Adipositas: Fettmasse + Fettverteilung: BMI + THV

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Adipositas: Neue Einblicke in die Genetik von Fettmasse und Fettverteilung

Es sind zwei der bekanntesten Parameter zur Bestimmung von Fettleibigkeit: Neben dem Body-Mass-Index (BMI) als Maß für die Fettmasse beschreibt das Taillen-Hüft-Verhältnis (THV) die Fettverteilung. Seit Jahren untersucht das internationale GIANT-Forscherkonsortium den Zusammenhang zwischen diesen Adipositas-Parametern und genetischen Faktoren. Nun konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die Genetik des BMI altersabhängig ist, während die Genetik des THV geschlechtsabhängig ist. Die Ergebnisse der genomweiten Studie sind in der renommierten Fachzeitschrift „PLoS Genetic“ erschienen (DOI: 10.1371/journal.pgen.1005378). 
 
Körpermasse und Fettverteilung verändern sich im Laufe eines Lebens. 
Ihre Entwicklungen unterscheiden sich aber substantiell bei Männern und Frauen. 
  • Während Männer mit zunehmendem Alter konstant Fett – insbesondere im Bauchbereich – zunehmen, verändern Frauen ihre Körperform nach Passieren der Menopause eher schlagartig zu einer den Männern ähnlicher werdenden Körperform. 
  • Zu viel Körperfett kann allerdings zu Adipositas führen, die wiederum die Ursache für schwere Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes oder Herzkreislaufstörungen sein kann. 
In früheren Arbeiten konnte das GIANT-Konsortium bereits einen bedeutenden Einfluss der Genetik auf die Entstehung von Adipositas feststellen.

Obwohl dabei gezeigt wurde, dass sich einige der genetischen Faktoren für die Fettverteilung zwischen Männern und Frauen unterscheiden, war bislang noch nicht bekannt, ob sich die genetischen Effekte im Laufe eines Lebens ändern und ob sich diese altersbedingten Änderungen zwischen Männern und Frauen unterscheiden.

Im Rahmen einer neuen Untersuchung ging das Konsortium unter Federführung von Dr. Thomas Winkler und Prof. Dr. Iris Heid (Lehrstuhl für Genetische Epidemiologie) vom Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg dieser Frage auf den Grund.

Für die genomweite Studie wurden Gesundheitsdaten von annähernd 330,000 Personen aus insgesamt 115 Studien in einer Meta-Analyse zusammengetragen und ausgewertet.

Für den BMI identifizierten die Forscher dabei 15 Genorte, an denen sich die genetischen Effekte zwischen jüngeren und älteren Probanden signifikant unterscheiden. Darüber hinaus wurden 44 Genorte für das THV gefunden, an denen die genetischen Effekte zwischen Männern und Frauen variieren. 
Geschlechtsunterschiede für den BMI oder Altersabhängigkeiten für das THV wurden nicht ausgemacht.
  • In Kombination mit älteren Beobachtungen, nach denen die Genetik des BMI eher im Zentralnervensystem und die Genetik des THV eher in den Fettzellen selbst wirkt, führen diese Ergebnisse zu einer weiteren Trennung der Genetik von Adipositas: 
in eine altersabhängige Genetik von BMI und eine geschlechtsabhängige Genetik von THV. 

Die Studie bietet damit neue Ansatzpunkte und Einblicke in die biologischen Mechanismen, die zu einem besseren Verständnis der altersbedingten Gewichtsveränderung und der geschlechtsspezifischen Fettverteilung führen können.

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Dr. Thomas Winkler
Universität Regensburg
Am Lehrstuhl für Genetische Epidemiologie
Tel.: 0941 944-5213
Thomas.Winkler@klinik.uni-regensburg.de
Alexander Schlaak - Universität Regensburg

Schwere Lebensmittelvergiftung: Salmonellen-Infektion

Medizin am Abend Berlin: Studie läutet neues Kapitel der Infektionsforschung ein

Eine Studie an der Universität Würzburg könnte die Infektionsforschung einen großen Schritt voran bringen. Die Wissenschaftler konnten erstmals detailliert zeigen, welche Gene im Verlauf einer Infektion in Erreger und Wirtszelle aktiv werden. Die Ergebnisse erscheinen in der Zeitschrift Nature. 
 
An der von Professor Jörg Vogel, Direktor des Würzburger Instituts für Molekulare Infektionsbiologie, geleiteten Studie waren auch Forscher aus Leipzig und Köln beteiligt.

 Mit einer neu entwickelten neuen Methode können Forscher nachvollziehen, was bei Infektionen in Krankheitserregern und den von ihnen befallenen Zellen vor sich geht.
Mit einer neu entwickelten neuen Methode können Forscher nachvollziehen, was bei Infektionen in Krankheitserregern und den von ihnen befallenen Zellen vor sich geht. Foto: IMIB
  • Die Wissenschaftler untersuchen darin die Abläufe in den ersten Stunden nach einer Salmonellen-Infektion. Diese Bakterien können schwere Lebensmittelvergiftungen auslösen. Sie werden mit der Nahrung aufgenommen und vermehren sich im Darm.

Was dabei in befallenen Wirtszellen genau passiert, ist nur zu einem kleinen Teil bekannt. Die Forscher konnten nun mit einer von ihnen neu entwickelten Methode, der Dualen RNA-Sequenzierung, Licht ins Dunkel bringen. Dazu infizierten sie zunächst Kulturen menschlicher Zellen mit dem Erreger Salmonella Typhimurium. Zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Infektion untersuchten sie dann eine bestimmte Molekülgruppe in den befallenen Zellen, die RNA.

RNA kommt in allen Lebewesen vor und übernimmt dort unterschiedliche Aufgaben. Wenn Zellen beispielsweise ein bestimmtes Protein herstellen müssen, benötigen sie dazu eine Bauanleitung, ein Gen. Dieses Gen wird bei Bedarf vielfach kopiert; jede dieser Kopien besteht dabei aus RNA.

Die Wissenschaftler isolierten die komplette RNA aus den befallenen Zellen, also die vom Bakterium und dem Wirt zusammen. Sie konnten so im Detail zeigen, welche seiner rund 5.000 Gene Salmonella zu verschiedenen Phasen der Infektion an- oder abschaltet. Gleichzeitig konnten sie nachweisen, wie die mehr als 40.000 Gene der Wirtszelle auf den Eindringling reagieren.

Kleines Molekül, große Wirkung

Bei ihrer Analyse fiel den Forschern ein bakterielles RNA-Molekül namens PinT auf, von dem Salmonella während einer Infektion mehr als einhundertmal soviel produziert wie normalerweise. Dabei enthält PinT gar keine Protein-Bauanleitung, sondern gehört zu einer speziellen Gruppe bakterieller RNAs, den so genannten sRNAs.

sRNAs sind auffällig kleine RNA-Moleküle (das „s“ steht für „small“), die für das Feintuning der Genaktivität zuständig sind: Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die kopierten Protein-Bauanleitungen schnell wieder vernichtet werden können. Ihre Rolle während Infektionen war bislang weitgehend unbekannt. „Wir haben eine Salmonella-Mutante hergestellt, die kein PinT produzieren kann“, erklärt Dr. Alexander Westermann vom Würzburger Institut für Molekulare Infektionsbiologie. „Dann haben wir untersucht, wie sich diese Mutante bei einer Infektion verhält.“

Das Ergebnis war frappierend: Das Mini-Molekül beeinflusst augenscheinlich eine ganze Latte bakterieller Gene, vor allem so genannte Virulenzfaktoren. Diese entscheiden darüber, wie aggressiv sich das Bakterium bei der Infektion durchsetzt. So gibt es beispielsweise Virulenz-Gene, die für die Invasion des Bakteriums in die Wirtszelle nötig sind. Weil es viel Energie kostet, produzieren Bakterien ihre Virulenzfaktoren nur dann, wenn sie sie wirklich benötigen. Auch minimieren die Erreger damit ihr Risiko, vorzeitig vom Immunsystem entdeckt zu werden.

Der Taktstock für das richtige Timing

PinT ist der Taktstock, der dabei für das richtige Timing sorgt. Ohne das Mini-Molekül kommt die fein orchestrierte Abstimmung der Virulenzfaktoren durcheinander. Diese Verschiebung hat wiederum massive Auswirkungen auf die Wirtszelle. „In unserer Studie waren fast ein Zehntel aller Wirtsgene betroffen, die nun – im Vergleich zu einer normalen Infektion – entweder vermehrt oder seltener abgelesen wurden“, erläutert Westermann. „So wurden bestimmte Immungene deutlich stärker aktiviert als normalerweise.“

Die simultane RNA-Sequenzierung von Krankheitserreger und Wirtszelle erlaubt es erstmals, derart komplexe Kausalketten im zeitlichen Verlauf einer Infektion nachzuvollziehen. „Bei vergleichsweise geringem Aufwand verspricht die Methode daher einen enormen Erkenntnisgewinn“, erklärt Professor Jörg Vogel. „Bislang war es bei vielen bakteriellen Genen kaum möglich, ihren Beitrag zur Infektion aufzuklären – dazu fehlten einfach die passenden Methoden. Jetzt haben wir endlich ein sensitives Werkzeug, um diese Gene zu untersuchen. Die Duale RNA-Sequenzierung eröffnet daher der Infektionsforschung eine neue Dimension.“ Die anfallende Datenmenge ist allerdings enorm. Bioinformatiker der Universitäten Würzburg und Leipzig entwickelten eigens für die Studie neue Algorithmen, mit denen sich die RNA-Sequenzen automatisiert und in ausreichender Geschwindigkeit verarbeiten lassen.

Alexander J. Westermann, Konrad U. Förstner, Fabian Amman, Lars Barquist, Yanjie Chao, Leon N. Schulte, Lydia Müller, Richard Reinhardt, Peter F. Stadler & Jörg Vogel: Dual RNA-seq unveils noncoding RNA functions in host–pathogen interactions; Nature (DOI: 10.1038/nature16547)

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Prof. Dr. Jörg Vogel
Institut für Molekulare Infektionsbiologie der Universität Würzburg
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Gunnar Bartsch Julius-Maximilians-Universität Würzburg