Debatte um Pränatal- und Gendiagnostik

Medizin am Abend Fachlink:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804574.pdf


Die Bundesregierung befürwortet eine gesellschaftliche Debatte über neue Methoden zur Früherkennung genetisch bedingter Krankheiten. Der medizinische Fortschritt stelle die Gesellschaft immer wieder vor ethische Grundsatzfragen. Dies gelte in besonderem Maße für die Möglichkeiten der Pränatal- und Gendiagnostik, schreibt die Regierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten aller vier Bundestagsfraktionen über die neue vorgeburtliche Blutuntersuchung zur Feststellung des Down-Syndroms.

Seit 2012 können Schwangere in Deutschland mit einer einfachen Blutuntersuchung feststellen lassen, ob ihr Kind mit Down-Syndrom geboren wird. Bei dieser genetisch bedingten Erkrankung, auch Trisomie 21 genannt, kommt das Kind geistig behindert zur Welt. Bislang müssen werdende Eltern diese kostspielige Blutuntersuchung selbst bezahlen.

Im April 2014 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, im Fall des neuen Bluttests (Nichtinvasive Pränataldiagnostik zur Bestimmung des Risikos von fetaler Trisomie 21 mittels molekulargenetischer Tests) sowie für drei weitere Methoden das Beratungsverfahren für eine Erprobungsrichtlinie einzuleiten. Am Ende des Verfahrens könnten die Kosten für die Bluttests in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden. Dies ist aus ethischen Gründen umstritten. Die Beratungen im G-BA über die Einleitung der Erprobungsrichtlinie dauern derzeit noch an.

Um den ethischen Fragestellungen gerecht zu werden, die mit dem Thema verbunden sind, wolle der G-BA Vertreter des Deutschen Ethikrates in die Beratungen einbeziehen. Dies und die derzeit geführte gesellschaftliche Debatte würden von der Bundesregierung begrüßt.

Die Abgeordneten bemängeln in ihrer Anfrage, das Erprobungsverfahren lasse bislang keinen Raum für die notwendige gesellschaftliche Diskussion. Die Kostenübernahme wäre jedoch ein relevanter Schritt auf dem Weg zu einer Routineuntersuchung auf Down-Syndrom während der Schwangerschaft. Damit könnte die Erwartung verbunden sein, das Testangebot auch zu nutzen. Auf diese Weise würde möglicherweise Druck erzeugt, ein „perfektes Kind“ zu gebären. Es könnte zu vermehrten Schwangerschaftsabbrüchen kommen. 

Die Regierung weist darauf hin, dass mit dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) von 2009 umfassende und verbindliche Regelungen getroffen worden seien, „um die mit der Untersuchung menschlicher genetischer Eigenschaften verbundenen möglichen Gefahren von genetischer Diskriminierung zu verhindern und gleichzeitig die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen zu wahren“. So würden den Frauen schon seit Jahren Untersuchungen angeboten, die neben der Kontrolle des Schwangerschaftsverlaufs auch die gezielte Suche nach Fehlbildungen oder chromosomalen Auffälligkeiten des ungeborenen Kindes beinhalteten (zum Beispiel Fruchtwasseruntersuchungen).

Es sei eine einheitliche Regelung getroffen worden, die unabhängig davon gelte, mit welcher Methode - invasiv und nichtinvasiv - die vorgeburtliche genetische Untersuchung vorgenommen werde. Demnach gelte, dass sowohl vor als auch nach einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung eine entsprechende Beratung stattfinden müsse, schreibt die Regierung in ihrer Antwort.
Das Angebot für eine Blutuntersuchung auf Down-Symptomatik beinhalte für sich genommen „keine negative Wertung, Stigmatisierung oder Stereotypisierung“, schreibt die Regierung weiter. Die Aufgabe bestehe darin, „werdende Eltern zu stärken, sich für ein behindertes Kind zu entscheiden“. Die Regierung ziele auf ein sich wandelndes gesellschaftliches Verständnis ab, das Behinderung nicht als krankhafte Störung definiere, „sondern auf Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention positiv als Teil der Vielfalt der Gesellschaft“.
Bundesweite Daten über lebend geborene Kinder mit Trisomie 21 liegen den Angaben zufolge nicht vor.

Nach der Pränataldiagnostik von Krankenhausgeburten (98 Prozent aller Geburten) lag der Anteil der Risikoschwangerschaften im Jahr 2013 bei 34,9 Prozent.

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Drogentote

Medizin amAbend Fazit: Zahl der Drogentoten auch 2014 weiter gestiegen

Drogenbeauftragte der Bundesregierung übernimmt BDK-Forderungen nach einer verbesserten Substitution und einer Generik-Klausel

Die Zahl der polizeilich erfassten Fälle von Rauschgiftkriminalität ist in 2014 im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent gestiegen und hat mit 276.734 Fällen wieder das Niveau des Jahres 2005 erreicht.

Die Anzahl der Erstauffälligen Konsumenten harter Drogen nahm um rund fünf Prozent (20.120 Konsumenten), die der Tatverdächtigen um knapp zehn Prozent (228.110 Tatverdächtige) zu. Die sichergestellten Drogenmengen (z.B. Heroin: 780 kg, Kokain: 1.568 kg, Amphetamin: 1.341 kg, Crystal: 73 kg, Marihuana: 8.515 kg) sind nochmals deutlich gestiegen.

"Drogenkriminalität ist Kontrollkriminalität. Für diese Aufgabe steht der Polizei in allen Bundesländern aber zunehmend weniger Personal zur Verfügung. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben wird das Personal von den Rauschgiftdienststellen abgezogen und bei der Bekämpfung anderer Kriminalitätsdelikte eingesetzt. Die vom Bundeskriminalamt heute genannten Sicherstellungsmengen bilden die wirklichen Drogenmengen in Deutschland nicht mal ansatzweise ab", so der Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter André Schulz heute in Berlin.

Der BDK geht davon aus, dass hochgerechnet etwa 283.000 Erwachsene einen Missbrauch und 319.000 Erwachsene eine Abhängigkeit im Zusammenhang mit dem Konsum der illegalen Drogen Cannabis, Kokain oder Amphetamine in Deutschland aufweisen.

"Nach kriminalistischer Erfahrung benötigt jeder dieser Konsumenten pro Tag mindestens 1 Gramm der jeweiligen Substanzen. Hochgerechnet bedeutet dies, dass nur von dieser Gruppe pro Jahr ca. 219.000.000 Gramm, also 219 Tonnen, Drogen konsumiert werden. Die tatsächliche Zahl der Konsumenten ist dabei noch um ein Vielfaches höher", so BDK-Chef Schulz weiter.

Die Zahl der Drogentoten stieg in 2014 um drei Prozent auf 1.032 an. Bemerkenswert ist dabei die um das Fünffache gestiegene Anzahl der Todesfälle nach dem Konsum Neuer Psychoaktiver Stoffe (NPS), den so genannten "Legal Highs".

"Die steigende Anzahl der Drogentoten stimmt nachdenklich. Der BDK hat im Rahmen der aktuellen Diskussion über die aktuelle Drogenpolitik im politischen Raum bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Substitutionspraktiken auf den Prüfstand gehören, dazu gehört z.B. eine belastbare Substitutionsinfrastruktur mit einhergehender psychosozialer Betreuung. Wir begrüßen daher, dass die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler hier einen Tätigkeitsschwerpunkt erkannt hat", so Schulz.

Der BDK hat in der Vergangenheit immer vor den Folgen der neuen psychoaktiven Substanzen gewarnt und die Diskussion über eine sogenannte Generik-Klausel im Betäubungsmittelgesetz, die ganze Stoffgruppen den Anlagen des BtMG unterstellt, gefordert.

"Bereits der einmalige Konsum dieser hochwirksamen Substanzen kann unter bestimmten Bedingungen schon zu schwersten psychischen Krankheitsbildern und Verhaltensmuster führen", so Schulz. "Der Begehung von gemeingefährlichen Straftaten durch Täter, die unter Einfluss dieser neuen hochwirksamen Substanzen stehen, darf kein Vorschub geleistet werden. Der BDK begrüßt aus diesen Gründen alle Maßnahmen, die nachweislich wirksam sind, um die von diesen Substanzen ausgehenden Gefahren einzudämmen und ihre Verbreitung und ihren Konsum zu reduzieren", so BDK-Chef Schulz.


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Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Telefon: +49 700 235 10000  http://www.bdk.de/

Krankheitstage in Sozialberufen - Präventationsgesetz


Medizin am Abend Fazit:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804588.pdf

Krankheitstage in Sozialberufen

In der Branche der Sozial- und Erziehungsberufe gibt es überdurchschnittlich viele Fälle von Arbeitsunfähigkeit. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage.. So seien dort bei je 100 Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) 128,4 Arbeitsunfähigkeitsfälle registriert worden, während der allgemeine Durchschnitt bei 116,6 Fällen pro 100-GKV-Mitgliedern liege. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeitsfälle liege jedoch etwa einen Tag unterhalb des Durchschnittswertes der Gesamtwirtschaft, heißt es in der Antwort weiter.

Das von der Bundesregierung vorgelegte Präventionsgesetz +++

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804282.pdf

Entwurf

wird von Gesundheits- und Sozialexperten im Grundsatz begrüßt, allerdings als nicht weitreichend genug bewertet. Gesundheitsförderung und Vorbeugung müssten als Querschnittsaufgabe verstanden und in allen Gesellschaftsbereichen gezielt verankert werden, gaben Sachverständige bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch im Bundestag sowie in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu bedenken. Scharf kritisiert werden auch die aus Expertensicht unzureichende Einbindung der Privaten Krankenversicherung (PKV) in das Gesetzesvorhaben sowie die herausgehobene Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die Reform ist an sogenannten Lebenswelten orientiert, Gesundheitsförderung und Prävention sollen auf jedes Lebensalter und in alle Lebensbereiche ausgedehnt werden. Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden ab 2016 mehr als verdoppelt auf sieben Euro je Versicherten pro Jahr. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen stehen künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.

Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen weiterentwickelt werden. Zur Beratung gehört die Klärung des Impfstatus. Im Rahmen einer Nationalen Präventionskonferenz sollen sich die Sozialversicherungsträger unter Beteiligung des Bundes, der Länder, Kommunen und Sozialpartner auf ein Vorgehen verständigen. Die Prävention soll dazu beitragen, „Volkskrankheiten“ wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Schwächen oder Adipositas einzudämmen und die Menschen zu einem gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung zu bringen.

Nach Ansicht der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) muss der Leitgedanke der Gesundheitsförderung in alle Politikfelder eingebracht werden. Nur so könne die Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe für das politische Handeln gleichberechtigt neben andere solche Aufgaben treten. Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) argumentierte, weil das Gesetz nicht gesamtgesellschaftlich ausgestaltet sei, werde viel Potenzial verschenkt. Die geplanten 35 Millionen Euro pro Jahr für Beratungs- und Unterstützungsleistungen der BZgA seien überdimensioniert. Problematisch sei zudem, wenn ein Vertragspartner vorgeschrieben werde, bei dem es sich um eine nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums handele.

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin wäre es optimal, wenn die Gesundheitsförderung in den Alltag der Kitas und in die Rahmenpläne der Schulen eingebunden würde, darunter auch in Fragen der Ernährung, Bewegung, Unfallprävention sowie Schutz vor Lärm und Schadstoffen. Auf die vielen psychischen Erkrankungen verwies der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp). Kinder verdienten dabei wegen der Langzeitfolgen besondere Aufmerksamkeit. Die Gesundheitsuntersuchungen für Kinder sollten entsprechend ausgeweitet werden.

Die Ärzteverbände verlangten, an der Präventionskonferenz beteiligt zu werden.

Die Zahnärzte forderten eine deutlich bessere Kariesvorbeugung im Kleinkindalter. Auf die Notwendigkeit des Zahnarztbesuches werde bei den Vorsorgeuntersuchungen (U) kaum eingegangen. Dies müsse verbindlich geregelt werden, da die Karieswerte bei kleinen Kindern seit Jahren auf hohem Niveau stabil blieben. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) bezweifelt den Sinn von Bonusprogrammen der Krankenkassen für gesundheitsbewusstes Verhalten. Die Erfahrung zeige, dass bildungsferne Familien und solche mit Migrationshintergrund von Bonusangeboten nicht erreicht würden. Die Gelder sollten daher besser direkt in die Prävention fließen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schlug vor, den Bonus nicht in bar, sondern als Sachleistung zu gewähren oder in einem „Gesundheitssparkonto“ gutzuschreiben, um eine Zweckbindung zu erreichen. Der DIHK befürchtet im Übrigen mehr Bürokratie und Mehrausgaben, die zu höheren Beitragssätzen führen könnten. Das sieht der AOK-Bundesverband auch so und beklagt, die Lasten würden letztlich allein den gesetzlich Krankenversicherten über den Zusatzbeitrag auferlegt. Die Krankenkassen, die keinerlei Zuständigkeit für die Gestaltung der Lebensverhältnisse hätten, müssten nun mit einem hohen bürokratischen Aufwand eine Präventionsstrategie entwickeln.

Auf die Benachteiligung sozial schwacher Bevölkerungsteile wies die Caritas hin. Gesundheitliche Belastungen, Krankheitsrisiken und Ressourcen seien „höchst ungleich verteilt“. Gesundheitsförderung müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, wobei Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger gemeinsam eine Strategie entwickeln, finanzieren und umsetzen sollten. Zu den Gesundheitszielen sollte die Eindämmung des Alkoholkonsums zählen. Ferner seien „präventive Hausbesuche“ sinnvoll, um ältere Menschen vor Depression, Vereinsamung oder Mangelernährung zu bewahren.


Der Sozialverband Deutschland forderte eine stärkere Einbindung der PKV. Problematisch sei ferner, dass die Gesundheitsförderung von den Krankenkassen als Satzungsleistungen angeboten werden solle. Damit werde sie zum Wettbewerbsinstrument. Sinnvoll wäre es, die Prävention in den Regelleistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen.

Der Arbeitgeberverband BDA sieht in dem Reformprojekt lediglich ein begrenztes Wirkungspotenzial, da jene Menschen nicht erreicht würden, die am meisten von den Angeboten profitieren könnten. Inakzeptabel sei, dass die Krankenkassen mit einer „Zwangsabgabe“ Maßnahmen der BZgA finanzieren müssten. Die pauschale Anhebung der Präventionsausgaben sei zudem ein massiver Eingriff in die Entscheidungs- und Finanzautonomie der Kassen.
Auch der GKV-Spitzenverband kritisierte die „unnötige“ Einschränkung der Selbstverwaltungskompetenzen der Krankenkassen. Zudem bestehe eine „erhebliche Ungleichbehandlung von GKV und PKV“. Der verpflichtende Auftrag an die BZgA werde strikt abgelehnt. Wenn der Bund diese Bundesbehörde stärken wolle, müsse er das selbst finanzieren. Die Betriebskrankenkassen (BKK) lehnen eine „Quersubventionierung“ der BZgA mit Beitragsmitteln ebenfalls kategorisch ab.

Der Einzelsachverständige Ulf Fink merkte an, dass nun schon seit vielen Jahren um ein Präventionsgesetz gerungen werde. Vier Versuche seien gescheitert. Die Zeit sei nunmehr „überreif“ für ein Gesetz, das einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen bringen müsse. Er nannte in dem Zusammenhang auch die Themen Alkohol und Zigaretten. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf könne nur ein Anfang sein.