360°TOP-Thema: Harnsteine - Nierenstein - Steinbildung: Eine konsequente Nachsorge

Medizin am Abend Berlin Fazit:   Harnsteine schnell analysieren

Harnsteine gehören allgemein zu den häufigsten Erkrankungen. Eine konsequente Nachsorge kann der erneuten Steinbildung nach der Operation vorbeugen. 

Hierfür muss jedoch die Zusammensetzung des Steins bekannt sein. Fraunhofer-Forscher entwickeln ein System, das die direkte Analyse nach dem Eingriff erlaubt. 
 
Immer mehr Deutsche leiden an Harnsteinen, die mitunter auch als Nierensteine bezeichnet werden. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Harnsteine sind oft nicht größer als ein Reiskorn, einige wachsen jedoch auf einen Durchmesser von mehreren Zentimetern an. Bleiben sie im Harnleiter stecken, verursachen sie kolikartige Schmerzen.

  • Lassen sie sich nicht auflösen, werden sie per Stoßwellen behandelt oder minimalinvasiv per Endoskop zertrümmert und entfernt.


Das neue Diagnosesystem ermöglicht die OP-begleitende Analyse von Harnsteinen.


 Das neue Diagnosesystem ermöglicht die OP-begleitende Analyse von Harnsteinen. © Fraunhofer IPM

  • Bei vielen Patienten tritt das Leiden nach einer Behandlung erneut auf. Laut wissenschaftlichen Studien kann eine konsequente Nachsorge die erneute Bildung von Steinen um 50 Prozent verringern. Empfehlungen zur Änderung der Ernährung oder zur medikamentösen Prävention basieren auf der Zusammensetzung des Steins. 
  • Forscher vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM entwickeln im Auftrag eines Industriepartners ein Mess- und Diagnosesystem, das die schnelle, automatisierte Analyse und somit eine maßgeschneiderte Nachsorge nach der Zertrümmerung ermöglicht. Dabei arbeiten sie eng mit der Sektion Urotechnologie an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Freiburg zusammen.
  • »Nur sehr wenige Patienten mit Harnsteinerkrankung erhalten eine umfassende Anschlussdiagnostik und Beratung nach der Behandlung«, weiß Dr. Arkadiusz Miernik, Arzt und Wissenschaftler am IPM. Der Grund: Die derzeit angewendeten konventionellen Technologien wie beispielsweise die Infrarotspektroskopie sind kostenintensiv und aufwändig. Sie erfordern die Vorbereitung der Steinproben und werden von Speziallaboren durchgeführt. Da jedoch nur wenige Zentren die Analyse anbieten, beträgt die Wartezeit zum vorliegenden Ergebnis bis zu drei Wochen. 
  • »In der Zwischenzeit ist der Patient entlassen, in der Regel zunächst beschwerdefrei und kommt nicht wieder zum Arzt. 

Zwar wird ihm empfohlen, regelmäßig ausreichend zu trinken, sich körperlich zu bewegen und eventuell vorhandenes Übergewicht abzubauen. Ein ausführliches Abschlussgespräch bezüglich weiterer vorbeugender Maßnahmen einschließlich Analyse des individuellen Risikoprofils findet in der Regel nicht statt«, sagt Miernik.

  • Bestimmte Harnsteine entstehen jedoch aufgrund von Stoffwechselstörungen. Durch eine Steinanalyse lassen sich einige davon aufdecken – der Patient könnte somit auch medikamentös behandelt werden.

Vorbereitung der Steinproben entfällt

Miernik und sein Team setzen bei der Analyse auf die Ramanspektroskopie. Sie ermöglicht eine schnelle Charakterisierung und unterscheidet die verschiedenen Steintypen eindeutig. Die Methode liefert für jedes Probenmolekül ein charakteristisches Spektrum im sichtbaren Wellenlängenbereich – einen »chemischen Fingerabdruck« des untersuchten Materials. »Die Proben werden mit Laserlicht behandelt. Dabei strahlt etwa ein Prozent der Photonen mit einem probenspezifischen Wellenspektrum zurück. Die ermittelten Spektren listen wir in einer Datenbank auf«, erklärt Miernik. Die bei der Ramanspektroskopie entstehende störende Hintergrundfluoreszenz konnten die Forscher softwareseitig extrahieren.

Die Methode kommt mit vergleichsweise günstigen optischen Komponenten aus und funktioniert auch bei nassen Proben. Die bisher erforderliche aufwändige Präparation entfällt.

»Normalerweise müssen die Steine vor der Untersuchung getrocknet und pulverisiert werden. Das ist mit unserem Mess- und Diagnosesystem nicht nötig. 

Die direkt bei dem Eingriff entnommenen Proben müssen nicht weiter zerkleinert werden, man kann sie theoretisch sofort in das Ramanspektrometer legen und analysieren«, erläutert Miernik.

  • Zwar gibt es einige wenige Speziallabore, die das Verfahren mit großen Analysegeräten bereits durchführen könnten. Doch ein kliniktaugliches kompaktes Gerät, das eine sofortige, automatisierte Diagnostik erlaubt, existiert bis dato nicht.

Das Messsystem der IPM-Forscher liegt bereits als Prototyp vor. Die Wissenschaftler haben sowohl die Hard- als auch die Software entwickelt. Es muss allerdings noch kompakter gebaut und miniaturisiert werden, bevor es zur Marktreife gelangt. Die Besonderheit des Systems ist die spektrale Datenbank, mit der die Experten zunächst die Hintergrundfluoreszenz herausrechnen und dann automatisiert die Spektren identifizieren. Die Datenbank basiert auf den Daten von neun Reinstoffen, aus denen Harnsteine zu 99 Prozent bestehen. Um die Software etablieren zu können, untersuchten die Forscher in der ersten Validierungsphase knapp 160 Harnsteinproben. Ein Referenzlabor bestätigte die Messergebnisse per Infrarotspektroskopie.

»Sobald das komplette System kliniktauglich ist, können Ärzte die Steinproben ihrer Patienten mit der Datenbank abgleichen und diagnostizieren«, so Miernik.

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Britta Widmann
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Chemikalie PFT: Vergiftetes Grundwasser fließt in den Rhein

WAZ: PFT-Skandal in Düsseldorf - Vergiftetes Grundwasser fließt in den Rhein

  • Die auf den Düsseldorfer Flughafen zurückgeführte Verseuchung mit der Chemikalie PFT entlädt sich jetzt in den Rhein. 
Das berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ, Samstagausgabe). Danach hat ein Giftteppich mit hohen Konzentrationen des als krebserregend geltenden Stoffes den Fluss erreicht. Entsprechende Informationen der WAZ bestätigte die Stadt Düsseldorf. Maßnahmen, die den giftigen Zustrom stoppen sollen, greifen frühestens 2016.

  • Es ist eine der bundesweit größten PFT-Kontaminationen: 

In den Düsseldorfer Stadtteilen Kaiserswerth und Lohausen sind 8,5 Quadratkilometer mit perfluorierten Tensiden (PFT) verseucht - eine Fläche von 1700 Fußballfeldern.

  • Das Gift steckte in Schäumen, mit denen die Düsseldorfer Flughafen-Feuerwehr jahrelang löschte und übte. 

Die Chemikalie sickerte ins Erdreich und breitet sich über das Grundwasser aus. Das Problem ist seit 2007 bekannt. Heute liegen PFT-Spitzen im Wasser und im Boden tausendfach über Richtwerten, berichtet die WAZ. Die Lage sei bereits "unbeherrschbar und unumkehrbar, ein GAU ersten Ranges", sagte Claudia Baitinger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) der WAZ. "Hier ist Gefahr im Verzug." Der PFT-Eintrag in den Fluss müsse "sofort gestoppt werden", um "eine flächendeckende Kontamination des Rhein-Ökosystems bis zur Mündung" zu verhindern. Der PFT-Eintrag in die Nordsee verstoße gegen Völkerrecht. "Das Mäntelchen des Schweigens auszubreiten, mit Rücksicht auf wirtschaftliche Belange des Flughafens", verbiete sich. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) macht den Flughafen und die Stadt Düsseldorf, Gesellschafterin des Airports, für die Zuspitzung verantwortlich. Vor einem Jahr habe er beide Seiten "unmissverständlich aufgefordert, ein Sanierungskonzept zu entwickeln und unmittelbar umzusetzen". Bis heute gebe es erst einen Entwurf. Danach soll Anfang 2016 kein PFT-haltiges Grundwasser mehr vom Flughafen abströmen. Wann die restliche Sanierung folge und wie lange sie laufe, sei ungewiss, so die Stadt. Die Kosten müsse der Airport tragen. Der spricht von "einem guten, aber langen Weg". Joachim Marzinkowski, Umweltchemie-Professor an der Bergischen Universität Wuppertal, geht davon aus, "dass uns dieses Thema noch 50 Jahre beschäftigen wird". Unterdessen sieht sich der Düsseldorfer Flughafen mit einer privaten Millionenklage konfrontiert. Ein Betroffener verlangt Schadensersatz für den Wertverlust seines verseuchten Grundstücks, berichtet die WAZ.

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