Harnwegsinfektion: Fähigkeit zur Persistenz

Medizin am Abend Berlin Fazit: Wie Bakterien eine Behandlung mit Antibiotika im Schlaf aussitzen

Wissenschaftler der Universität Tübingen untersuchen die Grundlagen eines Therapieversagens, das nicht auf Resistenzen beruht 

Medizin am Abend Berlin ZusatzFachThema: Ärzte im öffentlichen Dienst  
 
  • Gegen Antibiotika können krankheitserregende Bakterien Resistenzen entwickeln, diese werden dann für die Behandlung einer Infektion unwirksam. 

Daneben gibt es einen anderen Mechanismus, mit dem manche Bakterien der tödlichen Wirkung von Antibiotika entgehen:

Einige Zellen einer Population igeln sich ein und warten ab, bis keine Gifte mehr vorhanden sind.

Dann nehmen sie ihre Lebensfunktionen wieder voll auf. So können zum Beispiel manche Harnwegsinfektionen nach scheinbar erfolgreich abgeschlossener Antibiotikabehandlung wieder aufflammen.

Solche Überdauerungsformen, die zum Beispiel bei bestimmten Escherichia coli-Bakterien auftreten, haben Maja Semanjski, Katrin Bratl und Andreas Kiessling unter der Leitung von Professor Boris Maček vom Proteom Centrum der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit Elsa Germain und Professor Kenn Gerdes von der Universität Kopenhagen untersucht. Varianten eines Enzyms gaben ihnen Hinweise, welche Prozesse die Bildung von Dauerstadien einleiten. Diese Ergebnisse liefern mögliche Ansatzpunkte, um Wirkstoffe gegen die gefährlichen Schläferzellen zu entwickeln. Die Studie wird in der Fachzeitschrift Science Signaling veröffentlicht.

Von Resistenz sprechen Wissenschaftler, wenn Bakterien gegen einen Wirkstoff unempfindlich sind.

Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Bakterien eindringende Antibiotika erfolgreich wieder aus ihrer Zelle ausschleusen können, wenn sie diese mithilfe eines Enzyms abbauen und dadurch unwirksam machen oder wenn sie einen durch Antibiotika blockierten Stoffwechselweg durch einen alternativen Weg ersetzen.

„Antibiotika richten sich in der Regel gegen Wachstumsprozesse der Bakterien“, erklärt Kenn Gerdes. Die Dauerstadien seien nicht resistent, sondern nur vorübergehend tolerant gegenüber den Antibiotika, indem sie ihr Wachstum einstellen. „Genetisch haben sie die gleiche Ausstattung wie die anderen Bakterien in der Population.“ Welche Zellen einer Kolonie in einen Überdauerungszustand eintreten, unterliegt keinen erkennbaren Regeln. „Es passiert selten und betrifft nur jede zehntausendste bis millionste Zelle. Das erschwert die Untersuchung“, sagt der Wissenschaftler.

Der Ausbildung der Dauerstadien auf der Spur


Das Ausbilden der Dauerstadien wird auch als Fähigkeit zur Persistenz bezeichnet. Nähere Hinweise lieferten vor einigen Jahren Bakterien, die aus Patienten mit durch Escherichia coli verursachten Harnwegsinfektionen isoliert werden konnten. Durch Mutationen, das sind Genveränderungen, wie-sen sie eine bis zu tausendfach verstärkte Persistenz auf, ohne dass die Resistenz gegenüber Antibiotika gesteigert war.

Ähnliche Funde machten Forscher bei Mukoviszidose-Patienten, die mit dem entzündungserregenden Bakterium Pseudomonas aeruginosa infiziert waren. Mutiert war ein En-zym, das die Ausbildung von Dauerstadien einleiten kann, die HipA-Kinase (high persister gene A).

In der aktuellen Studie verglich das Forscherteam Escherichia coli-Bakterien mit der normalen HipA-Kinase mit solchen, deren Enzym die Mutationen aufwies.

Dazu führten sie Proteomanalysen durch, bei denen jeweils der gesamte Proteinbestand der Bakterienzellen erhoben wird.

„Wir konnten feststellen, dass die normale und die mutierte HipA-Kinase ein unterschiedliches Repertoire von bakteriellen Proteinen mit Phosphat modifiziert“, sagt Boris Maček. 

Eine Vermutung sei gewesen, dass die HipA-Kinase das Wachstum der Bakterienzellen hemmt und so die Ausbildung der Dauerstadien einleitet. „Der Zusammenhang ist jedoch komplizierter“, so der Wissenschaftler. „Nach unseren Untersuchungen sind die Wachstumshemmung und die Persistenz Folge zweier verschiedener Prozesse, denn die mutierte HipA-Kinase hemmt das Wachstum der Bakterienzellen deutlich weniger stark als die normale, aber erhöht die Persistenz um ein Vielfaches.“ Diese Ergebnisse liefern den Wissenschaftlern Hinweise, in welche Prozesse neue Wirkstoffe gegen die gefährlichen Persistenzen eingreifen müssten.

Wie Bakterien eine Behandlung mit Antibiotika im Schlaf aussitzen



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Dr. Karl Guido Rijkhoek Eberhard Karls Universität Tübingen

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Originalpublikation:
Maja Semanjski, Elsa Germain, Katrin Bratl, Andreas Kiessling, Kenn Gerdes and Boris Macek: The kinases HipA and HipA7 phosphorylate different substrate pools in Escherichia coli to promote multidrug tolerance. Science Signaling, 11, eaat5750 (2018). DOI 10.1126/scisignal.aat5750

CAVE: Wissen spart Zeit: Künstliche oder tierische Herzklappen

Medizin am Abend Berlin Fazit: DGFG veröffentlicht neuen Film zur Herzklappenspende

Film: Gewebenetzwerk Herzklappenspende

500 Patienten warten Schätzungen zu Folge jedes Jahr auf eine Herzklappe aus der Gewebespende. 

„Nicht einmal die Hälfte dieser Patienten kann mit einem passenden Transplantat versorgt werden. 

Das muss sich ändern“, sagt Dr. Thomas Horn, Referatsleiter in der Abteilung Gesundheit und Prävention des Niedersächsischen Sozialministeriums. 

Als Ersatz implantieren Ärzte künstliche oder tierische Herzklappen – mit begrenzter Haltbarkeit und einer hohen Abstoßungsgefahr. 

Kommt es zur weiteren OP am offenen Herzen, steht das Leben des Patienten erneut auf dem Spiel. 

Transplantatempfänger Dane Lees blickt wieder positiv in die Zukunft.
Transplantatempfänger Dane Lees blickt wieder positiv in die Zukunft.
Foto: DGFG

 
Einen Grund für diesen Versorgungsengpass sieht die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) in der großen Unwissenheit über die Gewebespende und die verpasste Entscheidungsfindung der Spender zu Lebzeiten.

Gemäß der Devise “Wissen spart Zeit“ klärt die DGFG in ihrem siebenminütigen Film über die Herzklappenspende nach Herz-Kreislauf-Stillstand auf und rückt zwei Empfänger einer zellfreien Spenderherzklappe und ihre ganz unterschiedlichen Geschichten in den Fokus.

Den Film finden Sie auf: Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Herzklappenspende

Zellfreie Spenderherzklappen schenken jungen Patienten Hoffnung

  • Der Bedarf an menschlichen Herzklappen aus der Gewebespende ist weit höher als ihr Angebot. 

Schon seit einigen Jahren werden Patienten mit einer Herzklappeninsuffizienz Alternativen zu den sogenannten Homografts, den menschlichen Spenderherzklappen, implantiert – mit deutlichen Nachteilen für junge Patienten:

  • Tierische und mechanische Herzklappen haben eine sehr begrenzte Haltbarkeit und sind mit einer lebenslangen blutverdünnenden Medikation verbunden. 

„Jede Nachoperation am offenen Herzen birgt für den Patienten ein hohes Risiko und verringert die Lebenserwartung. Dass diese Therapieoptionen gerade jungen Patienten wenig Hoffnung auf ein langes und vor allem komplikationsfreies Leben schenken, liegt auf der Hand“, erklärt Prof. Dr. med. Samir Sarikouch, Oberarzt der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). In den klinischen Studien ESPOIR und ARISE wurde der Einsatz zellfreier Spenderherzklappen getestet.

Diese speziell aufbereiteten Herzklappen werden über ein besonderes Verfahren von Spenderzellen gereinigt.

Die Ergebnisse beider Studien sind vielversprechend.

Das Transplantat wird nach wenigen Monaten patienteneigen. Die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßungsreaktion geht gen Null. 

Frauen können dank der zellfreien Herzklappe Kinder bekommen, da hierbei keine Medikamenteneinnahme erforderlich ist.  

Das Besondere für Kinder mit einem Herzklappenfehler ist, dass die zellfreien Spenderherzklappen sogar mitwachsen und Nachoperationen dadurch erspart bleiben.

  • Gewebespende nach Herz-Kreislauf-Stillstand wichtige Alternative zur Organspende

Herzklappen stammten bisher überwiegend aus der Organspende.

233 Organspender spendeten im vergangenen Jahr ihr Gewebe wie die Augenhornhaut, Sehnen, Bänder, Knochen oder Haut. 

84 von ihnen spendeten dabei auch ihre Herzklappen, da ihr Herz nicht mehr für eine Organtransplantation in Frage kam.

„Aufgrund der begrenzten Zahl an Organspendern sind wir heute stärker denn je auf die Spende dieser Gewebe von Herz-Kreislauf-Verstorbenen angewiesen“, betont DGFG-Geschäftsführer Martin Börgel.

Eine Gewebespende kann auch noch nach Herz-Kreislauf-Stillstand durchgeführt werden, denn Gewebe werden im Unterschied zu Organen nicht durchblutet. 

Die Hirntoddiagnostik spielt daher keine Rolle.

  • Das Zeitfenster einer solchen Herzklappenspende bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen ist jedoch begrenzt. 

 „36 Stunden nach Todeseintritt müssen die Herzklappen entnommen worden sein“, erklärt Börgel. 

„In dieser Zeit erfolgt die komplette Spenderdiagnostik, die Aufklärung der Angehörigen und im Falle einer Zustimmung die entsprechende logistische und personelle Organisation sowohl der Entnahme als auch des späteren Versands der Spende in die Gewebebank.“

Erfahren Angehörige von dieser Möglichkeit der Gewebespende zum ersten Mal und wissen nicht um den Willen des Verstorbenen Bescheid, möchten sie in dieser recht kurzen Bedenkzeit oft keine Entscheidung treffen.

„Das Wissen um die Gewebespende schenkt uns Zeit für die Organisation der Entnahme und schafft Klarheit für die Angehörigen“, sagt Börgel.

Gewebespende in Leipzig – Transplantation in Hannover

Der Film zeigt, wie Gewebespende im Netzwerk der DGFG funktioniert:

Koordinatorin Christine Riege vom Standort am Universitätsklinikum Leipzig ist eine von insgesamt 46 Koordinatorinnen und Koordinatoren, die bundesweit für die Gewebespende im Einsatz sind. 

Im Film erklärt sie den Ablauf und die Voraussetzungen einer Spende kardiovaskulärer Gewebe. 

Ebenfalls im Film zu sehen ist Koordinator Matthias Polzin vom Standort am Universitätsklinikum Dresden. Im Falle einer Spende führen sie in der Region Ost unter Verantwortung eines Arztes der DGFG und zusammen mit einem Arzt der jeweiligen Klinik die Entnahme der kardiovaskulären Gewebe durch. Die DGFG verfügt über eine bundesweite Erlaubnis zur Entnahme dieser Gewebe über ein sogenanntes Mobiles Team. Die Verteilung der Gewebe übernimmt anschließend die zentrale Vermittlungsstelle der DGFG in Hannover. So können Transplantationszentren aus ganz Deutschland, wie z. B. die MHH, ihre Patienten dort für ein Herzklappentransplantat anmelden und auf die Warteliste setzen.

Zur DGFG

Die DGFG ist eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft, die seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland fördert. Auf der Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste.

  • Allein 2017 konnte die DGFG über 4.700 Gewebepräparate zur Transplantation vermitteln. 
  • Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. 

Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.

Aufklärungsfilme zur Augenhornhaut- und Gelenkspende sind bereits erschienen und zu sehen im YouTube-Channel der DGFG.

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