Erhöhte Blutzuckerspiegel: Insulinresistenz + Insulinmangel + genetische Veranlagung!

Medizin am Abend Berlin Fazit:   Vier Gene beeinflussen die Teilungsfähigkeit insulinproduzierender Zellen

Im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) geförderten Kooperationsprojekts haben Wissenschaftler unter der Leitung von Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) vier Gene identifiziert, die bei übergewichtigen Mäusen in Abhängigkeit der Kohlenhydratzufuhr die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Beta-Zellen beeinflussen. Alle vier Gene befinden sich auf Chromosom 1, wobei bereits frühere Untersuchungen der Forscher sowie Ergebnisse aus Humanstudien dieses Chromosom mit Diabetes in Verbindung gebracht haben. 


Inselzellen der Maus, die das Gen Ifi202b überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer
 Inselzellen der Maus, die das Gen Ifi202b überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer Fotoquelle: DIfE
 
„Unsere Resultate geben einen tiefen Einblick in die Mechanismen, die der Diabetesentstehung zu Grunde liegen und machen deren Komplexität deutlich“, sagt Erstautor Oliver Kluth vom DIfE.

Das Forscherteam, zu dem auch Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard-Karls- Universität Tübingen sowie Mediziner des Universitätsklinikums Tübingen gehören, veröffentlichten ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift PLOS Genetics (Kluth et al. 2015; DOI:10.1371/journal.pgen.1005506; http://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1005506).

  • Das Hormon Insulin regt die Fett- und Muskelzellen dazu an, Traubenzucker aus dem Blut aufzunehmen, um sich mit Energie zu versorgen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist jedoch die Signalwirkung von Insulin gestört. Mediziner sprechen auch von einer Insulinresistenz. Zu Beginn der Erkrankung versucht der Körper diese Insulinunempfindlichkeit der Zellen auszugleichen, indem er mehr Insulin als normal über die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse freisetzt. Im weiteren Krankheitsverlauf ermüden diese Zellen aber zusehends und sterben mit der Zeit ab, wodurch es zu einem Insulinmangel kommt. Ursache hierfür sind erhöhte Zucker- und Fettsäurespiegel im Blut, aber auch die genetische Veranlagung spielt anscheinend für die Lebenszeit der Beta-Zellen eine Rolle.

Um mehr über die molekularen Mechanismen zu erfahren, die beim Vorliegen einer Insulinresistenz für die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen entscheidend sind, sowie die Gene zu identifizieren, die hierfür eine Rolle spielen, verglichen die Wissenschaftler die physiologischen Veränderungen und Genaktivitäten der Beta-Zellen von zwei verschiedenen Mausstämmen in vivo und in vitro. Sowohl die New-Zealand obese (NZO)-Maus als auch die B6-ob/ob-Maus haben einen natürlichen Hang zu Übergewicht, wobei jedoch nur der Stamm der NZO-Maus anfällig für Diabetes ist. Ein Phänomen, das sich auch am Menschen beobachten lässt, denn nicht jeder übergewichtige Mensch ist gleichsam für die Krankheit empfänglich.

Die Tiere erhielten bis zu einem Alter von 18 Wochen eine fettreiche, aber kohlenhydratfreie Kost, wodurch beide Mausstämme kräftig an Gewicht zunahmen. Ihre Blutzuckerspiegel erhöhten sich während dieser Zeit nicht. Bekamen die Mäuse dann auch Kohlenhydrate zu fressen, stieg schon nach wenigen Tagen der Blutzuckerspiegel in der für Diabetes anfälligen NZO-Maus merklich an. Zudem führte das kohlenhydrathaltige Futter bei diesen Tieren zu einem Absterben der Beta-Zellen durch Apoptose (programmierter Zelltod). Die Beta-Zellen des anderen Mausstamms waren dagegen nicht nur vor dem Absterben geschützt, ihre Zahl nahm sogar auch noch weiter zu. Die hiermit verbundene gesteigerte Insulinproduktion normalisierte die am Anfang auch noch bei diesen Tieren erhöhten Blutzuckerspiegel, so dass die Tiere nicht an Diabetes erkrankten.

„Wie unsere Daten annehmen lassen, ist die unterschiedliche Reaktion der Beta-Zellen auf vier Gene zurückzuführen.

Untersuchungen an isolierten Beta-Zellen machen deutlich, dass eine erhöhte Aktivität der Gene Lefty1, ApoA2 und Pcp4l1 die Zellteilung stimuliert und letztendlich die B6-ob/ob-Mäuse vor Diabetes schützt. Dagegen bewirkt eine gesteigerte Genaktivität von Ifi202b bei den NZO-Mäusen das Gegenteil“, erklärt Biochemiker Kluth.

„Auch beim Menschen spielt zumindest ein Teil der von uns identifizierten Gene anscheinend eine Rolle für Diabetes. Wie Humanstudien unserer Kooperationspartner zeigen, waren zwei verschiedene Varianten des menschlichen Gens für Lefty1 mit einer veränderten Insulinfreisetzung assoziiert“, ergänzt Studienleiterin Schürmann. „Zudem beobachteten Forscher an Studienteilnehmern in Utah einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Varianten des menschlichen APOA2-Gens“, so die Wissenschaftlerin weiter.

„Gene zu identifizieren, die sowohl bei der Maus als auch beim Menschen eine Rolle spielen, ist von entscheidendem Vorteil“, sagt Kluth. Denn so könne man die Genfunktionen und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen der Glucotoxizität* und Diabetesentstehung am Modellsystem der Maus detailliert unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen seien solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich.

Hintergrundinformation:

  • * Erhöhte Blutzuckerspiegel wirken auf viele Gewebe toxisch. Wissenschaftler sprechen daher auch von einer Glucotoxizität.

Inselzellen der Maus, die das Gen Lefty1 überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer
Inselzellen der Maus, die das Gen Lefty1 überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer Fotoquelle: DIfE

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz- Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr unter www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 89 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 18.100 Menschen

– darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,64 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Mehr unter www.leibniz-gemeinschaft.de.

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Prof. Dr. Annette Schürmann
Leiterin der Abteilung Experimentelle Diabetologie Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2368
E-Mail: schuermann@dife.de

Dr. Oliver Kluth
Abteilung Experimentelle Diabetologie Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2524
E-Mail: oliver.kluth@dife.de

Dr. Gisela Olias
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49-33200 88-2278/-2335
E-Mail: olias@dife.de oder presse@dife.de
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http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=DIAB Informationen zur Abteilung Experimentelle Diabetologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung

GenderMedizin: Aktionswoche zu Kopf-Hals-Krebs: Symptome frühzeitig erkennen und handeln

Medizin am Abend Berlin Fazit:   Aktionswoche zu Kopf-Hals-Krebs: Symptome frühzeitig erkennen und handeln

Bereits zum dritten Mal initiiert die Europäische Kopf-Hals-Gesellschaft (European Head and Neck Society, EHNS) eine Aktionswoche zur Aufklärung über Kopf-Hals-Krebs. Ziel der europaweiten Aktivitäten vom 21. bis 25. September ist es, die Risikofaktoren, Präventionsmöglichkeiten und Symptome der Krebserkrankung bekannt zu machen. 


 Kopf-Hals-Krebs FACT SHEET Seite 1/2  Merck Serono
 
„Jedes Jahr wird in Europa bei 350.000 Menschen Kopf-Hals-Krebs diagnostiziert und über die Hälfte davon wird nach fünf Jahren nicht mehr am Leben sein. Und das, obwohl Patienten bei früher Diagnose und Behandlung eine Überlebensrate von 80-90% haben könnten,” so Professor Dr. med. René Leemans, Vorsitzender der EHNS.

Daher finden am 23. September Patiententage in Kliniken statt – mit kostenlosen Screenings, Vorträgen und umfangreichen Informationsmaterialien. In Deutschland wird die Aktionswoche gemeinsam mit den Landespartnern der EHNS, Ärzten und Patientenorganisationen veranstaltet.

Aufklärung rettet Leben

Kopf-Hals-Krebs ist derzeit die sechsthäufigste Krebsart weltweit und es treten jährlich bis zu 600.000 neue Fälle auf – davon ungefähr 18.000 in Deutschland. Männer erkranken zwei- bis dreimal häufiger als Frauen, doch auch bei Frauen ist die Tendenz steigend.

„Es ist von größter Bedeutung, dass bei der zunehmenden Häufigkeit und dem niedrigen Bewusstsein für die Erkrankung, weitere Aufklärungsarbeit über die Risiken und Präventionsmöglichkeiten geleistet wird“, so Professor Dr. med. Andreas Dietz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Leipzig und Vorstandsmitglied der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumore (IAG-KHT) innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe ist offizieller Partner der EHNS und organisiert die Aktivitäten in Deutschland rund um die Aktionswoche.

Was sind die Ursachen für die Entstehung von Kopf-Hals-Krebs? Vor allem übermäßiger Tabak- und Alkoholkonsum sind verantwortlich, da mehr als 90 Prozent der Kopf-Hals-Tumore in den Zellen der Schleimhaut von Mundhöhle, Zunge, Rachen und Kehlkopf entstehen.

  • Auch das Humane Papillom Virus (Subtyp 16) ist inzwischen ein bedeutender Risikofaktor – weshalb auch bei jungen Menschen, die kaum Tabak oder Alkohol konsumiert haben, die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, in den letzten Jahren angestiegen ist.

Symptome früh erkennen mit 1für3-Regel

Die häufigsten Symptome der Erkrankung sind unter anderem dauerhafte Lymphknotenschwellungen am Hals, Schluckbeschwerden mit unklarer Ursache und lang anhaltende Heiserkeit.

„Die Symptome lassen sich nur schwer von denen anderer, harmloserer Erkrankungen differenzieren. Die Diagnose durch den Facharzt erfolgt daher für den Großteil der Patienten immer noch zu einem zu späten Zeitpunkt“, so Professor Dietz.

  • 60 bis 70 Prozent der Kopf-Hals-Tumore werden erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. 

Wie bei allen Krebserkrankungen gilt jedoch: Je früher der Tumor entdeckt wird, desto besser lässt er sich behandeln. „Eine gute Orientierung bietet hier die „1 für 3“-Definition. Sobald ein Symptom länger als drei Wochen anhält, sollte medizinischer Rat eingeholt werden“, empfiehlt Dietz. Weitere Informationen zur „1 für 3“-Regel und den Risikofaktoren von Kopf-Hals-Krebs sind in einem Informationsblatt der EHNS zusammengestellt, das über die Internetseite www.kopf-hals-krebs.de abrufbar ist.

Patiententage mit Vorträgen und Informationsständen

Während der Aktionswoche sind Interessierte, Patienten und Angehörige eingeladen, sich am 23. September bundesweit in Kliniken und Kopf-Hals-Zentren über die Erkrankung, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.

Experten verschiedener Fachdisziplinen (Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Radioonkologie und internistische Onkologie) bieten Untersuchungen zur Früherkennung und Vorträge an sowie weiterführende Materialien und Beratung. Auch Vertreter von Patientenorganisationen stehen an Informationsständen für Fragen zur Verfügung.

In Deutschland werden die Veranstaltungen während der Aktionswoche u.a. von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Tumoren der DKG, der Arbeitsgemeinschaft Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie dem Bundesverband der Kehlkopflosen und Kehlkopfoperierten e.V., der Kopf-Hals-Tumorstiftung und dem biopharmazeutischen Unternehmen Merck Serono GmbH unterstützt.

Weitere Informationen zu Kopf-Hals-Krebs und zur Aktionswoche sowie Informationen zu den teilnehmenden Kliniken sind auf der Webseite zur Aktionswoche www.kopf-hals-krebs.de zusammengestellt. Hier stehen zudem kostenlose Informationsmaterialien der EHNS zum Download bereit.



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Gefährlich für Ihre Niere

Medizin am Abend Berlin Fazit:    Nichtsteroidale Antirheumatika: Nicht unproblematisch für die Nieren

Bei bestimmten „Risikopatienten“ (u.a. älteren Menschen, Patienten mit Nierenvorschädigungen oder Diabetikern) kann der unbedachte, dauerhafte Einsatz von freiverkäuflichen nichtsteroidale Antirheumatika die Nieren schädigen. Nephrologen raten zum vorsichtigen Einsatz. 
 
Schmerzmittel stehen heute in Deutschland mit ca. 960 Millionen Euro auf Platz zwei der umsatzstärksten Indikationsbereiche der Selbstmedikation (Bericht des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller BAH e.V. 2013, Bonn) [1]. 
  • Dabei handelt es ich in erster Linie um klassische freikäufliche Schmerz- und Fiebermittel, die nichtsteroidalen Antirheumatika - NSA(R). Dazu zählen beispielsweise Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac.
In den Verruf geraten sind NSAR in den 1970er-Jahren, als das NSAR Phenacetin vom Markt genommen werden musste, da es nach Langzeitgebrauch zum Krankheitsbild der Analgetika-Niere führte, oft mit der Folge Dialysepflichtigkeit. Danach kam es zum massiven Rückgang der Inzidenz dieses Nierenschadens, so dass manche Fachleute das Problem als gelöst betrachteten [2, 3].

Seit Jahren wird jedoch das akut und chronisch nephrotoxische Potenzial der verbliebenen NSAR untersucht, beschrieben und diskutiert [4, 5 6] und es zeigt sich zunehmend, dass NSAR keinesfalls als unproblematisch für die Nieren gelten können. 

Auch wenn das typische histopathologische Bild, wie es früher bei der Phenacetin-Niere gesehen wurde, aus dem Biopsiegut der Pathologen verschwunden ist, so sehen sich Nephrologen regelmäßig mit Patienten mit NSAR-geschädigten Nieren konfrontiert.

Es handelt sich dabei jedoch um ein viel komplexeres Krankheitsbild als die ehemalige reine Phenacetin-Niere, daher spricht man auch oftmals vom „Analgetika-Syndrom“, da die Nierenschädigung im Rahmen anderer Komorbiditäten auftritt. So lassen sich inzwischen Risikofaktoren nennen, die das Risiko eines renalen Analgetika-Schadens deutlich erhöhen [6, 7].

  • Dazu gehören vorbestehende Nierenerkrankungen oder eine (unbekannte) Nierenfunktionseinschränkung, wie sie auch physiologischerweise bei älteren Menschen auftritt. Menschen mit Erkrankungen, die ihrerseits mit einem erhöhten renalen Risiko einhergehen (wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Gefäßerkrankungen oder Herzinsuffizienz) und Patienten mit der Notwendigkeit einer jahrelangen oder hochdosierten NSAR-Therapie gehören ebenfalls zum gefährdeten Personenkreis (laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie weist ein Viertel der Deutschen Einschränkungen durch muskuloskelettale Erkrankungen auf, davon 10 Millionen behandlungsbedürftig [8]).

Auch Dehydratationszustände (Fieber, Diarrhoe, heißes Wetter) machen die Nieren anfälliger, da sie dann höheren Analgetikakonzentrationen ausgesetzt sind. Darüber hinaus sind Analgetika-Kombinationspräparate problematisch (höheres renales Risiko als bei Monopräparaten) und nicht selten auch die Arzneimittelkombinationen, die insbesondere bei Multimorbidität zum Einsatz kommen (müssen).

  • So steigt das Risiko für renale Analgetikaschäden bei gleichzeitiger Verabreichung von drei oder mehr Antihypertensiva nachweislich an [Lapi].

Auswege aus dem Dilemma sind nicht immer einfach, da chronische Erkrankungen wie Hypertonie oder rheumatische Leiden nicht unbehandelt bleiben können und dürfen.

Folgende Maßnahmen empfehlen die Nephrologie dennoch für alle Patienten:

1. Alternativen prüfen! Ist die regelmäßige NSAR-Einnahme wirklich notwendig oder können andere Schmerztherapien in Frage kommen (andere Substanzen, Akkupunktur, TENS/transkutane elektrische Nervenstimulation, physiotherapeutische Maßnahmen)?

2. Viel trinken! Grundsätzlich soll auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden (1,5 l), um die Analgetikakonzentration, die die Nieren durchströmt, gering zu halten; bei verschiedenen Begleitumständen (wie fortgeschrittenen Niereninsuffizienz und Herzinsuffizienz) muss jedoch gegebenenfalls eine therapeutische Flüssigkeitsrestriktion erfolgen, dann sollte die Trinkmenge individuell vom Nephrologen festgelegt werden.

3. Besser Gels & Cremes statt Tabletten! Bei vielen Patienten kann die lokale Applikation von NSAR als Cremes, Gel oder Spray über die Kühlwirkung hinaus eine wirksame Alternative darstellen, die nicht vergessen werden sollte [9, 10, 11, 12]. Zwar werden auch bei topischer NSAR-Anwendung messbare Substanzspiegel im Blutplasma erreicht, sie liegen jedoch 50- bis 100fach unter denen bei systemischer Gabe. Die Konzentrationen, die im Gelenk bzw. im umgebenen Gewebe (Synovialflüssigkeit) erreicht werden, können bei geeigneten Präparaten dabei sehr wirksam sein.


Literatur

[1] www.bah-bonn.de
[2] Mihatsch MJ, Khanlari B, Brunner FP. Obituary to analgesic nephropathy--an autopsy study. Nephrol Dial Transplant 2006; 21 (11): 3139-45
[3] Michielsen P. In memoriam 'analgesic nephropathy' (circa 1972-2006). Nephrol Dial Transplant 2007; 22 (4): 999-1001
[4] Naidoo S, Meyers AM. Drugs and the kidney. S Afr Med J 2015; 105 (4): 2683
[5] Pazhayattil GS, Shirali AC. Drug-induced impairment of renal function. Int J Nephrol Renovasc Dis 2014; 7: 457-68
[6] Moore N, Pollack C, Butkerait P. Adverse drug reactions and drug-drug interactions with over-the-counter NSAIDs. Ther Clin Risk Manag 2015 Jul; 11: 1061-75
[7] Lapi F, Azoulay L, Yin H et al. Concurrent use of diuretics, angiotensin converting enzyme inhibitors, and angiotensin receptor blockers with non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of acute kidney injury: nested case-control study. BMJ 2013;346:e8525
[8] DGR Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Rheuma in Zahlen. http://dgrh.de/1726.html
[9] Sandholzer H, Kochen MM. Perkutane Rheumatherapie. Pharma-kritik 1991; 13 (4):13-16
[10] Heyneman CA, Lawless-Liddy C, Wall GC. Oral versus topical NSAIDs in rheumatic diseases. Drugs 2000; 60 (3): 555-74
[11] Zacher J, Burger KJ, Färber L et al. Topisches Diclofenac Emulgel versus orales Ibuprofen in der Therapie der aktivierten Arthrose der Fingergelenke. Doppelblinde, kontrollierte, randomisierte Studie. Akt Rheumatol 2001; 26: 7-14
[12] El-Hadidi T, El-Garf A. Double-blind study comparing the use of Voltaren Emulgel versus regular gel during ultrasonic sessions in the treatment of localized traumatic and rheumatic painful conditions. J Int Med Res 1991; 19: 219-27

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