Medizin am Abend Berlin Fazit: Wie die Form unserer Ohren bestimmt, was wir hören
Wenn wir unsere Augen schließen, wissen wir, aus welcher Richtung
ein Ton kommt.
Dadurch können wir in einer Gesprächsrunde, etwa auf
einer Party, mehrere Sprecher voneinander unterscheiden und dem
Sprechenden gezielt unsere Aufmerksamkeit widmen.
Die Form unserer Ohren
spielt dabei eine entscheidende Rolle:
- Sie bestimmt, wie der Schall in
unser Innenohr reflektiert wird und ändert ihn dabei ganz leicht,
abhängig von seiner Richtung im Raum.
- So kann unser Gehirn die Lage des
Tons im Raum berechnen.
Wie die Form unserer Ohren bestimmt, was wir hören
In dieser Schallkugel wurden die Hörtests durchgeführt. Foto: Prof. Dr. Marc Schönwiesner
Wie das genau passiert, war bisher unbekannt. Neurowissenschaftler
der Universität Leipzig und der Universität Montreal haben nun
entschlüsselt, wie sich die gehörte Tonrichtung im Gehirn widerspiegelt.
Diese Erkenntnisse könnten helfen, Hörgeräte zu verbessern.
Manche sind klein, manche groß, manche eher hängend, andere wiederum
spitz nach oben ragend:
O h r e n.
So unterschiedlich sie auch aussehen
mögen, so sehr scheint ihre Form darüber zu entscheiden, was wir hören.
Wissenschaftler der Universitäten Leipzig und Montreal haben in einer
aktuellen Studie erkannt, dass die Form unserer Hörorgane und ihrer
Wulste beeinflusst, wie die aus allen Richtungen eintreffenden
Schallwellen in unser Innenohr reflektiert werden.
Aus diesen
individuellen Reflektionsmustern ermittelt unser Gehirn dann, ob ein Ton
von oben oder unten auf uns eintrifft.
Bislang war bereits bekannt, wodurch wir erkennen, ob ein Ton von rechts
oder links kommt. Klingelt rechts von uns ein Telefon, so erreichen die
Schallwellen zuerst das rechte Ohr, anschließend mit etwas Verzögerung
das linke. Unser Gehirn kann daraus zuordnen, woher das entsprechende
Geräusch kommt. Unklar war bisher jedoch, wie es uns gelingt, einen Ton
vertikal im Raum zu verorten.
"Töne aus verschiedenen Richtungen treffen unterschiedlich auf die
äußeren Bereiche unserer Ohren.
Die Ohrmuschel reflektiert durch ihre
unregelmäßige Form den Schall in den Gehörgang.
Dadurch entsteht ein
kurzes Echo, das die Klangfarbe ändert", erklärt Marc Schönwiesner,
Professor am Institut für Biologie der Universität Leipzig.
"Unser
Gehirn kann diese kleinen Unterscheide lernen und mit verschiedenen
Richtungen assoziieren." Die Klangfarbe ist dabei die Eigenschaft eines
Tons, die sich aus der Lautstärke der einzelnen im Ton enthaltenen
Frequenzen bestimmt. Sie ist der Grund, warum ein und dieselbe Note,
etwa ein hohes C, von einer Geige anders klingt als von einer
Blockflöte.
Untersucht haben die Wissenschaftler
die Rolle der äußeren Ohrform für
unser räumliches Hören, indem sie diese bei 15 Personen veränderten.
Dazu bekamen die Teilnehmer ein kleines, von außen nicht erkennbares
Silikonstück eingesetzt. Zuvor und anschließend spielten sie den
Teilnehmern in einem Schall-Labor Töne vor, von denen sie entscheiden
sollten, ob sie von oben oder unten kamen. Obwohl diese dabei jeweils
den gleichen Tönen lauschten, zeigten sich in den Hörtests deutliche
Unterschiede: Vor der
Veränderung ihrer Ohrform konnten sie die Töne
recht präzise verorten, mit den eingesetzten Silikonstücken gelang ihnen
das kaum. "Als wir ihnen etwa einen Ton oberhalb ihres Kopfes
vorspielten, glaubten sie dann plötzlich, dass er von unten kam",
erklärt der Neurowissenschaftler. Nachdem jedoch einige Tage vergangen
waren und sie die Hörtests wiederholten, konnten die Probanden wieder an
ihre früheren Hör-Erfolge anknüpfen.
Um zu beobachten, was während dieser drei Stationen im Gehirn vor sich
ging, spielten die Forscher den Probanden die aus allen Richtungen
eintreffenden Töne auch vor, als diese im Magnetresonanztomographen
lagen.
Dabei konzentrierten die Neurowissenschaftler sich auf die
Aktivitäten im Hörcortex, also in dem Bereich der Großhirnrinde, der auf
das Hören spezialisiert ist und erkannten:
Die Neurone sind umso
weniger aktiv, je höher die Quelle eines Tones über unserem Kopf liegt.
Anhand der Signale des Gehirns konnten die Wissenschaftler sogar direkt
auf die Lage der Töne im Raum schließen. Mit frisch eingesetzten
Silikonstücken im Ohr zeigte sich ihnen jedoch ein anderes Muster:
Die
Neurone feuerten deutlich unorganisierter auf die eintreffenden
akustischen Reize, ein Rückschluss auf die Lage der Töne im Raum war
nicht möglich. Das änderte sich allerdings, nachdem sich die
Freiwilligen mit ihren neuen Ohren durch den Alltag bewegt hatten.
Die
Hirnaktivitäten hatten sich wieder sortiert und entsprachen denen der
unveränderten Ohrformen.
"Wir können mit unseren eigenen individuell gestalteten Ohren hören,
weil unser Gehirn ihre Form kennt. Wenn sich diese jedoch ändert,
braucht es einige Zeit, um sich anzupassen.
Das ist beispielsweise auch
der Fall, wenn wir wachsen", erklärt Schönwiesner.
Die Erkenntnisse des deutsch-kanadischen Forscherteams geben nicht nur
Aufschluss darüber, wie unser Gehirn lernt, sich an neue Bedingungen
flexibel anzupassen.
Sie können auch helfen, Hörgeräte zu verbessern.
"In Deutschland sind aktuell etwa 17 Prozent der Bevölkerung von
Hörverlust betroffen.
Mit steigender Tendenz, denn unsere Umwelt wird
immer lauter, gleichzeitig werden die Menschen immer älter", erklärt der
Leipziger Biologe.
"Aktuell sind nach Schätzungen von
Hörgeräteherstellern und Ärzten bis zu 25 Prozent der Hörgeräte nicht im
Einsatz, weil Patienten häufig unterschätzen, dass das Gehirn Zeit zur
Gewöhnung braucht und erwarten stattdessen eine sofortige Verbesserung.
- Wenn wir den Gewöhnungsprozess besser verstehen, können wir ihn
vielleicht beschleunigen, sodass Patienten zielgerichtet beraten werden
könnten."
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Verena Müller
Prof. Dr. Marc Schönwiesner
Institut für Biologie
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Susann Huster
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