Wirkungsweise. 

Am Beispiel des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa, das laut WHO zu den kritischsten Keimen mit multiplen Resistenzen gehört, erprobten die Kieler Forschenden diese abwechselnde Gabe unterschiedlich wirkender Medikamente.

Dazu untersuchten sie in einem Evolutionsexperiment rund 200 Bakterienpopulationen über insgesamt 500 Generationen und beobachteten, wie sich verschiedene Antibiotika und ein geändertes zeitliches Schema der Medikamenten-Wechsel auswirkten.

Dabei fanden sie heraus, dass besonders die Abfolge eines Penicillin-ähnlichen Wirkstoffs und eines sogenannten Aminoglykosids und der schnelle Wechsel mit zufälligen Intervallen besonders gut wirkten.




Kurze Vorbehandlung mit einem Penizillin erhöht die Wirksamkeit eines nachfolgenden Aminoglykosids.




Kurze Vorbehandlung mit einem Penizillin erhöht die Wirksamkeit eines nachfolgenden Aminoglykosids. Gezeigt ist eine Verdünnungsreihe einer Bakterienprobe nach Ende der Behandlung, entweder ohne (3 Spalten links) oder mit Vorbehandlung (3 Spalten rechts).
© Christian Urban, Uni Kiel
 

  • „Ein kurzer einleitender Behandlungsimpuls macht den Keim anfällig, weil er das Eindringen weiterer Medikamente in die Bakterienzellen erleichtert. 
Das zweite Antibiotikum erledigt gewissermaßen den Rest und tötet die verbleibenden Krankheitserreger zuverlässig ab“, erklärt Professor Hinrich Schulenburg, Leiter der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik an der CAU und KEC-Sprecher. 

Diese Wirkung ist entscheidend von der Reihenfolge des Medikamenten-Wechsels abhängig. 

Das impulsgebende Präparat muss zuerst wirken, da es in die Struktur der Zellwände des Bakteriums eingreift und so das Einfallstor für den zweiten Wirkstoff öffnet.

Zudem sind die Geschwindigkeit und das Muster der Sequenz ausschlaggebend:

„Wechselt man die beiden Medikamente schneller als in der üblichen Antibiotikatherapie und in zufälligen Abständen, lässt sich die Bildung der gefürchteten Resistenzen am deutlichsten hemmen“, so Schulenburg weiter.

Ursächlich für den Erfolg der Sequenzbehandlung ist das sogenannte zelluläre Gedächtnis der Krankheitserreger.  

Durch das erste Antibiotikum werden die zellulären Eigenschaften der Keime über mehrere Generationen hinweg so verändert, dass das zweite Antibiotikum auch mit Verzögerung besser wirken kann.

 „Durch das erste Antibiotikum wird quasi eine Tür geöffnet, die dem zweiten Antibiotikum leichteren Eintritt verschafft“, erläutert Dr. Roderich Römhild, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik und Erstautor der Veröffentlichung. „Dieser Ansatz ist aus evolutionärer Sicht besonders vielversprechend, da die Keime nun gezwungen werden, eine Abwehr gegen das Öffnen der Tür und somit den zellulären Gedächtniseffekt zu entwickeln – anstelle von direkter Resistenz gegen das Antibiotikum“, so Römhild weiter. Im Experiment konnte eine geringere Resistenzentstehung in überzeugender Form bestätigt werden.

Erstaunlich ist, dass bereits vor rund 30 Jahren durch Zufall exakt der nun vorgeschlagene Behandlungsmodus an Patientinnen und Patienten ausprobiert wurde – mit beeindruckendem Erfolg:

In fast allen Fällen konnte der untersuchte Krankheitserreger nach der sequentiellen Antibiotika-Behandlung stark reduziert werden; bei der Hälfte war er nicht mehr nachweisbar, und das Verfahren zeigte sich somit deutlich wirksamer als die Standardtherapie.

Allerdings fand die Methode nie Eingang in den medizinischen Behandlungsalltag, weil eine Erklärung für den Therapieerfolg fehlte.

„Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren Ergebnissen zum zellulären Gedächtniseffekt die fehlende Erklärung nun gefunden haben“, betont Schulenburg.

„Die neue Arbeit liefert ein weiteres Beispiel dafür, wie mit Hilfe von evolutionsbiologischen Konzepten und Methoden komplett neue Erkenntnisse für nachhaltige Therapieansätze gewonnen werden können“, fasst der KEC-Sprecher zusammen.

Antibiotikaresistenz bleibt dank des Gedächtniseffekts und sequentieller Therapie niedrig. 

Zelluläres Gedächtnis überlistet Krankheitskeime

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Originalpublikation:
Roderich Roemhild, Chaitanya S. Gokhale, Philipp Dirksen, Christopher Blake, Philipp Rosenstiel, Arne Traulsen, Dan I. Anderson, Hinrich Schulenburg (2018): Cellular hysteresis as a principle to maximize the efficacy of antibiotic therapy PNAS
https://dx.doi.org/10.1073/pnas.1810004115

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Die Versorgung durch Hausärzte, Fachärzte und Krankenhäuser

Medizin am Abend Berlin Fazit: Gesundheitsversorgung: große Unterschiede in der Zufriedenheit

In ländlichen Räumen wird die Versorgung durch Hausärzte, Fachärzte und Krankenhäuser schlechter bewertet als in Städten. 

Gesetzlich Versicherte bewerten insbesondere die Versorgung durch Fachärzte, aber auch jene durch Krankenhäuser schlechter als privat Versicherte und beklagen dabei häufiger lange Wartezeiten und fehlende Leistungsübernahme durch die Krankenkasse. 

Dies ist das Ergebnis einer empirischen Studie des IfW Kiel 
 
Ziel der Studie war es, Unterschiede in der Versorgungszufriedenheit zwischen privat und gesetzlich Versicherten sowie zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung zu untersuchen.

Durchgeführt wurde dafür im Februar 2017 eine nicht repräsentative Befragung bei rund 4.500 Leserinnen und Lesern der Kieler Nachrichten sowie des Onlineangebotes der Zeitung, die in Schleswig-Holstein sehr weit verbreitet ist. Dabei wurden von den Befragten Schulnoten vergeben von 1, sehr gut, bis 5, schlecht. Der Beitrag mit dem Titel „Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung: Gibt es strukturelle Unterschiede?“ erscheint Ende Dezember in der Ausgabe 03/18 der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik (ZfW).

Im Durchschnitt bewerten die Teilnehmer ihre Zufriedenheit mit den Hausärzten mit der Note 2, während die Fachärzte mit 2,5 und die Krankenhaus-Versorgung mit einer 2,54 als etwas schlechter wahrgenommen werden.

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Bezahlung  

Kritikpunkte sind gegenüber den Hausärzten vor allem lange Wartezeiten (37,6 %) sowie begrenzte Zeit des behandelnden Arztes (30,9 %). 

Bei der fachärztlichen Behandlung werden demgegenüber die Terminvergabe (64,0 %) sowie die Leistungsübernahme (18,0 %) als Hauptprobleme gesehen. 

Die größten Probleme der Behandlung im Krankenhaus sind aus Patientensicht die Überlastung des Pflegepersonals (64,4 %) sowie die begrenzte Zeit der Ärzte (10,7 %).

Ärztemangel auf dem Land

Dabei wird die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten als schlechter bewertet als in städtischen Gebieten, ebenso unterscheiden sich die Hauptkritikpunkte zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung. Die hausärztliche Behandlung wird in ländlichen Gebieten mit 2,1 bewertet, in städtischen mit 1,9. Vertreter der ländlichen Bevölkerung kritisieren dabei häufiger die Distanz zum nächsten Hausarzt, 8,7 Prozent gegenüber 4,3 Prozent der befragten Städter.

Während die fachärztliche Versorgung in städtischen Gebieten im Mittel mit 1,7 sehr gut bis gut bewertet wird, urteilen Befragte aus ländlichen Gegenden mit 2,2 sogar schlechter als über ihre hausärztliche Versorgung. 

Auch in diesem Bereich wird in ländlichen Gebieten die Entfernung zum Arzt häufiger als Hauptproblem genannt, 3,4 Prozent gegenüber 0,1 Prozent in der Stadt.

„Jedoch scheinen hier andere Probleme in der Versorgungsqualität, insbesondere Probleme bei der Terminvergabe und der Leistungsübernahme, schwerer zu wiegen, sodass die Entfernung zum Facharzt weniger häufig als Hauptkritikpunkt genannt wird als die Entfernung zum Hausarzt“, sagte Ulrich Schmidt, Leiter des IfW-Forschungsbereichs Sozial- und verhaltensökonomische Ansätze zur Lösung globaler Probleme und Mitautor der Studie. Auch im Bereich der Krankenhäuser wird die Versorgung auf dem Land mit 2,2 deutlich schlechter bewertet als mit 1,6 in der Stadt.

„Insgesamt ist in unserer Befragung ein großes Gefälle der subjektiven Bedarfsgerechtigkeit zwischen ländlichen und städtischen Regionen erkennbar. Diese sind im Bereich der haus- und fachärztlichen Versorgung unter anderem auf einen Ärztemangel zurückzuführen. Im Bereich der Krankenhäuser ist zu erkennen, dass das Gefälle der Versorgungsqualität zwischen größeren Städten, insbesondere jenen mit Universitäten, und kleineren Städten sowie ländlichen Räumen besteht“, fasst Schmidt zusammen.

Mehr Leistungen und schnellere Termine für privat Versicherte

Privat Versicherte sind insbesondere im Bereich der Fachärzte und Krankenhausbehandlungen deutlich zufriedener als gesetzlich Versicherte. So bewerten 65 Prozent der privat Versicherten ihre fach-ärztliche Versorgung als gut bis sehr gut, während dies lediglich 52 Prozent der gesetzlich Versicherten tun. Im Bereich der Krankenhausversorgung stehen 61 Prozent zufriedene privat Versicherte 51 Prozent Zufriedenen der gesetzlich Versicherten gegenüber. Weniger deutlich fällt das Ergebnis im Bereich der hausärztlichen Versorgung aus.

„Dabei fällt auf, dass gesetzlich Versicherte in der fachärztlichen Behandlung stärkere Probleme bei der Terminvergabe und bei der Leistungsübernahme durch ihre Krankenkasse wahrnehmen als privat Versicherte“, so Schmidt.

Während nur 9,5 Prozent der privat Versicherten fehlende Leistungsübernahmen als Hauptproblem betrachten, tun dies 19,5 Prozent der gesetzlich Versicherten.

Zugleich klagen 65,8 Prozent der gesetzlich Versicherten über Probleme bei der Terminvergabe, während dies nur 55,9 Prozent der privat Versicherten tun.

Im Bereich der hausärztlichen und krankenhäuslichen Behandlung hingegen sehen sich beide Versicherungsgruppen mit den gleichen Problemen konfrontiert, also lange Wartezeiten und wenig Zeit des behandelnden Arztes bzw. einer Überlastung des Pflegepersonals.

„Die Umfrageergebnisse zeigen außerdem, dass privat Versicherte ihren Gesundheitszustand signifikant besser bewerten als gesetzlich Versicherte, was als Indikator für eine höhere Versorgungsqualität für Privatpatienten interpretiert werden kann“, so Schmidt.

Politik muss auch auf kommunaler Ebene handeln

Die bislang im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen reichen nach Meinung der Autoren aber nicht aus, um die unterschiedliche Versorgungsqualität zwischen Stadt und Land bzw. zwischen privat und gesetzlich Versicherten angemessen zu adressieren.

 „Neben bundespolitischen Initiativen müssen auch die Kommunen in diesen Prozess eingebunden werden, um Lösungen zu erarbeiten.

Die wissenschaftliche Kommission zur Reform der Gebührenordnung sollte bei ihrer Arbeit die Ungleichbehandlungen, insbesondere im Bereich der Fachärzte, in den Bick nehmen.

Dabei sollten neben Maßnahmen zur Angleichung von Terminvergaben auch Reformen in der Leistungsübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen diskutiert werden“, sagte Schmidt.

„Die bisher beschlossenen Maßnahmen, wie etwa die Ausweitung des Mindestsprechstundenangebotes für gesetzlich Versicherte, sind zur Lösung des Problems nicht ausreichend.“

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