Kopf-Hals-Tumoren

Medizin am Abend Berlin Fazit: DEGRO rät von einer Chemotherapie vor der Strahlentherapie bei Kopf-Hals-Tumoren ab

Lokal fortgeschrittene Plattenepitheltumoren sind nicht immer heilbar. 

Nur ca. gut die Hälfte aller Betroffenen lebt 5 Jahre nach der Diagnose noch. 

Ziel ist, diese Rate zu verbessern, weshalb neue Behandlungsprotokolle untersucht und mit der Standardtherapie (basierend auf der Strahlentherapie) verglichen werden. 

  • Eine aktuelle Studie [1] untersuchte, ob eine vorschaltete Chemotherapie das Behandlungsergebnis verbessern kann. 

Das Ergebnis war negativ. 

Die DEGRO rät daher von dieser neoadjuvanten Behandlung ab und unterstreicht, dass diese sogar das Risiko birgt, dass die Standardbehandlung nicht mehr durchgeführt werden kann – „wir verspielen den Patienten damit eine Chance auf Genesung“. 
 
Viele Kopf-Hals-Tumoren gehen vom sogenannten Plattenepithel aus, also vom Deckgewebe, das den Körper und Organe ummantelt, wie z.B. auch Kehlkopfkrebs, der häufigste Tumor im Kopf-Hals-Bereich.

Die Behandlung dieser Plattenepitheltumoren ist gleich, egal, ob sie in der Mundhöhle, in der Nase, im Rachen oder im Kehlkopf auftreten.

Pro Jahr erkranken etwa 13.000 Männer und 4.500 Frauen an bösartigen Tumoren im Kopf-Halsbereich [2].  

Dieser Unterschied lässt sich auf ein unterschiedliches Risikoverhalten von Frauen und Männern zurückführen, denn Risikofaktoren für die Entstehung bösartiger Kopf-Hals-Tumoren sind u.a. Alkohol- und Tabakkonsum. 

Ein weiterer bedeutsamer Risikofaktor ist eine HPV-Infektion.

Die derzeitige Standardtherapie bei lokal fortgeschrittenen Plattenepitheltumoren, bei dem sich noch keine Metastasen gebildet haben, stellt entweder die Radiochemotherapie dar, die Kombination einer Strahlen- und Chemotherapie, oder in manchen Fällen die Kombination aus Strahlentherapie und Antikörpertherapie. In beiden Regimes ergänzen sich die zwei jeweiligen Therapieformen und sind zusammen wirksamer als die alleinige Gabe einer der beiden Therapien.

Die Prognose der Patienten ist aber dennoch verbesserungsfähig, da nach 5 Jahren nur noch gut die Hälfte der Patienten (61% der Frauen, 51% der Männer) lebt.

Um die Überlebensrate weiter zu erhöhen, werden neue Therapieoptionen getestet.

Ein federführendes Konsortium in Europa ist dabei die französische GORTEC-Studiengruppe, die eng mit der DEGRO zusammenarbeitet. Eine GORTEC-Studie [1], deren Ergebnisse nun vorliegen, untersuchte, ob eine vorgeschaltete Chemotherapie vor der Gabe der kombinierten Strahlen- und Antikörpertherapie mit Cetuximab zu einer besseren Krankheitskontrolle führt.

In die Studie wurden zwischen 2009 und 2013 insgesamt 370 Patienten eingeschlossen. 184 Patienten erhielten eine Radiochemotherapie (Chemotherapie mit Carboplatin und FU). Im anderen Arm erhielten die Patienten zunächst eine „vorgeschaltete“ (neoadjuvante) Chemotherapie (3-er Kombination aus Taxotere, Cisplatin und Fluorouracil). 161 der 184 Patienten beendeten diese vorgeschaltete Therapie und erhielten danach die Kombination aus Strahlentherapie und Antikörpertherapie mit Cetuximab. Im Ergebnis zeigte sich, dass es zwischen beiden Studienarmen keinen Unterschied im Gesamtüberleben, progressionsfreien Überleben oder in der örtlichen Tumorkontrolle gab.

Die neoadjuvante Chemotherapie verbesserte also nicht das Therapieergebnis, ging aber mit erheblichen Nebenwirkungen einher, weshalb 23 der 184 Patienten diese Therapie auch nicht beendeten.
Da die Patienten damit nicht die Einschlusskriterien für die weiterführende Studie erfüllten, erhielten sie auch keine anschließende Strahlentherapie.

DEGRO-Pressesprecherin, Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie Combs, Direktorin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar der TU München, erläutert: „

Diese 17% der Patienten, die rausfielen, haben das Therapieergebnis in diesem Arm natürlich verschlechtert. Theoretisch könnte die vorgeschaltete Chemotherapie daher zwar einen Effekt haben, aber die Toxizität der Behandlung ist so hoch, dass wir damit riskieren, dass die Patienten danach nicht mehr der Standardtherapie, deren Basis die Strahlentherapie bildet und die mit guten Ergebnissen einhergeht, zugeführt werden können. Wir verspielen den Patienten damit eine Chance auf Genesung“. Prof. Dr. med. Wilfried Budach, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) fasst zusammen:

  • „Aufgrund der aktuellen Datenlage raten wir von einer neoadjuvanten Chemotherapie in dieser Situation ab. 
  • Der Therapiestandard bleibt die kombinierte Radiochemotherapie oder die Kombination aus Strahlen- und Antikörpertherapie.“

REFERENZEN
[1] Geoffrois L, Martin L, De Raucourt D et al. Induction Chemotherapy Followed by Cetuximab Radiotherapy Is Not Superior to Concurrent Chemoradiotherapy for Head and Neck Carcinomas: Results f the GORTEC 2007-02 Phase III Randomized Trial. Journal of Clinical Oncology 2018; 17 Jul (epub ahead of print)
[2] Daten des Robert-Koch-Instituts, abrufbar unter https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsges...





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45. BMW BERLIN-MARATHON: Notaufnahme: Innovatives Lehrformat - Serious Games

Medizin am Abend Berlin Fazit: Neues Lehrformat erfolgreich: Virtuelle Notaufnahme simuliert Behandlung akuter Erkrankungen.

Studie belegt: 

Innovatives Lehrformat ist mindestens so effektiv wie Kleingruppenunterricht. 

Ergebnisse zu den Auswirkungen des Trainings mit der Computer-Animation „EMERGE“ in der Wissenschaftszeitschrift PLOS ONE publiziert. 
 Notaufnahme-Simulation EMERGE: Diagnose
 Notaufnahme-Simulation EMERGE: Diagnose Grafik: PatientZero Games GmbH
 
Seit dem Jahr 2011 arbeiten Ärzte und Experten für Medizindidaktik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) an der Entwicklung eines Computerspiels, mit dessen Hilfe die Abläufe auf einer Notaufnahme simuliert werden können:

Die Notaufnahme-Simulation EMERGE. 

Für die UMG haben Prof. Dr. Tobias Raupach, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung im Studiendekanat der UMG, und Dr. Nikolai Schuelper, Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der UMG, die Projektentwicklung maßgeblich begleitet. Die Notaufnahme-Simulation EMERGE wurde jetzt erstmals im Medizinstudium an der UMG eingesetzt und daraufhin untersucht, ob Studierende damit lernen, wie akute Krankheitssituationen behandelt werden. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der internationalen Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science (PLoS ONE) veröffentlicht.

Originalveröffentlichung:
Training of clinical reasoning with a Serious Game versus small-group problem-based learning: A prospective study. Middeke A, Anders S, Schuelper M, Raupach T, Schuelper N (2018); PLoS ONE 13(9): e0203851. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0203851

DIE STUDIE ZU „EMERGE“
Computerspiele mit einem ernsthaften Hintergrund werden als „Serious Games“ bezeichnet und werden zunehmend auch von Studierenden genutzt. 
Die Ergebnisse der Studie zur Notaufnahme-Simulation EMERGE zeigen, dass zehn Trainingseinheiten in der virtuellen Notaufnahme mindestens genauso effektiv sind wie zehn Stunden Kleingruppenunterricht.

„Dies ist eine der ersten Studien, die genau geprüft haben, ob ein Computerspiel im Studium wirklich einen Nutzen hat oder nur den Spaßfaktor erhöht“, sagt Prof. Dr. Tobias Raupach, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung der UMG. Raupach hatte die Idee zu dem Lernspiel. In der jetzt publizierten Studie konnten Studierende selbst wählen, ob sie sich verschiedene Erkrankungen in Kleingruppen mit bis zu fünf Kommilitonen erarbeiten oder ob sie das neue Computerspiel nutzen möchten. Am Ende nahmen alle Studierenden an einer Prüfung teil, in der ihre Fähigkeit zum klinischen Denken untersucht wurde. „Wir haben praktisch keinen Unterschied in den Leistungen der beiden Studiengruppen gefunden“, sagt Raupach.

„Für einige Inhalte, die mit dem Spiel trainiert wurden, fiel der Lernerfolg der Studierenden in der EMERGE-Gruppe sogar größer aus als für die Studierenden in den Kleingruppen. Das ist bedeutsam, weil wir im Spiel in der gleichen Zeit eine viel größere Bandbreite von Erkrankungen darstellen können als im Kleingruppenunterricht.“

Letztautor der Studie ist Dr. Nikolai Schuelper, Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der UMG.

„Die Arbeit auf einer Notaufnahme ist anstrengend, weil hier unter Zeitdruck lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Das lässt sich in Vorlesungen oder Seminaren nicht gut trainieren“, sagt Schuelper. 

„Andererseits können Studierende diese Situation auch nicht in einer echten Notaufnahme üben, weil sonst Patienten gefährdet werden könnten. Da war es für uns ein logischer Schritt, ein Computerspiel zu entwerfen, in dem beide Aspekte – medizinische Entscheidungen und Zeitdruck – simuliert werden können.“

Bei dieser neuen Form des Unterrichts sitzen bis zu 50 Studierende der Humanmedizin in einem Computerraum, und jeder Studierende bewegt über die Maus eine Spielfigur durch eine dreidimensionale Darstellung einer Notaufnahme. In unregelmäßigen Abständen werden Patienten eingeliefert, so dass im Laufe der Zeit viele Patienten gleichzeitig behandelt werden müssen. Die Studierenden können bei ihren virtuellen Patienten eine Anamnese erheben und Untersuchungen anfordern. „Uns war wichtig, dass die Simulation möglichst nah an der Realität liegt. Auch im Spiel muss man auf die Ergebnisse einer Laboruntersuchung warten, und die Medikamente haben einen direkten Einfluss auf den Herzschlag und den Blutdruck“, so Schuelper. „Wenn gravierende Fehler gemacht werden, kann das bis zum Tod des virtuellen Patienten führen. Obwohl es nur eine Simulation ist, nehmen die Studierenden ein solches Ereignis sehr ernst.“




Prof. Dr. Tobias Raupach, MME, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung im Studiendekanat der Medizinischen Fakultät


Prof. Dr. Tobias Raupach, MME, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung im Studiendekanat der Medizinischen Fakultät umg/hzg

DIGITALISIERUNG IM MEDIZINSTUDIUM
Simulationen und andere computergestützte Lehrangebote halten zunehmend Einzug in das Medizinstudium. „Die Digitalisierung der Medizin ist schon weit fortgeschritten“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der UMG. „Das fängt bei der Smartphone-App zum Blutdruck-Monitoring an und geht bis hin zu aufwendigen Computerspielen, in denen ganze Krankenhaus-Stationen simuliert werden können. Es ist wichtig, die Ärztinnen und Ärzte von morgen auf diese Welt vorzubereiten. Also müssen sie sich schon im Studium damit auseinandersetzen.“ Das Spiel wird unter anderem in einem sechswöchigen Lehrmodul zu Herz- und Lungenerkrankungen eingesetzt, das Hasenfuß zusammen mit dem Kardiologen Raupach leitet. Der Studiendekan der Medizinischen Fakultät an der UMG, Prof. Dr. Lorenz Trümper, unterstützt den Einsatz innovativer digitaler Lehrformate im Studium: „Piloten trainieren schon lange in Simulatoren für den Notfall. Warum sollten nicht auch Studierende der Medizin ein solches Training erhalten? Hier dürfen Fehler passieren, aus denen man lernen kann, damit man für die Versorgung echter Patienten besser gewappnet ist.“

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Originalpublikation:
Training of clinical reasoning with a Serious Game versus small-group problem-based learning: A prospective study. Middeke A, Anders S, Schuelper M, Raupach T, Schuelper N (2018); PLoS ONE 13(9): e0203851. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0203851