Hausaufgabenhilfe - ein Teufelskreis?

Medizin am Abend Berlin: Hausaufgabenhilfe: Weniger ist manchmal mehr

Studie untersucht elterliches Engagement bei Hausaufgaben und Leistungsentwicklung bei Sechstklässlern ‒ Die besten Ergebnisse fanden sich bei Eltern, die unterstützten, ohne sich einzumischen 
 
Elterliche Hilfe bei Hausaufgaben führt nicht unbedingt zu besseren Schulleistungen. 

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Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz nach der Auswertung einer Längsschnittstudie, in der knapp 1700 Schweizer Schüler und ihre Eltern über einen längeren Zeitraum hinweg befragt wurden. Gemessen wurde das elterliche Engagement bei den Hausaufgaben in Klassenstufe 6 sowie die Leistungsentwicklung über ein Schuljahr. So fielen sowohl die Deutschnoten als auch die Leistungsentwicklung im Lesen bei Kindern, deren Eltern häufig bei den Hausaufgaben halfen, schlechter aus als bei Kindern, die ihre Hausaufgaben selbstständig machten. Die Ergebnisse wurden im „Journal of Educational Research“ veröffentlicht.

Schlechte Zeugnisnoten sind für viele Eltern Anlass, sich verstärkt in die Hausaufgaben ihrer Sprösslinge einzumischen. Ob das Kindern hilft, ist jedoch umstritten, die dazu zahlreich vorliegenden Studien kommen zu widersprüchlichen Aussagen. „Das liegt unter anderem daran, dass die Studien ganz unterschiedliche Aspekte der elterlichen Hausaufgabenhilfe untersucht haben. Einige erheben zum Beispiel nur, wie oft Eltern ihren Kindern helfen und nicht, wie diese Hilfe konkret aussieht. Außerdem begrenzt die Untersuchungsmethodik die Aussagekraft vieler Studien“, so Ulrich Trautwein, Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen.

Des Weiteren zeigten die Ergebnisse der Studie, dass sich die Qualität der elterlichen Hausaufgabenhilfe von Familie zu Familie deutlich unterscheidet. So erwies es sich als besonders günstig für den Lernfortschritt der Kinder, wenn Eltern sich wenig einmischten, aber dennoch zur Unterstützung des Lernprozesses zur Verfügung standen.

„Es macht einen großen Unterschied, ob Kinder die Unterstützung der Eltern als Hilfe oder als unliebsame Einmischung und Kontrolle empfinden“, erklärt Sandra Moroni von der Pädagogischen Hochschule Bern, die Erstautorin der Studie.

Da Eltern bekanntlich oft verstärkt dann eingreifen, wenn die Leistungen ihrer Kinder nachlassen, frustriert das Kinder oft doppelt. Ihnen wird dadurch signalisiert, dass sie gute Leistungen anscheinend nicht alleine erreichen können.

„Das führt zu einem Teufelskreis“, erklärt Moroni. Ihr Rat: Zunächst genau prüfen, warum die Leistung des eigenen Kindes nachgelassen hat, und – ggf. auch gemeinsam mit den Lehrkräften – nach Möglichkeiten suchen, wie es (wieder) selbst Verantwortung für die Hausaufgabenerledigung übernehmen kann.

Die Autoren der Studie untersuchten auch, wie sich ihre Ergebnisse veränderten, wenn sie – wie das in vielen früheren Studien der Fall war – wichtige weitere Faktoren wie frühere Leistungen und familiären Hintergrund – außer Acht ließen.

Das Ergebnis: Die Effekte der Hausaufgabenhilfe wurden bisher deutlich überschätzt. Das Fazit von Ulrich Trautwein: „Besonders bei einer so wichtigen, häufig diskutierten Thematik wäre es wichtig eine gute Datengrundlage zu haben. Mehr und vor allem bessere Studien sind daher unerlässlich.“

Originalpublikation:
Moroni, S., Dumont, H., Trautwein, U., Niggli, A., & Baeriswyl, F. (2015). The need to distinguish between quantity and quality in research on parental involvement: The example of parental help with homework. The Journal of Educational Research, 108(5), 417-431.

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Prof. Dr. Ulrich Trautwein
Universität Tübingen
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung
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ulrich.trautwein@uni-tuebingen.de
Antje Karbe Eberhard Karls Universität Tübingen

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Aggressiver Bauchspeicheldrüsenkrebs/Pankreaskrebs: Entzündungssignale

Medizin am Abend Berlin Fazit:   Welche Rolle spielen Entzündungssignale?

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der gefährlichsten Krebsarten überhaupt. Gegen Strahlen- und Chemotherapie ist er praktisch resistent und daher kaum zu behandeln. 

Darüber hinaus streut er früh in die Umgebung und wird oft spät entdeckt. 

Viele Patienten sterben wenige Monate nach der Diagnose. 

Warum Pankreaskrebs aber so aggressiv ist, lag lange im Dunkeln. 

Ein Team um Jens Siveke am Klinikum rechts der Isar der TU München hat sich auf die Spur der molekularen Veränderungen in den Krebszellen gemacht. Dabei gab es eine Überraschung: ein kleines Molekül, das Entzündungssignale in der Bauchspeicheldrüse reguliert, hemmt entscheidend die Tumorentstehung. Seine Rolle war bisher nicht bekannt. 

Krebszellen aus der Bauchspeicheldrüse unter dem Fluoreszenzmikroskop
Krebszellen aus der Bauchspeicheldrüse unter dem Fluoreszenzmikroskop
Rechte: Jens Siveke, Klinikum rechts der Isar, München
 
  • In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 15.000 Menschen an Bauchspeicheldrüsenkrebs – und fast alle sterben innerhalb eines Jahres daran. 

Zu wenig ist bisher darüber bekannt, was genau die Zellen der Bauchspeicheldrüse zu ihrem unkontrollierten Wachstum anregt. Allerdings zeigte sich bei Untersuchungen von Krebszellen aus der Bauchspeicheldrüse in fast allen Fällen eine Übereinstimmung:

Ein bestimmtes Gen war mutiert, das KRAS-Onkogen. 

  • Diese Mutation ist nicht ungewöhnlich, sie tritt auch schon auf, wenn es Entzündungen oder Schäden in der Bauchspeicheldrüse gibt, die noch nicht bösartig sind. Ab wann aber eine vorgeschädigte Zelle zur Tumorzelle entartet und was genau die gefährliche Veränderung auslöst, ist im Detail bisher nicht bekannt.

Krebs: Die Zellen entarten nach Entzündungen

Jens Siveke, Gastroenterologe und Spezialist für Krebs im Verdauungstrakt, hat sich zusammen mit einem Team der TU München auf die noch unverstandenen Mechanismen rund um Entzündungen in der Krebsentstehung konzentriert: 

Welche Zusammenhänge gibt es, welche Akteure und Botenstoffe in der Zelle lösen die bösartige Veränderung aus? 

  • Dabei arbeitete die Gruppe mit den Zellen, die für die Produktion von Verdauungssäften zuständig sind, die sogenannten azinären Zellen. 

An Mäusen zeigte sich, dass die Entzündung eine Art Auslöser für die bösartige Veränderung ist: 

  • Die Entzündungsreaktion der Zellen setzt zahlreiche Botenstoffe frei, die schließlich das bereits mutierte KRAS-Onkogen weiter aktivieren und die Zellentartung fördern.

Die Arbeitsgruppe um Jens Siveke konnte dabei auch weitere Mitspieler im Krebsgeschehen identifizieren, den sog. epidermal growth factor receptor (EGFR), sowie ein Molekül, das eine Schlüsselrolle für wichtige Wachstums- und Teilungsprozesse der Zelle spielt, RAC1 genannt. 

In ihren Studien entwickelten sie ein System, mit dem sich das Zusammenspiel von KRAS, EGFR und RAC1 in verschiedenen Erkrankungsstadien studieren ließ: 

Die Forscher isolierten und kultivierten azinäre Zellen mit den typischen Schädigungen, außerdem untersuchten sie Mäuse bezüglich der Rolle der drei Akteure in vorgeschädigten Zellen einerseits und bereits entarteten Zellen andererseits. 

Die Mäuse hatten die typische KRAS-Mutation in den Bauchspeicheldrüsenzellen, im Versuch wurde aber der RAC1-Botenstoff bei ihnen mit molekularen Methoden gestoppt.
 

Entzündungsbotenstoffe unterdrückt

Das überraschende Ergebnis: 

Fehlte RAC1 durch genetische Manipulation, wurde die Entartung der azinären, vorgeschädigten Zelle zur Tumorzelle komplett unterdrückt. 
  • RAC1 ist dabei zuständig für die Aussendung von Entzündungssignalen, die wiederum die Veränderung zur Tumorzelle durch KRAS auslösen.
  • Zusätzlich konnten die Wissenschaftler zeigen, dass RAC1 hauptsächlich für den äußeren Aufbau der Zelle, ihr Skelett, zuständig ist. Es steuert den Aufbau und die Stabilität dieses Skeletts. Das mutierte Krebsgen KRAS scheint also nur dann auf die Zelle einwirken zu können, wenn auch RAC1 seinen Einfluss auf das Zellskelett ausübt.

Bald Medikamente?

Die Erkenntnis, dass derartige grundlegende Prozesse wie die Regulation des zellulären Aufbaus einen zentralen Einfluss auf die Wirkweise mutierter Onkogene haben, war für Projektleiter Siveke überraschend: „Unsere Versuche zeigen, dass Zellen tatsächlich dauerhaft dem Stress des mutierten Onkogens KRAS widerstehen können. Wir waren sehr erstaunt, dass das überhaupt geht – und es eröffnet Ansätze für ganz neue Therapieverfahren“, sagt Jens Siveke. 

  • Siveke betreut und behandelt viele Patienten mit Pankreaskarzinom und hofft jetzt darauf, dass er, der inzwischen am Westdeutschen Tumorzentrum der Universitätsklinikum Essen und Deutschen Krebsforschungszentrum arbeitet, mit seinem Team auch Medikamente und zielgerichtete Verfahren zur Beeinflussung von RAC1 und KRAS entwickeln kann. 

„Wir hoffen, mit den besseren Einblicken in die Zell-Mechanismen und im Zusammenspiel mit vielen beteiligten Forschern und Ärzten neuartige Therapiekonzepte zu entwickeln und in klinischen Studien zu testen“.

Auszeichnung: Ismar-Boas-Preis 2013 der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stofffwechselkrankheiten an Dr. Irina Heid, Mitglieder der Arbeitsgruppe, für den Beitrag “Molecular Carcinogenesis, Development of New Therapeutic Strategies and Multimodal Imaging in Murine Endogenous Pancreatic Cancer”

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Professor Dr. Jens Siveke,
Westdeutsches Tumorzentrum
Universitätsklinikum Essen
und Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Essen
Hufelandstr. 55
45147 Essen
Tel: 0201 723-4580
E-Mail: j.siveke@dkfz-heidelberg.de und jens.siveke@uk-essen.de

Dr. Clara Lubeseder-Martellato
2. Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, Technical University Munich, Munich, Germany.
Tel: 089 4140-6792
E-Mail: clara.lubeseder-martellato@tum.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung förderte die zweite Phase dieses Forschungsprojekts mit rund 160.000 Euro, nachdem sie die erste Phase mit rund 210.000 € unterstützt hatte. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 220 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen bayerischen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung: http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
Bernhard Knappe Vorstandsvorsitzender Wilhelm Sander-Stiftung

Nachhilfe: Außerunterrichtliche Fördermaßnahmen

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Eltern geben jährlich fast 900 Millionen Euro für Nachhilfe aus

In Deutschland erhalten 1,2 Millionen Schüler Nachhilfe. Nicht alle von ihnen haben schlechte Noten. Ganztagsschulen bieten Möglichkeiten, privat finanzierte Nachhilfe zu ersetzen. 

Eltern in Deutschland geben jährlich 879 Millionen Euro für private Nachhilfestunden aus. 

Pro Monat investieren sie für ihre Kinder durchschnittlich 87 Euro in außerunterrichtliche Fördermaßnahmen. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, die von Professor Klaus Klemm und Nicole Hollenbach-Biele auf Basis einer repräsentativen Elternbefragung erstellt wurde.

  • Laut der Studie erhalten insgesamt 14 Prozent der Schüler zwischen 6 und 16 Jahren privat finanzierte oder kostenfreie Nachhilfe. Im Osten nehmen 16 Prozent der Schulkinder Nachhilfe in Anspruch, im Westen 13 Prozent.  
Schüler aus finanzstarken Familien (ab 3.000 € Haushaltsnettoeinkommen) nutzen mit 15 Prozent Nachhilfe etwas häufiger als Schüler aus Haushalten mit geringeren Einkommen (12 Prozent). Kinder und Jugendliche ohne Migrationshintergrund erhalten eher Nachhilfe als solche mit ausländischen Wurzeln (14 zur 11 Prozent).

Nachhilfe signalisiert Nachholbedarf bei individueller Förderung

Mit dem Wechsel von Grund- zu weiterführenden Schulen steigt der Nachhilfebedarf: Erhalten in der Grundschule knapp 5 Prozent der Kinder Nachhilfe, sind es in den weiterführenden Schulen der Sekundarstufe insgesamt rund 18 Prozent.

Am häufigsten verbreitet ist die Lernunterstützung an Gymnasien: Fast jeder fünfte Gymnasiast (18,7 Prozent) nutzt Nachhilfe.

"Nachhilfe darf kein Ersatz für fehlende individuelle Förderung sein. Gerade die weiterführenden Schulen müssen sich noch besser auf die Vielfalt ihrer Schüler einstellen", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Am häufigsten nutzen Schüler Nachhilfe in Mathematik (61 Prozent aller Nachhilfeschüler) gefolgt von den Fremdsprachen (46 Prozent) und Deutsch (31 Prozent). Unbefriedigende Zensuren sind dabei nicht unbedingt ausschlaggebend.

In Mathematik haben zwar 63 Prozent der Nachhilfeschüler bestenfalls ausreichende Zensuren (Notendurchschnitt 4 – 6). Doch rund jeder Dritte (34 Prozent) nutzt die zusätzliche Förderung auch bei befriedigenden bis sehr guten Leistungen (Notendurchschnitt 1 - 3).

Mehr kostenfreie Nachhilfeangebote für Ganztagsschüler

Überraschend: Nur gut zwei Drittel der Eltern zahlen für die Nachhilfe ihrer Kinder (69 Prozent). Ob sie die Fördermaßnahmen privat finanzieren, hängt auch von der Organisationsform der Schule ab.

Schüler an Halbtagsschulen erhalten laut Elternangaben in 20 Prozent aller Fälle kostenfreie Angebote. An offenen Ganztagsschulen sind es 25 Prozent; an gebundenen Ganztagsschulen, wo feste Betreuungszeiten außerhalb des Unterrichts geregelt sind, profitiert ein gutes Drittel (34 Prozent) von kostenlosen Nachhilfeangeboten.

Der Ausbau von Ganztagsschulen müsse weiter vorangetrieben werden, fordert Jörg Dräger. "Bildungschancen dürfen nicht von privat finanzierter Nachhilfe abhängen. Ganztagsschulen bieten einen guten Rahmen für zusätzliche und individuelle Förderung."

Zusatzinformationen

Die Bertelsmann Stiftung engagiert sich für mehr Chancengerechtigkeit und Teilhabe im Schulsystem. In der vorliegenden Studie „Nachhilfeunterricht in Deutschland: Ausmaß – Wirkung – Kosten“ haben Professor Klaus Klemm und Nicole Hollenbach-Biele für die Bertelsmann Stiftung aktuelle Forschungsbefunde zur Nutzung von Nachhilfe ausgewertet. Ergänzt wird diese Analyse durch die Ergebnisse einer repräsentativen Elternumfrage, in deren Rahmen Infratest dimap im Auftrag der Bertelsmann Stiftung insgesamt rund 4.300 Eltern aus ganz Deutschland zur Nutzung von Nachhilfe befragte.

Unsere Experten: Dr. Nicole Hollenbach-Biele, Telefon: 0 52 41 81 81 541
E-Mail: nicole.hollenbach-biele@bertelsmann-stiftung.de

Dr. Dirk Zorn, Telefon: 0 52 41 81 81 546
E-Mail: dirk.zorn@bertelsmann-stiftung.de



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