Demenzerkrankung: Liquor - die Gehirnflüssigkeit im Hirnraum

Medizin am Abend Berlin Fazit: Ausgang: Lymphe

ETH-Wissenschaftler widerlegten ein jahrzehntealtes Dogma: 

  • Gehirnflüssigkeit verlässt den Hirnraum nicht via Blutgefässe, sondern via Lymphsystem. 

Diese Erkenntnis hat eine weitreichende Bedeutung für neue Behandlungsmethoden gegen Demenzerkrankungen. 
 
  • Unser Gehirn schwimmt. 

Es ist vollständig umspült von einer wässrigen Flüssigkeit, dem Liquor. 

  • Tag für Tag entsteht in Hirnventrikeln des Menschen rund ein halber Liter neuer Liquor, wobei die Flüssigkeit aus dem Blut stammt. 

Und Tag für Tag muss diese Menge andernorts den Gehirnraum wieder verlassen. 

Wie Forschende aus der Gruppe von Michael Detmar, Professor für Pharmacogenomics, nun in einer Studie bei Mäusen zeigen konnten, verlässt der Liquor den Gehirnraum via die Lymphgefässe. Damit wiesen die ETH-Forschenden dem Lymphsystem eine neue zentrale Bedeutung zu, und sie widerlegten ein mehrere Jahrzehnte altes Dogma. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Nature Communications [http://dx.doi.org/10.1038/s41467-017-01484-6].

Wie Liquor den Gehirnraum verlässt, war bislang nämlich ungenügend erforscht.

Bekannt war, dass dafür sowohl der Weg über Lymphgefässe als auch jener über Blutgefässe – die Venen – zur Verfügung stehen.

Lange Zeit, und mangels genauer Untersuchungen bis heute, nahmen Wissenschaftler an, dass der Abflussweg über die Venen der weitaus bedeutendere sei.

Anatomielehrbücher umschreiben

Die Forschenden unter der Leitung von Steven Proulx, Oberassistent in der Gruppe von ETH-Professor Detmar, konnten diese Annahme nun widerlegen.

Sie injizierten winzige fluoreszierende Farbstoffmoleküle in die Ventrikel (Hohlräume) des Gehirns von Mäusen und beobachteten, auf welchem Weg diese Moleküle den Gehirnraum verlassen. Dazu untersuchten sie mit einem nicht-invasiven Bildgebungsverfahren die Blutgefässe und das Lymphsystem in der Körperperipherie der Tiere.

Wie sich zeigte, befanden sich die Farbstoffmoleküle bereits nach einigen Minuten in den Lymphgefässen und den Lymphknoten ausserhalb des Gehirns. In den Blutgefässen konnten die Forschenden so kurz nach der Injektion keine Moleküle feststellen.

Auch den genauen Weg der Farbmoleküle und des Liquors konnten die Forschenden bestimmen: Der Liquor verlässt das Gehirn entlang von Nervenbahnen – vor allem entlang des Seh- und des Riechnervs. 

«Einmal im Gewebe ausserhalb des Gehirns angelangt, wird er von den das Gewebe durchziehenden Lymphgefässen abtransportiert», erklärt Qiaoli Ma, Doktorandin in Detmars Gruppe und Erstautorin der Studie.

Ob ein geringer Anteil des Liquors das Gehirn nicht doch – wie bisher angenommen – via Venen verlässt, können die Wissenschaftler nicht komplett ausschliessen. Aufgrund ihrer Forschungsergebnisse zeigen sie sich jedoch überzeugt, dass der Löwenanteil des Liquors den Weg via Lymphe nimmt und dass Anatomielehrbücher umgeschrieben werden müssen.

Spülsystem für das Gehirn

Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Liquorzirkulation eine reinigende Funktion hat. 

 «Anderswo im Körper beseitigt das Immunsystem Giftstoffe.

Das Gehirn ist von diesem System jedoch weitgehend abgekoppelt, nur die wenigsten Immunzellen haben Zugang», erklärt Proulx. «Der Liquor springt hier in eine Bresche. Indem er kontinuierlich zirkuliert, spült er das Gehirn und transportiert unerwünschte Stoffe weg.»

Diese Spülfunktion könnte ein Ansatzpunkt sein für die Behandlung von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer. Die Alzheimer-Krankheit wird durch falsch gefaltete Proteine, die sich im Gehirn ablagern, verursacht. Wie Proulx und seine Kollegen spekulieren, könnten diese falsch gefalteten Proteine durch eine – zum Beispiel – medikamentöse Anregung des Lymphflusses abtransportiert werden. Ebenso könnte untersucht werden, ob durch eine Beeinflussung des Lymphflusses auch Entzündungskrankheiten des Zentralnervensystems wie zum Beispiel der Multiplen Sklerose beizukommen ist.

Liquor-Umsatz im Alter geringer

Ausserdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass bei alten Mäusen viel weniger Liquor aus dem Gehirn fliesst als bei jüngeren Mäusen, mutmasslich, weil im Alter auch weniger Liquor produziert wird. Da Alzheimer und andere Demenzerkrankungen im Alter auftreten, ist es laut den Forschenden umso interessanter zu untersuchen, ob eine Stimulierung des Liquortransports das Fortschreiten von Demenzerkrankungen verlangsamen könnte. Diese Frage möchten die ETH-Wissenschaftler als nächstes im Mausmodell angehen.

Dass es Krankheiten gibt, die sich durch eine Stimulation des Lymphflusses behandeln lassen, hat die Gruppe von ETH-Professor Detmar bei Krankheiten ausserhalb des Gehirns bereits gezeigt: 
  • Bei Polyarthritis und Schuppenflechte erzielten die Forscher im Mausmodell eine Linderung der Symptome, wenn sie den Lymphfluss anregten.
Stärker im Blickfeld

Später wären Untersuchungen zum Liquorfluss auch bei Menschen denkbar, sagen die Wissenschaftler. Das verwendete fluoreszierende Markermolekül löst keine Immunreaktion aus und wird vom Körper ausgeschieden. Bevor das Molekül in Menschen verwendet werden kann, müssten die Wissenschaftler aber noch eine entsprechende Zulassung beantragen.

«Die Erforschung des Lymphsystems erhielt bis vor kurzem nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte.

Teile der Wissenschaftswelt haben das Lymphsystem sogar ignoriert», sagt Proulx. Nachdem die ETH-Wissenschaftler nun eine weitere wichtige Aufgabe des Lymphsystems aufzeigen konnten, hoffen sie, dass es stärker ins Blickfeld der wissenschaftlichen Forschung rücken wird.

Literaturhinweis

Ma Q, Ineichen BV, Detmar M, Proulx ST: Outflow of cerebrospinal fluid is predominantly through lymphatic vessels and is reduced in aged mice. Nature Communications, 10. November 2017, doi: 10.1038/s41467-017-01484-6 [http://dx.doi.org/10.1038/s41467-017-01484-6]

Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com














Über Google: Medizin am Abend Berlin 
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.

Hochschulkommunikation Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Rämistr. 101
8092 Zürich
Schweiz
Zürich
E-Mail-Adresse: mediarelations@hk.ethz.ch

Franziska Schmid
Telefon: 0041-44-632 89 41
Fax: 0041-44-632 35 25
E-Mail-Adresse: franziska.schmid@hk.ethz.ch


Vanessa Bleich
Telefon: 0041 44 632 40 39
E-Mail-Adresse: vanessa.bleich@hk.ethz.ch

Diagnostizierten Diabetes: TOP-Einladung zur Studie

Medizin am Abend Berlin Fazit: Deutsche-Diabetes-Studie begrüßt 1.000 Probanden in Düsseldorf

In Deutschland leben rund 6,5 Millionen Menschen mit Diabetes. 

Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich an zweiter Stelle. 

Die seit mehr als zehn Jahren am federführenden Standort in Düsseldorf, dem Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ), durchgeführte Deutsche Diabetes-Studie hat nun den 1.000 Studienteilnehmer in die Studie eingeschlossen. 

In dieser bundesweit an acht Standorten des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) organisierten Studie werden Menschen mit einem neu diagnostizierten Diabetes untersucht. 

Dabei wird erforscht, wie sich der Diabetes im Laufe der Zeit verändert und welche Faktoren für die Entwicklung von Folgeerkrankungen verantwortlich sind. 

Prof. Dr. Michael Roden (3.v.l.), Vorstand am Deutschen Diabetes-Zentrum und Leiter der Deutschen Diabetes-Studie, mit Michaela Schwellnus (4.v.l.), der 1.000 Studienteilnehmerin der DDS.
Prof. Dr. Michael Roden (3.v.l.), Vorstand am Deutschen Diabetes-Zentrum und Leiter der Deutschen Diabetes-Studie, mit Michaela Schwellnus (4.v.l.), der 1.000 Studienteilnehmerin der DDS.
DDZ
 
Weltweit zählen Diabetes und seine Folgen zu den zehn häufigsten Todesursachen.

Klinische Studien wie die multizentrische Deutsche Diabetes-Studie spielen zur Weiterentwicklung personalisierter Präventions- und Therapieansätze eine entscheidende Rolle.

Sie funktionieren nur, wenn sich Betroffene beteiligen. Michaela Schwellnus aus Moers ist am DDZ die 1.000 Studienteilnehmerin der Deutschen Diabetes-Studie. Bundesweit nehmen insgesamt bislang 1.520 Teilnehmer an der Studie teil. „Mein Herzenswunsch ist, mehr über meinen kürzlich diagnostizierten Typ-1-Diabetes und all die Zusammenhänge zu erfahren“, sagt sie. Besonders schwer sei der 46-Jährigen gefallen, ihrer Tochter zu erklären, dass sie an Diabetes erkrankt sei. „Ich mache mir um die Langzeitschäden, die durch den Diabetes entstehen können, Sorgen. Meiner Tochter habe ich immer erzählt, dass ich 120 Jahre alt werde“, so Schwellnus weiter. „Durch die Studie erhalte ich umfassende Informationen, um Folgeerkrankungen zu vermeiden und langfristig mit meinem Diabetes leben zu können“.

Bis heute sind molekulare Vorgänge in den Zellen bei Patienten mit Diabetes und die ursächlichen Mechanismen, die für langzeitige Schädigungen im Verlauf der Zeit auftreten nicht vollständig aufgeklärt. „Studienteilnehmer wie Frau Schwellnus sind uns wichtig. Sie helfen der Forschung weiter und profitieren auch selbst von der intensiven medizinischen Betreuung“, betont Prof. Dr. Michael Roden, Vorstand am Deutschen Diabetes-Zentrum und Leiter der Deutschen Diabetes-Studie. Ziel dieser Multicenterstudie sei es, Risikogruppen zu identifizieren, um in der Zukunft Komplikationen zu verhindern oder zumindest zu verzögern, so Roden weiter.

Häufig ist die Diagnose zu Beginn der Erkrankung unklar, da nicht eindeutig ist, welcher Diabetes-Typ vorliegt.

95 Prozent der Betroffenen haben einen Typ-2-Diabetes. 

Bei ihnen liegt eine Störung der Insulinwirkung vor
  • Die Ausprägung der Insulinresistenz ist sehr variabel und daher für den Einzelnen relevant.
Ergebnisse der Deutschen Diabetes Studie zeigen, dass bereits bei sieben Prozent der Betroffenen mit neu-diagnostiziertem Diabetes erste Hinweise auf Nervenfunktionsstörungen vorliegen. 

Diese sehr frühen klinisch nicht fassbaren Nervenschädigungen sind mit einer Insulinresistenz assoziiert. 

Patientinnen und Patienten sollten daher sehr individuell betreut begleitet werden, um Folgeschäden frühzeitig zu verhindern.

Deutsche Diabetes-Studie (DDS):
Die Deutsche Diabetes-Studie (DDS) beobachtet Patienten mit einem neu-diagnostizierten Typ-1- oder Typ-2-Diabetes im ersten Jahr nach Diagnose über 10 Jahre hinweg. Ziel der Deutschen Diabetes-Studie ist es, frühe Marker für unterschiedliche Verlaufsformen des Diabetes zu identifizieren, um neue Behandlungskonzepte zu entwickeln und gezielt einsetzen zu können. So können frühzeitig auftretende Warnzeichen für spätere Komplikationen entdeckt und zugelassene Therapieverfahren parallel miteinander verglichen werden. Auch der Einfluss der Gene auf den Verlauf der Erkrankung wird mit dieser Studie untersucht. Die Studie wird deutschlandweit an acht Standorten im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) durchgeführt: Berlin/Potsdam, Dresden, Düsseldorf, Heidelberg, Leipzig, Lübeck, München und Tübingen.

Teilnehmer der Deutschen Diabetes-Studie erhalten kostenlos die Chance zur Früherkennung diabetischer Folgeerkrankungen wie Nerven-, Gefäß- und Netzhautschädigungen. 
  • Bei Interesse an der Studienteilnahme senden Sie bitte eine E-Mail an studien@dzd-ev.de. 


Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com






















Über Google: Medizin am Abend Berlin
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.

Christina Becker Deutsches Diabetes-Zentrum

Auf'm Hennekamp 65
40225 Düsseldorf
Deutschland
Nordrhein-Westfalen


Christina Becker
Telefon: 0211/ 3382 450
E-Mail-Adresse: christina.becker@ddz.uni-duesseldorf.de