Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae): 94 Serotypen

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Freund oder Feind: Dem Geheimnis der Pneumokokken auf der Spur

Wissenschaftler aus zehn Ländern veröffentlichten ein neues, umfassendes Fachbuch über die Ausbreitung, Antibiotikaresistenz und molekularen Mechanismen der Interaktion von Pneumokokken mit dem Menschen. Das englischsprachige, 460-seitige Standardwerk „Streptococcus pneumoniae – Molecular Mechanisms of Host-Pathogen Interactions“ entstand unter leitender Beteiligung des Greifswalder Infektionsforschers Prof. Dr. Sven Hammerschmidt. Es wurde im ELSEVIER Verlag herausgeben. Das Fachbuch richtet sich nicht nur an Pneumokokken-Forscher, sondern insbesondere auch an Epidemiologen, Vakzineforscher, Pneumologen, Medizinische Mikrobiologen und interessierte Infektionsforscher. 

 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) bei der Anheftung und Invasion in humane Epithelzellen.
 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) bei der Anheftung und Invasion in humane Epithelzellen.Bildquelle: Prof. Manfred Rohde (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig) | Prof. Sven Hammerschmidt (Greifswald)


Pneumokokken können symptomlos die oberen Atemwege bereits von Kleinkindern besiedeln und begleiten uns so bis ins hohe Lebensalter. Gefürchtet sind Pneumokokken aber vor allem als Verursacher schwerwiegender Ateminfektionen wie der ambulant erworbenen Lungenentzündung und invasiver Erkrankungen, wie der Sepsis und Hirnhautentzündung.

Die Vorbeugung und Therapie bereitet auch nach über 100 Jahren intensiver Forschung und vorhandener Impfstoffe weiterhin große Probleme.
  • Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind Bakterien, die asymptomatisch die oberen Atemwege des Menschen besiedeln. 
Diese humanspezifischen bakteriellen Erreger haben aber andererseits auch ein hohes Potenzial, lokale Infektionen und schwerwiegende invasive Infektionen zu verursachen, die oftmals tödlich verlaufen. Die bekanntesten von Pneumokokken verursachten lokalen Entzündungen sind die Mittelohrentzündung und die Nasennebenhöhlenentzündung.

Gefürchtet sind die von Pneumokokken als die häufigsten Erreger der ambulant erworbenen Lungenentzündung (Pneumonie), der Sepsis und durch ihre Fähigkeit die Blut-Hirn-Schranke zu überqueren und eine bakterielle Hirnhautentzündung (Meningitis) auszulösen.

So sind sie auch heute noch, trotz Antibiotika und vorhandener Impfstoffe, verantwortlich für eine hohe Sterblichkeitsrate besonders bei Kleinkindern und Menschen über 65 Jahren mit weltweit bis zu 1,5 Millionen Toten pro Jahr. Die Behandlung von Pneumokokken-Infektionen mit Antibiotika wird zunehmend durch die Antibiotikaresistenzen der Pneumokokken erschwert, die auf natürliche Art und Weise Fremd-DNA aufnehmen können und so eine hohe genomische Variabilität aufweisen. 
  • Die Vorbeugung mit Pneumokokken-Impfstoffen gelingt nicht gegen alle der bisher bekannten 94 Unterarten, den sogenannten Serotypen, da vorhandene Konjugatimpfstoffe nur gegen maximal 13 verschiedene Typen einen Schutz vermitteln.
Das neue Fachbuch „Streptococcus pneumoniae – Molecular Mechanisms of Host-Pathogen Interactions“ widmet sich in den 22 Kapiteln der weltweiten Ausbreitung der verschiedenen Serotypen, der auftretenden Antibiotikaresistenzen und der Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe.

Neben der Analyse der Genome und deren Variation wird die Biology der Pneumokokken und die Biofilmbildung, die bei einer Mittelohrentzündung auftritt, genauer beleuchtet. Schwerpunkt in dem Buch bilden Kapitel über die vielfältigen Interaktionen der Pneumokokken mit dem Wirt und deren Fähigkeit dem Immunsystem zu entkommen.
  • Es wird deutlich, dass die Kolonisierung der menschlichen Atemwege die Voraussetzung für lokale und invasive Pneumokokken-Erkrankungen ist. 
Aber nicht nur der Serotyp oder die genetische Variante der Pneumokokken, sondern auch der immunologische Status des Menschen und das Vorhandensein anderer Krankheitserreger in der gleichen physiologischen Nische des Menschen bestimmen den Erfolg einer Besiedlung der Atemwege.

Besonders entscheidend für eine erfolgreiche Kolonisierung und das Voranschreiten der Infektion sind bakterielle Virulenzfaktoren, die an der Aufnahme von Nährstoffen aus der Umwelt beteiligt sind und in direktem Kontakt mit den Wirtszellen stehen. Außerdem helfen sie, das Immunsystem des Menschen gezielt zu manipulieren.

Pneumokokken haben sich im Laufe der Co-Evolution mit dem Menschen ein umfangreiches Arsenal an Virulenzfaktoren angeeignet. Obwohl die Komplexität dieser Faktoren und die zugrunde liegenden molekularen Wirkmechanismen im Zusammenspiel mit dem menschlichen Wirt vielfach untersucht werden, zeigen die Buchkapitel die Komplexität dieser Zusammenspiele auf, die im Detail noch nicht verstanden sind. Dadurch wird auch die Entwicklung alternativer Wege zur Therapie und Vorbeugung von Pneumokokken-Infektionen zu einer Herausforderung für zukünftige Forschung.

Das neue Pneumokokken-Standardwerk wurde von den international renommierten Wissenschaftlern Prof. Jeremy S. Brown des University College London (UK), Prof. Sven Hammerschmidt der Universität Greifswald (Deutschland) und Prof. Carlos J. Orihuela an der University of Alabama at Birmingham (USA) im ELSEVIER Verlag herausgegeben. Jeremy S. Brown ist Professor am University College London, UK, und entschlüsselt die molekulare Pathogenese von Lungenentzündungen, die durch Pneumokokken hervorgerufen werden. Außerdem entwickelt und erforscht er die Wirksamkeit neuartiger Impfstoffe zur Prävention von durch Pneumokokken verursachten invasiven Erkrankungen. Prof. Carlos J. Orihuela arbeitet in der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie an der University of Alabama at Birmingham, USA, und untersucht die Erreger-Wirt-Interaktion und den Einfluss altersbedingter Veränderungen der Lunge bei der Entstehung von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen. Prof. Sven Hammerschmidt leitet den Lehrstuhl für Allgemeine und Molekulare Genetik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und erforscht die molekularen Mechanismen der Interaktion von Pneumokokken mit dem menschlichen Organismus während der Kolonisierung und Infektion. Unter den Autoren finden sich neben den drei Herausgebern 62 weitere Experten aus den verschiedensten biologischen, chemischen und medizinischen Disziplinen, wodurch die interdisziplinäre Ausrichtung des Fachbuchs deutlich wird.

Weitere Informationen

„Streptococcus pneumoniae – Molecular Mechanisms of Host-Pathogen Interactions“
Edited by: Jeremy M. Brown, Sven Hammerschmidt and Carlos Orihuela, Elsevier B.V.
ISBN: 978-0-12-410530-0
http://www.sciencedirect.com/science/book/9780124105300

Graduiertenkolleg RTG 1870
http://rtg1870.uni-greifswald.de/


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Prof. Dr. Sven Hammerschmidt
Abteilung Genetik der Mikroorganismen
Interfakultäres Institut für Genetik und Funktionelle Genomforschung
Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 15 A, 17489 Greifswald
Telefon 03834 86-4161
rtg1870@uni-greifswald.de

Dr. Sylvia Kohler
Wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs 1870
Abteilung Genetik der Mikroorganismen
Interfakultäres Institut für Genetik und Funktionelle Genomforschung
Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 15 A, 17489 Greifswald
Telefon 03834 86-4224
rtg1870@uni-greifswald.de

Jan Meßerschmidt Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Frühfällen von Prostatakrebs mit hypofraktionierte Strahlenchirurgie

Medizin am Abend Berlin Fazit: Prostatakrebs: Deutlich kürzere Behandlung durch hochpräzise Bestrahlung

Erste klinische Studie in Deutschland zur hypofraktionierten Strahlenchirurgie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom 
 
Bei Frühfällen von Prostatakrebs kommen oft mehrere Therapiemöglichkeiten in Frage:

Bestrahlung, Operation oder auch zunächst nur „aktive Überwachung“.

Diese Methoden werden derzeit in Deutschlands größter klinischer Studie, der PREFERE Studie, gegeneinander geprüft. Jedoch ist diese Studie nur für Patienten unter 70 Jahren geeignet.
  • Im höheren Alter wird zur Behandlung von Prostatakrebs im Allgemeinen eine Strahlentherapie als beste Therapieoption empfohlen. 
  • Dabei wird die Prostata über einen Zeitraum von etwa acht Wochen täglich mit kleinen Portionen („Fraktionen“) bestrahlt. Die Verteilung der Strahlendosis auf viele kleine Portionen war bisher nötig, um das umgebende Gewebe, das zum Teil mitbestrahlt wird, optimal zu schonen.
Seit einigen Jahren gilt auf Grund der Strahlenbiologie des Prostatatumors als gesichert, dass man auch höhere Fraktionsdosen als bisher üblich einsetzen kann.

Eine Verteilung der Bestrahlung auf 25 Fraktionen (also etwa fünf Wochen Behandlungszeit) scheint ebenso erfolgreich und risikolos zu sein wie eine typische Bestrahlung mit bisher 40 Fraktionen.

Seit kurzem hat man daher eine noch stärkere Verkürzung der Behandlung untersucht. Voraussetzung dafür ist, dass man moderne Bestrahlungsmethoden einsetzt, mit denen man noch präziser als früher bestrahlen kann.

Diese hochpräzise und stark verkürzte („hypofraktionierte“) Bestrahlung wird auch als „Strahlenchirurgie“ bezeichnet. 

Auf dem Jahreskongress der US-amerikanischen Fachgesellschaft im Oktober 2012 wurde die ersten Langzeitergebnisse dieses Verfahrens vorgestellt.  

Die Behandlung erfolgte dabei mit nur fünf Fraktionen und die gesamte Behandlungsdauer betrug nur etwa anderthalb Wochen.

Die Ergebnisse der Behandlung, die bisher an mehr als 1500 Patienten in den USA und Kanada durchgeführt wurde, sind vielversprechend.

Die US-amerikanische Fachgesellschaft für Strahlentherapie hat die „hypofraktionierte Strahlenchirurgie“ mittlerweile als eine Alternative zur Standardbehandlung für Prostatakrebs empfohlen.

In Deutschland ist diese neue Behandlung noch nicht Standard. Neue Bestrahlungsverfahren dürfen in Deutschland nur unter strenger Beobachtung in klinischen Prüfungen und nach Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz eingesetzt werden.

Die Klinik für Strahlentherapie und das Prostatakarzinom-Zentrum am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Lübeck unter der klinischen Leitung von Prof. Jürgen Dunst haben nun in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Rostock unter der Leitung von Prof. Guido Hildebrandt, dem Universitätsklinikum Frankfurt unter der Leitung von Prof. Claus Rödel und dem Saphir Radiochirurgiezentrum in Güstrow und in Frankfurt am Main unter der medizinischen Leitung von Dr. Stefan Huttenlocher und Dr. Detlef Imhoff diese neue Behandlung in Deutschland zur Prüfung im Rahmen einer klinischen Studie beantragt.

Diese Prostata Studie mit dem Namen „HYPOSTAT“, in der die „hypofraktionierte Strahlenchirurgie“ mit dem höchstpräzisen robotergestützten Cyber-Knife System in Güstrow und Frankfurt durchgeführt wird, wurde vor kurzem durch das Bundesamt für Strahlenschutz freigegeben. Koordiniert wird die Studie durch das Zentrum für klinische Studien der Universität zu Lübeck unter der Leitung von Prof. Andreas Ziegler und Dr. Katja Krockenberger, die jüngst für ihre Arbeiten ausgezeichnet wurden.

Die HYPOSTAT wird in Kiel, Lübeck, Rostock und Güstrow ab Januar 2016 und in Frankfurt ab Februar 2016 Patienten aktiv rekrutieren.


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Kontaktinformationen für Informationen zur klinischen Prostata-Studie (HYPOSTAT):


Prof. Dr. med. Jürgen Dunst
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Strahlentherapie
Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel
Tel.: 0431/5973011

Prof. Dr. med. Klaus-Peter Jünemann
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Urologie und Kinderurologie
Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel
Tel.: 0431/5974411

Prof. Dr. med. Axel S. Merseburger
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik und Poliklinik für Urologie
Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck
Tel: 0451/5002290

Prof. Dr. med. Guido Hildebrandt
Universitätsklinikum Rostock
Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie
Südring 75, 18059 Rostock
Tel.: 0381/4945288

Prof. Dr. med. Claus Rödel
Dr. med. Detlef Imhoff, Dr. med. Panagiotis Balermpas
Universitätsklinikum Frankfurt
Klinik für Strahlentherapie
Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
Tel.: 069/63015130

Dr. med. Stefan Huttenlocher
Saphir Radiochirurgiezentrum Norddeutschland
Friedrich-Trendelenburg-Allee 2, 18273 Güstrow
Tel.: 03843/345990

Dr. med. Detlef Imhoff, Dr. med. Panagiotis Balermpas
Saphir Radiochirurgiezentrum Frankfurt am Main
Schleusenweg 2-16, 60528 Frankfurt am Main
Tel.: 069/67735910

Rüdiger Labahn Universität zu Lübeck