Raucher verlieren früher ihre Zähne

Medizin am Abend Berlin Fazit:     Deutsche Langzeitstudie bestätigt: Raucher verlieren früher ihre Zähne

Wie eine große Langzeitstudie (EPIC*-Potsdam) des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) unter Leitung von Heiner Boeing nun zeigt, haben Raucher ein deutlich höheres Risiko als Nichtraucher, ihre Zähne bereits in jungen Jahren zu verlieren. Die gute Nachricht ist: Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, können ihr Risikoniveau bereits schon nach kurzer Zeit verringern und schließlich auf das einer Person senken, die niemals geraucht hat. „Letzteres kann allerdings über 10 Jahre dauern“, sagt Erstautor Thomas Dietrich von der Universität Birmingham, UK. 

Gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch Gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch  Fotoquelle: DIfE
 
Das Wissenschaftlerteam um Heiner Boeing und Kolade Oluwagbemigun vom DIfE und dem Epidemiologen und Oralchirurgen Thomas Dietrich veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Dental Research (Dietrich, T. et al., 2015; DOI: 10.1177/0022034515598961; http://jdr.sagepub.com/content/early/2015/08/03/0022034515598961.abstract).

Zahnlosigkeit ist weltweit immer noch eins der großen Gesundheitsprobleme, die es zu lösen gilt. In Deutschland sind über 20 Prozent der Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren betroffen. Untersuchungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass auch Rauchen das Risiko für einen frühzeitigen Zahnausfall erhöht.

Die neuen Ergebnisse der Potsdamer EPIC-Studie, die auf Daten von 23.376 männlichen und weiblichen Studienteilnehmern basieren, untermauern nun diese Befunde. Die Studie ist die erste große deutsche, prospektive Langzeitbeobachtungsstudie, die den Zusammenhang zwischen Rauchen, Raucherentwöhnung und Zahnausfall in drei verschiedenen Altersgruppen** untersucht hat.

Im Vergleich zu Studienteilnehmern, die nie geraucht haben, hatten weibliche bzw. männliche Raucher ein bis zu 2,5- bzw. 3,6-fach erhöhtes Risiko, ihre Zähne vorzeitig zu verlieren und dies unabhängig von anderen Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes.

Der Zusammenhang war bei jüngeren Personen stärker ausgeprägt als bei älteren.

  • Zudem beobachteten die Wissenschaftler, dass die ermittelten Risikobeziehungen dosisabhängig waren. Starke Raucher, die mehr als 15 Zigaretten pro Tag konsumierten, hatten ein höheres Risiko, als diejenigen, die weniger rauchten.

„Man verliert seine Zähne hauptsächlich als Folge von Karies oder Parodontitis. 

Wir wissen zudem, dass Rauchen einer der Hauptrisikofaktoren für Parodontitis ist. Daher ist der beobachtete Zusammenhang zwischen Rauchen und Zahnverlust sicherlich primär durch ein erhöhtes Auftreten der Parodontitis bei Rauchern zu erklären“, sagt Co-Autor Kolade Oluwagbemigun.

  • „Zahnfleischentzündungen bei Rauchern lassen sich somit auch als erstes greifbares Warnsignal sehen, das darauf hinweist, dass die Gesundheit durch den Tabakkonsum bereits stark geschädigt ist. Unglücklicherweise maskiert Rauchen Zahnfleischbluten – eines der wenigen Symptome einer Parodontitis. Hierdurch kann das Zahnfleisch bei Rauchern gesünder erscheinen, als es tatsächlich ist. Dies sollten Raucher aber auch Zahnärzte berücksichtigen“, ergänzt Erstautor Thomas Dietrich. „Inwieweit Rauchen auch mit einem erhöhten Kariesrisiko assoziiert ist, ist noch nicht endgültig geklärt“, so Dietrich weiter.

„Auch wenn die genauen Ursachen für den von uns beobachteten Zusammenhang noch nicht geklärt sind, erscheint es aber bereits schon heute mehr als sinnvoll, Menschen davon zu überzeugen, Nichtraucher zu bleiben oder es jetzt zu werden. Rauchen verkürzt die Lebenszeit. Nicht zu rauchen ist gut für Lunge und Gefäße und führt nach unseren Erkenntnissen auch zu einer guten Zahngesundheit bis ins hohe Alter“, sagt Heiner Boeing.

Hintergrundinformationen:

* EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Sie ist eine der größten prospektiven („vorausschauenden“) Studien, welche die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht, wobei sie auch den Lebensstil berücksichtigt. An der EPIC-Studie sind zehn europäische Länder mit insgesamt 519.000 weiblichen und männlichen Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. In Deutschland gehören das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg sowie das DIfE zu den EPIC-Studienzentren. Die Potsdamer EPIC-Teilstudie schließt mehr als 27.500 erwachsene Studienteilnehmer/innen ein und wird von Prof. Heiner Boeing geleitet. Bei der Auswertung einer prospektiven Studie ist es wichtig, dass die Teilnehmer zu Beginn der Studie noch nicht an der zu untersuchenden Krankheit leiden. Die Risikofaktoren für eine bestimmte Erkrankung lassen sich so vor ihrem Entstehen erfassen, wodurch eine Verfälschung der Daten durch die Erkrankung weitestgehend verhindert werden kann - ein entscheidender Vorteil gegenüber retrospektiven Studien.

** Die Studienteilnehmer waren in drei Altersgruppen eingeteilt: Gruppe 1: Personen unter 50 Jahren; Gruppe 2: Personen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren; Gruppe 3: Personen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren.

*** Parodontitis, früher auch Parodontose genannt, ist eine Entzündung des Zahnbetts, die durch den Abbau des Alveolarknochen gekennzeichnet ist und schliesslich zu Zahnlockerung und Zahnverlust führen kann.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr unter http://www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 89 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 18.100 Menschen – darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,64 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Mehr unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Medizin am Abend Berlin DirektKontakt:

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Dietrich
MPH, FDSRCS (Engl.)
School of Dentistry
University of Birmingham
St Chad’s Queensway
Birmingham
B4 6NN
E-Mail: t.dietrich@bham.ac.uk
Tel.: +44-121-4665494


apl. Prof. Dr. Heiner Boeing
Leiter der Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2711
E-Mail: boeing@dife.de

Kolade Oluwagbemigun
Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2720
E-Mail:kolade.oluwagbemigun@dife.de

Dr. Gisela Olias
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2278/-2335
E-Mail: olias@dife.de
http://www.dife.de

Cannabis

Medizin am Abend Berlin Fazit:    Experten fordern mehr Studien und warnen zugleich vor Selbstmedikation

In Deutschland sind 1,5 Millionen Erwachsene von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen betroffen. Viele von ihnen leiden unter anhaltenden Schmerzen. Obwohl über den therapeutischen Nutzen von Cannabisprodukten derzeit intensiv diskutiert wird, fehlen für die Behandlung chronischer Schmerzen bei Rheuma-Erkrankungen mit künstlich hergestellten Cannabisprodukten jedoch bislang aussagekräftige Studien. Welche Potentiale Cannabis als Heilmittel hat und aus welchem Grund vor allen Formen der Selbstmedikation zu warnen ist, diskutieren Schmerzexperten auf der Pressekonferenz des Deutschen Schmerzkongresses (14. bis 17.10.2015) am 14. Oktober in Mannheim. 
 
Cannabis sativa, so der lateinische Name der Hanfpflanze, ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt.

Lange schon gibt es Anzeichen für ihre medizinische Wirksamkeit, um Schmerzen zu lindern und Entzündungen zu hemmen. Dass Cannabisprodukte bei einigen Erkrankungen einen positiven Effekt haben, konnten in den vergangenen Jahren auch zahlreiche klinische Studien zeigen. 

Privatdozent Dr. med. Winfried Häuser, Klinik Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken, berichtet:

 „Bei Tumorpatienten können Cannabinoide während der Chemotherapie den Appetit anregen und zugleich Übelkeit und Erbrechen eindämmen. Sie können auch helfen, schmerzhafte Muskelverspannungen bei Patienten mit Multipler Sklerose zu unterdrücken.“ Einige Patienten mit chronischen Schmerzen berichteten zudem über gute Erfahrungen mit hanfbasierten Substanzen, ergänzt der Experte aus Saarbrücken. 

Aufgrund seiner Rauschwirkung fällt das „Naturprodukt“ Hanf in Deutschland jedoch unter das Betäubungsmittelgesetzt (BTM), und der in ihm vorkommende Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) wird als ein nicht verkehrsfähiger Stoff klassifiziert. Der Verkauf und Handel von/mit THC sind also verboten, der Konsum ist es nicht.

In Deutschland ist nur ein einziges künstlich hergestelltes Cannabis-Medikament, das als Mundspray verabreichte Sativex, bei einer medizinischen Indikation zugelassen, nämlich den schmerzhaften Muskelverspannungen bei Multipler Sklerose.

  • Zwei weitere Präparate, Dronabinol und Nabilon, sind in Deutschland nicht zugelassen, können jedoch auf einem Betäubungsmittelrezept durch den Arzt verschrieben werden. Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen weigern sich in den meisten Fällen, die Kosten zu übernehmen.

Um herauszubekommen, bei welchen rheumatischen Erkrankungen, die mit chronischen Schmerzen einhergehen, Cannabisprodukte wirken und ob sie verträglich und sicher sind, hat Dr. Häuser zusammen mit Forschern aus Deutschland – aber auch Kanada und Israel – eine systematische Literatursuche durchgeführt. Dr. Häuser erklärt: „Wichtig war für uns, nur Studien auszuwerten, die aussagekräftig sind. Wenn also das Cannabisprodukt mit einem Scheinmedikament (Placebo) verglichen wurde und zudem weder Arzt noch Patient wussten, was von beiden sie erhielten.“ Bei der Sichtung der als randomisiert doppelblind bezeichneten Studien (englisch, RCT: randomized controlled trial) stellten die Forscher schnell fest, dass die Datenlage bei der medikamentösen Therapie von Rheumaerkrankungen mit Cannabisprodukten spärlich ist.

Zwei RCTs mit Nabilon über die Dauer von zwei beziehungsweise sechs Wochen mit 71 Patienten mit Fibromyalgiesyndrom, eine vier-wöchige Studie mit Nabilon und 30 Rückenschmerzpatienten und eine fünf-wöchige Studie mit Tetrahydrocannbinol/Cannabidiol mit 58 Patienten mit rheumatoider Arthritis wurden eingeschlossen. Die Studien zeigten keine bessere Wirksamkeit der untersuchten synthetischen Cannabisprodukte gegenüber Kontrollsubstanzen (Placebo bzw. schmerzlinderndes Antidepressivum).  

  • Die Patienten berichteten, die Cannabisprodukte trotz einiger unangenehmer Nebenwirkungen wie beispielweise Konzentrationsstörungen, Sedierungen oder Müdigkeit gut vertragen zu haben.

Dr. Häuser fasst zusammen: 

„Wir können aufgrund der schwachen Datenlage derzeit nicht empfehlen, Rheumapatienten mit Cannabisprodukten zu behandeln. Das schließt jedoch nicht aus, dass Ärzte Patienten, die wir als austherapiert bezeichnen, das heißt, bei denen sonst nichts hilft, mit Cannabinoiden behandeln.“

Die Experten der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. plädieren dafür, dass die Bundesregierung ein Gesetz zum medizinischen Gebrauch von Cannabisprodukten erlässt und dann die Verordnungen langfristig über die Krankenkassen abgerechnet werden können.


Professor Dr. med. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., fasst die Position zusammen: „Wir wollen Schmerzpatienten nicht die Therapie mit Cannabinoiden vorenthalten. Aber gebraucht werden mehr Studien und mehr Medikamentenzulassungen.“ Jede Form einer Eigentherapie lehnt der Experte ab.

 „Patienten, die sich mit dem sogenannten Medizinalhanf oder Cannabis aus Eigenanbau selbst behandeln, fügen ihrem Körper ein in seiner Dosis permanent schwankendes Medikament zu und riskieren belastende Nebenwirkungen.“

Literatur:
Fitzcharles M.-A., Ste-Marie P. A., Häuser, W. et al.: Efficacy, tolerability and safety of Cannabinoid Treatments in the Rheumatic Diseases: A Systematic Review of Randomized Controlled Trials
Arthritis Care &Research, 2015, in Druck
PD Dr. med. Winfrid Häuser, Redemanuskript, Pressekonferenz Deutscher Schmerzkongress 14.10.2015

Das komplette Kongressprogramm und weitere Informationen finden Sie im Internet unter

http://www.schmerzkongress2015.de


Das Programm als PDF:http://schmerzkongress2015.de/wp-content/uploads/sites/6/2015/09/Vorl%C3%A4ufige...

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Medizin am Abend Berlin DirektKontakt:

Deutscher Schmerzkongress 2015
Dagmar Arnold
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Tel.: 0711 8931-380
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org

Thomas Isenberg
Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
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