Aufbau der Muskelzellen.....- Kryo-Elektromikroskopie: Muskelerkrankungen

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Warum ist Usain Bolt der schnellste Mensch der Welt?

Max-Planck-Forscher sehen mit neuen Mikroskopen Muskeln bei der Arbeit zu 
 
Bereits zwanzig Meter vor der Ziellinie breitet Usain Bolt jubelnd die Arme aus und drosselte damit sein Tempo:

Mit angezogener Handbremse läuft er 2009 in Berlin mit 9,58 Sekunden schneller als ein Mensch zuvor.

Er erreicht dabei eine Höchstgeschwindigkeit von fast 45 Kilometern pro Stunde. Auch bei der kommenden Olympiade in Rio de Janeiro könnten wieder Rekorde purzeln.

Mitentscheidend für den Erfolg ist dabei der Aufbau der Muskelzellen. 

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie in Dortmund haben Muskelproteine analysiert und den Molekülen mit bislang unerreichter Genauigkeit bei der Arbeit zugesehen.

  • Mit der von ihnen weiterentwickelten sogenannten Kryo-Elektronenmikroskopie lassen sich die Ursachen von Muskelerkrankungen aufklären – aber auch, was die Muskulatur von Spitzensportlern so leistungsfähig macht.


Auf den Bildern seines Elektronenmikroskops kann Stefan Raunser (links) selbst winzigste Details im Zusammenspiel der Muskelproteine erkennen.

Auf den Bildern seines Elektronenmikroskops kann Stefan Raunser (links) selbst winzigste Details im Zusammenspiel der Muskelproteine erkennen. MPI f. molekulare Physiologie

Warum können manche Menschen so viel schneller rennen als andere?

Mit einer Gewebeprobe des Weltrekordlers könnten die Forscher des Dortmunder Max-Planck-Instituts diese Frage vielleicht beantworten. Das Team um Stefan Raunser hat nämlich das Zusammenspiel von Schlüsselproteinen bei der Muskelkontraktion aufgeklärt.

„Mit der Kryo-Elektronenmikroskopie können wir natürliche Veränderungen von Muskelproteinen beobachten. 
Damit könnten wir auch herausfinden, ob sich das Zusammenspiel der Proteine bei Usain Bolt von dem bei anderen Menschen unterscheiden“, erklärt Raunser, Leiter der Abteilung Strukturelle Biochemie am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie.

Besondere Konstellationen könnten also zu einer optimalen Kraftentwicklung führen, die andere Sprinter nicht erreichen. „Wahrscheinlich besitzen alle Spitzensportler Gene, die sie zu Höchstleistungen befähigen“, sagt Raunser. Zudem könnte Bolts Muskulatur aus einer besonders leistungsfähigen Kombination aus Fasern zusammengesetzt sein, denn Skelettmuskeln enthalten schnelle, wenig ausdauernde Muskelfasern sowie langsame, dafür aber ausdauernde Fasern.


Muskelkraft dank Aktin und Myosin

  • Die Protagonisten der Muskelbewegung sind das Protein Aktin, das 20 Prozent des Gewichts der Muskulatur ausmacht, und das Motorprotein Myosin, das chemische Energie in die eigentliche Bewegung umwandelt. 

Das Aktin bildet im Muskel lange, fadenartige Stränge: 

„Myosin-Moleküle benutzen das Aktin wie eine Schiene“, erklärt Julian von der Ecken, Doktorand in Stefan Raunsers Gruppe.

  • „Wenn mehrere Millionen Myosin-Moleküle gleichzeitig auf diesen Schienen fahren, zieht sich der Muskel zusammen.“

Bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen arbeiten Aktin und Myosin nicht mehr ausreichend zusammen – die Folge: 

Die Muskulatur ist geschwächt.

Warum die Proteine schlechter miteinander interagieren, ist unbekannt, denn bislang konnten Wissenschaftler das Zusammenspiel der Proteine nicht mit der nötigen Genauigkeit untersuchen.

Raunsers Team hat nun einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieser Muskelkrankheiten geleistet.

So konnten sie zeigen, dass sich viele genetisch bedingte Veränderungen in einem kritischen Bereich befinden, der essenziell für die Ausbildung der Grenzfläche zwischen den Muskelproteinen ist. 

Veränderungen dieser Grenzfläche könnten dann beispielsweise dazu führen, dass die Aktin- und Myosin-Moleküle bei Usain Bolt & Co besonders gut miteinander interagieren und die Muskulatur dadurch leistungsfähiger wird.

„Wir stehen mit unserer Forschung erst ganz am Anfang, denn die Kontraktion eines Muskels läuft enorm schnell ab. Deshalb müssen wir den kompletten Ablauf in viele einzelne Schritte unterteilen. Trotzdem können unsere Ergebnisse als Grundlage zur Erforschung neuer Medikamente genutzt werden“, sagt Raunser.

Originalpublikation:
Julian von der Ecken, Sarah M. Heissler, Salma Pathan-Chhatbar, Dietmar J. Manstein & Stefan Raunser
Cryo-EM structure of a human cytoplasmic actomyosin complex at near-atomic resolution.
Nature (doi:10.1038/nature18295)

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Prof. Dr. Stefan Raunser
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund
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stefan.raunser@mpi-dortmund.mpg.de

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Dr Harald Rösch Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

360° TOP-Thema: Interdisziplinäres Nachsorgeprogramm für Sepsispatienten - Hausärzte

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Hausärzte sichern Sepsis-Nachsorge

Allgemeinmediziner des Universitätsklinikums Jena entwickelten ein interdisziplinäres Nachsorgeprogramm für Sepsispatienten, das Sie in einer multizentrischen kontrollierten Studie testeten. Obwohl sich die so betreuten Patienten in ihrer allgemeinen Lebensqualität nicht von der Kontrollgruppe unterschieden, waren sie etwas mobiler und kamen im Alltag besser zurecht. Das zeigt zum einen die Qualität der hausärztlichen Nachsorge und zum anderen, wo weitere Forschung ansetzen sollte, so die Autoren der Studie des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen, die im Fachblatt JAMA veröffentlicht wurde. 

 Hausärzte sichern Sepsis-Nachsorge: In dem von Allgemeinmedizinern der Uniklinik Jena entwickelten interdisziplinären Nachsorgeprogramm stand ein Liaison-Arzt Hausärzten mit klinischem Rat zur Seite.
Hausärzte sichern Sepsis-Nachsorge: In dem von Allgemeinmedizinern der Uniklinik Jena entwickelten interdisziplinären Nachsorgeprogramm stand ein Liaison-Arzt Hausärzten mit klinischem Rat zur Seite.
Foto: Allgemeinmedizin/ UKJ
 
  • Jährlich erkranken in Deutschland über 200.000 Menschen an einer Sepsis, einer Infektion des gesamten Organismus. 
  • Diese oft lebensbedrohliche Erkrankung erfordert intensivmedizinische Behandlung und hinterlässt zum Teil langwierige gesundheitliche Folgen. 

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus werden die Patienten meist in Hausarztpraxen weiter behandelt.

„Wir wollten die Kompetenz der Hausärzte in der Langzeitbetreuung für die Sepsisüberlebenden nutzen und entwickelten ein entsprechendes Nachsorgeprogramm“, so Prof. Dr. Jochen Gensichen. Der Allgemeinmediziner leitete das Projekt, das im Rahmen des Zentrums für Sepsis und Sepsisfolgen um Uniklinikum Jena vom BMBF gefördert wurde.

Dieses Nachsorgeprogramm bestand aus drei Bereichen: Zunächst wurden Hausärzte und Patienten speziell zur Sepsisnachsorge geschult. Dann hielten Studienschwestern als Case Manager engen Kontakt zu den Patienten. In monatlichen telefonischen Befragungen erfassten sie auftretende Komplikationen und berichteten diese an einen Liaison-Arzt, der dann im Bedarfsfall dem Hausarzt mit klinischem Rat zur Seite stand.

  • Eingebettet in ein strukturiertes Entlassungsmanagement konnte die Begleitung für diese schwerstkranken Patienten ohne Informationsverlust bei den Übergängen von Intensiv- bis zur hausärztliche Versorgung gesichert werden.

„Für die Evaluierung des Programms konnten wir 16 Intensivstationen an neun Klinikstandorten in Deutschland gewinnen.

Letztlich wurden 291 Patienten, die eine Sepsis oder gar einen septischen Schock überlebt hatten, sowie 307 Hausarztpraxen in die Studie aufgenommen“, beschreibt der ärztliche Studienleiter Dr. Konrad Schmidt den Umfang des Projektes, der ersten großen, kontrollierten klinischen Studie überhaupt, die sich mit der hausärztlichen Versorgung ehemaliger Sepsispatienten beschäftigte. Die Studienteilnehmer wurden zufällig in zwei Gruppen geteilt, die das spezifische Nachsorgeprogramm absolvierten bzw. die normale Nachversorgung erhielten. Sechs und zwölf Monate nach der Entlassung von der Intensivstation wurden die Teilnehmer zu ihrer Lebensqualität und anderen klinischen Größen befragt.

In der Auswertung zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der allgemeinen Lebensqualität.

In Detailaspekten konnten die Wissenschaftler jedoch Unterschiede ausmachen:

Die Absolventen des Nachsorgeprogramms schätzten ihre Alltagskompetenz etwas besser ein als die Kontrollgruppe. Ihnen fielen Bewegungsabläufe wie Treppensteigen und Ankleiden leichter oder auch komplexere Vorgänge wie zum Beispiel Einkaufen. Jochen Gensichen: „Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Hausärzte als Spezialisten für die Langzeitversorgung die Erfolge der modernen Akutversorgung durch Intensivmediziner absichern können.“

  • Hier sehen die Wissenschaftler auch wichtige Ansatzpunkte für die weitere Forschung zur Langzeitversorgung von Patienten, die schwerste Erkrankungen überstanden haben. Entsprechende Empfehlungen können dann Eingang in die Behandlungsleitlinien zur Sepsis finden.

Die Charité – Universitätsmedizin in Berlin beteiligte sich mit ihren Intensivstationen an der Studie.

Der Vorstandvorsitzende der Charité, Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, hält den Interventionsansatz trotz ausbleibender Haupteffekte für einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung:

  • „Die Studie ist ein erster aber wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken. 

Auch wenn die Studie das vorgegebene Ziel einer signifikanten Verbesserung nicht belegen konnte, gab sie doch Anhaltspunkte, wie mit einem neuen Studiendesign jenes Patientenkollektiv definiert werden kann, das möglicherweise von einer solchen Kooperation profitieren könnte.“

Originalpublikation:

Schmidt, K. et al. Effect of a Primary Care Management Intervention on Mental Health-Related Quality of Life Among Survivors of Sepsis, JAMA. 2016 June 28; 315(24):2701-2711. doi:10.1001/jama.2016.7207
http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?doi=10.1001/jama.2016.7207

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Prof. Dr. Jochen Gensichen
Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena
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Dr. Uta von der Gönna Universitätsklinikum Jena

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