360° Top-Thema: Bluttest zum Down-Syndrom - vorgeburtliche Blutuntersuchung

Medizin am Abend Fazit: Umstrittener Bluttest zum Down-Syndrom

Gesundheit/Kleine Anfrage

In einer interfraktionellen Kleinen Anfrage 18/4406 erkundigen sich Abgeordnete aller vier Bundestagsfraktionen über die neue vorgeburtliche Blutuntersuchung zur Feststellung des Down-Syndroms. Seit 2012 können den Angaben zufolge Schwangere in Deutschland mit einer einfachen Blutuntersuchung feststellen lassen, ob ihr Kind mit Down-Syndrom geboren wird. Bei dieser genetisch bedingten Erkrankung, auch Trisomie 21 genannt, kommt das Kind geistig behindert zur Welt.

Bislang müssten werdende Eltern diese Blutuntersuchung selbst bezahlen, heißt es in der Anfrage. Die Gesetzlichen Krankenkassen übernähmen die Kosten nur in Einzelfällen. Im April 2014 habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, im Fall der Bluttests das Beratungsverfahren für eine Erprobungsrichtlinie einzuleiten. Am Ende des Verfahrens könnten die Kosten für die Bluttests in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden.

Das Erprobungsverfahren lasse bislang keinen Raum für die notwendige gesellschaftliche Diskussion. Die Kostenübernahme wäre jedoch ein relevanter Schritt auf dem Weg zu einer Routineuntersuchung auf Down-Syndrom während der Schwangerschaft. Damit könnte die Erwartung verbunden sein, dieses Testangebot auch zu nutzen. Auf diese Weise würde möglicherweise Druck erzeugt, ein „perfektes Kind“ zu gebären, geben die Abgeordneten zu Bedenken.

Es könnte zu vermehrten Schwangerschaftsabbrüchen kommen.

Die Abgeordneten wollen nun unter anderem konkret wissen, wie sich die Zahl der mit Trisomie 21 geborenen Kinder in den vergangenen Jahren entwickelt hat und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem neuen Bluttest vorliegen.

Glutamat-Rezeptor und mein Gehirn

Medizin am Abend Fazit: Bestimmter Glutamat-Rezeptor unterstützt optimale Informationsverarbeitung im Gehirn

Lernen und Gedächtnisbildung faszinieren die Forschung seit langem, und noch immer sind viele Fragen ungeklärt. Die Bochumer Neurowissenschaftler Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan und Dr. Hardy Hagena sind jetzt einem weiteren Baustein dieses komplexen Prozesses auf die Spur gekommen. Ein bestimmter Rezeptor, der metabotrope Glutamat 5-Rezeptor, dient als Schalter, um im Hippokampus, einer für das Gedächtnis entscheidenden Gehirnregion, gegensätzliche Formen der Anpassung zu aktivieren. Sie berichten in der aktuellen Ausgabe des „Journal of Neuroscience“. 
 
Kontaktstellen zwischen Nervenzellen verarbeiten verschiedene Informationen

Die Gehirnregion um den Hippokampus ist entscheidend an der Gedächtnisbildung und der Verarbeitung räumlicher Informationen beteiligt. Der Hippokampus selbst lässt sich in verschiedene Regionen unterteilen: den Gyrus dentatus, Cornu ammonis (CA) 3 und CA1. Die zu verarbeitenden Informationen durchlaufen wie in einer Einbahnstraße nacheinander diese drei Regionen, wobei jede Region unterschiedliche räumliche Informationen der Umwelt verarbeitet. Eine besondere Rolle spielt hierbei CA3. Sie erhält zum einen Informationen über die sogenannten Moosfasern (MF), die aus Nervenzellen des Gyrus dentatus stammen und mit den Pyramidenneuronen in CA3 Kontaktstellen bilden, die Synapsen, in diesem Fall MF-CA3-Synapsen. Zum anderen kommunizieren aber auch Nervenzellen aus der CA3-Region sowohl derselben als auch der benachbarten Gehirnhälfte über bestimmte Fasern – die assoziativ/commissural (AC)-Fasern – auf CA3-Zellen und bilden hier die AC-CA3-Synapsen. „Wir haben bereits gezeigt, dass diese zwei Synapsen unterschiedliche Arten von Informationen verarbeiten und dass diese unterschiedliche Art der Informationsverarbeitung vermutlich verantwortlich dafür ist, dass die CA3-Region eine wichtige Rolle beim Arbeitsgedächtnis sowie bei der ‚pattern completion‘ spielt, einem Vorgang, der dazu dient, dass wir eine gesamte und komplexe Erinnerung aus einem kleinen Fragment wiederherstellen können“, erklärt Hardy Hagena.

Anpassung an Anforderungen: synaptische Plastizität

Doch wie kommt es dazu, dass Informationen an MF-CA3- und AC-CA3-Synapsen unterschiedlich verarbeitet werden? Auf Ebene der Nervenzellen führt die Verarbeitung von Informationen zu einer Anpassung an die Anforderungen, also praktisch einem Gedächtniseffekt. Die Forscher sprechen von synaptischer Plastizität. Sie äußert sich in zwei Formen: als Langzeitpotenzierung (long-term potentiation, LTP), einer Verstärkung der synaptischen Übertragung, und als Langzeitdepression (long-term depression, LTD), einer Abschwächung der synaptischen Übertragung. Sowohl LTP als auch LTD codieren dabei verschiedene Arten von räumlichen Informationen. Vorangegangene Studien haben für verschiedene Hirnregionen gezeigt, dass der metabotrope Glutamat 5-Rezeptor (mGlu5-Rezeptor) eine bedeutende Rolle bei dieser lang anhaltenden Form der synaptischen Plastizität spielt.

Wie der Rezeptor die Gedächtnisbildung beeinflusst

„Aufgrund dieser Erkenntnisse war es besonders interessant herauszufinden, ob und inwiefern der mGlu5-Rezeptor die synaptische Plastizität und damit auch die Gedächtnisbildung in der CA3-Region beeinflusst“, erklärt Hagena. Die Forscher schalteten den Rezeptor pharmakologisch in MF-CA3-Synapsen aus und stimulierten dann die entsprechenden informationsübertragenden Fasern. Daraufhin stellten sie zwar keine LTP mehr fest, konnten aber weiterhin LTD beobachten. Im Gegensatz dazu kam es bei Ausschaltung des mGlu5-Rezeptors in AC-CA3-Synapsen zu einer Blockierung von LTD, aber nicht von LTP. „Diese Ergebnisse zeigen, dass bei einer Aktivierung des mGlu5-Rezeptors vorzugsweise LTP in den MF-CA3-Synapsen und LTD in den AC-CA3-Synapsen hervorgerufen wird“, folgern die Forscher.

Faszinierender Einblick in die Funktionsweise der Hippokampusregion

„Diese Ergebnisse erlauben uns einen faszinierenden Einblick in die Funktionsweise und Regulierung synaptischer Plastizität in der CA3-Region des Hippokampus“, so die Bilanz der Forscher. „Besonders interessant ist der Einfluss des mGlu5-Rezeptors, der bei Aktivierung, z.B. bei Lernvorgängen, bei der Verarbeitung neuer Informationen der Umwelt oder auch während Prozessen wie der ‚pattern completion‘ die Richtung der synaptischen Plastizität vorgibt, indem LTP bevorzugt an MF-CA3-Synapsen hervorgerufen wird und LTD an AC-CA3-Synapsen.“

Diese gegensätzliche Regulation der synaptischen Plastizität unterstützt eine optimale Informationsverarbeitung und -speicherung und unterstreicht die einzigartige Rolle dieser Region bei Lernvorgängen und der Gedächtnisbildung.

Titelaufnahme

H. Hagena, D. Manahan-Vaughan (2015): mGlu5 acts as a switch for opposing forms of synaptic plasticity at mossy fiber-CA3 and commissural associational-CA3 Synapses, The Journal of Neuroscience, DOI: 10.1523/JNEUROSCI.3417-14.2015

Medizin am Abend DirektKontakt

Dr. Hardy Hagena, Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan, Abteilung für Neurophysiologie, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22042, hardy.hagena@rub.de; Denise.Manahan-Vaughan@rub.de
Dr. Julia Weiler Ruhr-Universität Bochum Redaktion: Meike Drießen

Phantomschmerz: Prothesentraining - Probanden mit Unterschenkel-Amputation gesucht

Medizin am Abend Fazit: Bessere Prothesen – weniger SchmerzArbeitsgruppe „Phantomschmerz“ der Universität Jena sucht Probanden mit Unterschenkel-Amputation 

Nach Amputation eines Armes oder Beines leiden viele Betroffene an oftmals schwer behandelbaren Phantomschmerzen in dem nicht mehr vorhandenen Körperteil. Neue Hoffnungen vermittelt hier ein von der Arbeitsgruppe „Phantomschmerz“ um Prof. Dr. Thomas Weiss vom Lehrstuhl für Biologische und Klinische Psychologie der Universität Jena (Leitung Prof. Dr. W. Miltner) entwickeltes Prothesentraining. Bei diesem 14-tägigen Training erlernten Unterarmamputierte mit Hilfe einer umgebauten herkömmlichen Prothese Greifbewegungen mit ihrer Prothese durch Rückmeldung der Griffstärke effizient zu kontrollieren. Daneben beobachtete man bei vielen Trainingsteilnehmern eine deutliche Linderung der Phantomschmerzen.

Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden inzwischen auch bei Patienten mit Amputation des Unterschenkels (unterhalb des Knies) angewandt. „Auch bei diesen Patienten, die wir mit einer vergleichbar umgebauten Unterschenkelprothese während eines ebenfalls 14-tägigen Trainings behandelten, konnten wir eine Linderung der Phantomschmerzen im Fuß und Unterschenkel beobachten. Auch das Gehen mit der Prothese auf unebenem Untergrund wurde deutlich verbessert“, so Prof. Weiss. In dieses Trainingsprogramm können aktuell zusätzliche Patienten nach Unterschenkelamputation im Alter zwischen 18 und 70 Jahren aufgenommen werden. Es spielt dabei keine Rolle, wie lang die Amputation zurück liegt.

Interessierte können sich über das Sekretariat des Lehrstuhls oder per E-Mail melden. Das Projekt wird von der Gesetzlichen Unfallversicherung Deutschland unterstützt. Teilnehmer, deren Rehabilitation durch die Berufsgenossenschaft gefördert wird, können auf Antrag für die Zeit der Trainingsteilnahme freigestellt werden.

Medizin am Abend DirektKontakt:

Prof. Dr. Thomas Weiss
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Lehrstuhl für Biologische und Klinische Psychologie
Am Steiger 3, Haus 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945140
E-Mail: thomas.weiss[at]uni-jena.de

Bianca Wiedemann M.A.