(AN) Anorexia nervosa - Magersucht:

Medizin am Abend Berlin Fazit:  Magersucht: Frühe Behandlung für Therapieerfolg entscheidend

Junge Patienten, die an Magersucht leiden, haben eine realistische Chance, wieder gesund zu werden. 

Dies gilt besonders, wenn ihre Behandlung frühzeitig beginnt. Das geht aus einer soeben in der Zeitschrift Lancet Psychiatry veröffentlichten Empfehlung internationaler Experten über die Anorexia nervosa hervor. Es bestehe jedoch weiterhin großer Forschungsbedarf. Er betreffe zum einen erwachsene Magersüchtige, für die es bisher nur eingeschränkt wirksame Behandlungen gebe. Die genauen Ursachen der Erkrankung müssen weiter erforscht werden, sagt auch die DGPM. Erst so könnten eine bessere, schnellere und dauerhafte Heilung erzielt und auch entsprechende Präventionsprogramme aufgelegt werden. 

Medizin am Abend Berlin Zusatzthema: Krankheit von Leiharbeitern   

  • Magersucht gilt als die gefährlichste aller psychischen Krankheiten:
  • Im Langzeitverlauf führt sie bei bis zu fünf Prozent der Patienten zum Tod, weit mehr als bei Depressionen oder Schizophrenie. 

Hierzulande sind etwa ein Prozent der weiblichen Bevölkerung und bis zu 0,5 Prozent der Männer an Magersucht erkrankt. „Trotz der Schwere der Erkrankung sind wir von einem umfassenden wissenschaftlichen Verständnis der Essstörung noch weit entfernt“, sagt Professor Dr. med. Stephan Zipfel, Erstautor der Arbeit und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen. Jedoch habe es in den letzten fünf Jahren wichtige neue Erkenntnisse zu möglichen Ursachen und Therapieansätzen der Anorexia nervosa (AN) gegeben. Diese sind in der Übersichtsarbeit zusammengefasst.

Die Auswertung der vorliegenden Studien zeige etwa, dass rund 40 Prozent aller Patienten unter Therapie wieder gesund würden; bei jungen Patienten liege der Anteil noch deutlich höher. „Ein früher Zugang zu qualifizierter Hilfe ist entscheidend für eine gute Prognose“, betont Zipfel, der das Kompetenzzentrum für Essstörungen (KOMET) in Tübingen leitet. Das kritische Zeitfenster hierfür liege bei einer Erkrankungsdauer von unter drei Jahren – danach würde eine vollständige Genesung immer schwieriger. „Ärzte aller Fachrichtungen müssen deshalb darin geschult sein, AN frühzeitig zu erkennen und ihre Patienten gegebenenfalls rasch zu Spezialisten überweisen“, fordert Professor Dr. med. Harald Gündel, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (DGPM).

  • Bei Heranwachsenden mit AN haben sich spezifische familienorientierte Behandlungsansätze als besonders wirksam erwiesen. 

Bei diesen Therapien handelt es sich um ambulante Ansätze, bei denen Eltern konkrete Unterstützung und Schulung erhalten, um die Hauptverantwortung für Essen und Gewicht ihrer Kinder übernehmen zu können. Obwohl es zunehmend Studien gibt, die auch die verschiedenen Behandlungsverfahren bei Erwachsenen untersucht haben, hat sich in dieser Altersgruppe bisher jedoch noch kein Therapieansatz als klar überlegen herauskristallisiert. Des Weiteren existieren zahlreiche neue, psychobiologische Konzepte, wie beispielsweise eine gezielte Gehirnstimulation, oder telemedizinische Begleitung, die in ihrer Wirksamkeit jedoch noch nicht abschließend überprüft wurden.

„Es besteht Übereinstimmung darüber, dass wir dringend neue Behandlungskonzepte brauchen, um die Ergebnisse weiter zu verbessern, besonders bei Erwachsenen“, betont Zipfel. Ein wichtiger Ansatz liege im Erforschen und gezielten Adressieren von Krankheitsmechanismen. Diese Kenntnisse könne man auch zur Prävention nutzen. „Momentan ist es jedoch entscheidend, die Signale rechtzeitig zu erkennen und früh mit der Behandlung zu beginnen“, so Gündel.


Quelle:
Stephan Zipfel, Katrin E Giel, Cynthia M Bulik, Phillipa Hay, Ulrike Schmidt: Anorexia nervosa: aetiology, assessment, and treatment. Lancet Psychatry, Oktober 2015.

Das Abstract zur Studie finden Interessierte hier: http://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(15)00356-9/abstra...


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Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://www.dgpm.de

Künstliche Herzklappe - Herzklappenersatz für Taschenklappen

Medizin am Abend Berlin Fazit:   Künstliche Herzklappe nach dem Vorbild der Natur

Für ihre Doktorarbeit an der Universität Stuttgart wurde die IGB-Wissenschaftlerin Dr. Svenja Hinderer am 26. November 2015 mit dem Deutschen Studienpreis 2016 der Körber-Stiftung ausgezeichnet. Mit einem modifizierten Elektrospinnverfahren gelang es Hinderer einen Herzklappenersatz herzustellen, dessen strukturelle, mechanische und biochemische Eigenschaften denen natürlicher Taschenklappen sehr nahe kommen – und der im Kinderherzen mitwachsen könnte. 
 
Bisherige künstliche Herzklappen wachsen im Kind nicht mit, sodass sie regelmäßig und in anspruchsvollen Operationen ausgetauscht werden müssen. Auch bei Erwachsenen halten sie lediglich etwa 25 Jahre, verkalken oder erfordern die lebenslange Einnahme antikoagulierender Medikamente.
Eine alternative künstliche Herzklappe – aus einem elektrogesponnenen Hybridmaterial – entwickelte Svenja Hinderer in ihrer Doktorarbeit am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP der Universität Stuttgart unter der Leitung von Prof. Dr. Katja Schenke-Layland, die am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB die Abteilung Zellsysteme leitet.
 

Elektrogesponnenes Trägersubstrat, eingepasst in eine Schweineherzklappe. Fraunhofer IGB

Für ihre Doktorarbeit »Electrospinning – a suitable method to generate scaffolds for regenerative medicine applications« wurde Dr. Svenja Hinderer am 26. November 2015 durch Bundestagspräsident Norbert Lammert mit dem von der Körber-Stiftung verliehenen Deutschen Studienpreis ausgezeichnet.

»Um ein als Klappenersatz geeignetes Material zu entwickeln, das den Zellen eine möglichst physiologische Umgebung bietet, habe ich mich in meiner Doktorarbeit immer wieder am Vorbild der Natur orientiert«, schildert Hinderer.

Zunächst untersuchte die Chemikerin daher detailliert die extrazelluläre Matrix nativer Herzklappen hinsichtlich struktureller, mechanischer und biochemischer Beschaffenheit. 

Für die Herstellung von Trägersubstraten als Klappenmaterial entwickelte sie die Methode des Elektrospinnens weiter.

Das auf dieser Grundlage hergestellte Trägersubstrat besteht aus einem Polymergemisch, einem UV-vernetzbaren Polyethylenglykol und Polylactid (PLA). »Um die Eigenschaften des Materials weiter denen nativer Herzklappen anzugleichen, habe ich zusätzlich Proteoglykane versponnen, die unter anderem für die Wasserspeicherfähigkeit des Herzklappengewebes entscheidend sind.

Wichtig war, dass die empfindlichen Proteine dabei ihre Funktion nicht verlieren«, erklärt Hinderer. Auf diese Weise gelang es ihr eine Struktur herzustellen, die morphologisch der nativen extrazellulären Matrix sehr ähnelt.

In einem Bioreaktor, der – wie das Herz Blut – Wasser durch die Klappen pumpt, simulierte Hinderer die physiologischen Drücke des Herzens, denen das Material hervorragend standhält. Videos der Bioreaktorsimulation zeigen beeindruckend, wie das Material als Herzklappenersatz die Funktion des Öffnens und Schließens übernimmt.

Ein nächster Test erfolgte in einem von einer Ingenieursstudentin in ihrem Team entwickelten Bioreaktor, in dem sie das elektrogesponnene Material zusammen mit menschlichen Zellen kultivieren konnte. »Aufgrund der speziellen mechanischen Reize im Reaktor, die denen im Körper nachempfunden waren, begannen die Zellen nach bereits sechs Tagen, elastische Fasern zu bilden.

Das im Bioreaktor gereifte Gewebe wies die gleichen Strukturen auf wie eine natürliche, sich entwickelnde Herzklappe«, so Hinderer.

Die elastischen Fasern verleihen Geweben, wie Haut, Blutgefäßen oder eben Herzklappen ihre Widerstandsfähigkeit und Elastizität. Sind sie einmal zerstört, kann der Mensch die Fasern nicht wiederherstellen. 

Sie werden nur während der Embryonalentwicklung und in den ersten Jahren nach der Geburt gebildet.

Das stabile und zugleich elastische Trägersubstrat ist biokompatibel und sterilisierbar – und damit für medizinische Anwendungen hervorragend geeignet.

Zukünftiges Ziel ist es, ein zellfreies Medizinprodukt zu entwickeln, das sich erst nach dem Einsetzen in den Patienten selbst besiedelt.

Dazu erforscht Hinderer, die seit Juli 2015 die Gruppe »Biomaterialien, Bioreaktoren und Bioimaging« am Fraunhofer IGB leitet, wie die Trägersubstrate mit weiteren spezifischen Proteinen modifiziert werden können, um gezielt Stammzellen anzulocken. Während die Zellen das Material besiedeln und eine neue Herzklappe mit ihrer eigenen Matrix bilden, soll das polymere Grundgerüst später im Körper abgebaut werden.

Dadurch hat es das Potenzial, im Kinderherzen mitzuwachsen. Doch bis es soweit ist, muss sich die künstliche Herzklappe zunächst im Tiermodell an Schweinen beweisen.

Svenja Hinderer

Svenja Hinderer studierte von 2005 bis 2010 Angewandte Chemie an der Hochschule Reutlingen. Im Anschluss promovierte sie am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP der Universität Stuttgart, in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Im Juli 2014 schloss sie ihre Promotion in der Fakultät 4 Energie-, Verfahrens- und Biotechnik der Universität Stuttgart mit Auszeichnung ab. Seit 2014 ist Dr. Svenja Hinderer am Fraunhofer IGB als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, seit Juli 2015 leitet sie hier die Gruppe »Biomaterialien, Bioreaktoren und Bioimaging«. Zudem lehrt sie an der Universitätsfrauenklinik Tübingen im Studiengang Medizintechnik.

Der Deutsche Studienpreis

Aus über 418 Bewerbungen nominierte die Jury des Deutschen Studienpreises dieses Jahr 27 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den drei Sektionen »Geisteswissenschaften«, »Sozialwissenschaften« sowie »Natur- und Technikwissenschaften«. Dr. Svenja Hinderer schaffte es im Bereich »Natur- und Technikwissenschaften« auf den begehrten, mit 25 000 Euro dotierten Spitzenplatz. Kriterium für die Auswahl der Preisträger waren neben der fachwissenschaftlichen Exzellenz vor allem die spezifische gesellschaftliche Bedeutung der Forschungsbeiträge. Gefragt war dabei weniger die ökonomische Verwertbarkeit, sondern eher der gesamtgesellschaftliche Nutzen wissenschaftlicher Erkenntnis.


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