Langzeitstudien zu Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten-Impfung

Medizin am Abend Fazit: Je höher die Impfquote, desto seltener der plötzliche Kindstod

Hintergrund-Fachlink:

http://www.praxisvita.de/impfungen-die-haeufigsten-fragen

Aussagen von Langzeitstudien zu Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten-Impfung

Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnten bei der Auswertung langfristiger Erhebungen einen statistischen Zusammenhang zwischen Impfverhalten und der Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes feststellen. Innerhalb der vergangenen 40 Jahre schwankte in den USA die Impfquote entsprechend gesellschaftlicher Trends. Die Kindstodrate steht dabei in einem umgekehrten Verhältnis zur Impfabdeckung gegen Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten. Veröffentlicht sind die Ergebnisse der Studie im Fachmagazin BMC Pediatrics*. 

 
Die Fälle von plötzlichem Kindstod gehen kontinuierlich zurück, dennoch bleiben sie ein Hauptgrund für den Tod von Säuglingen weltweit. Die Ursache ist weiterhin nicht bekannt, besonders gefährdet sind Neugeborene im ersten Lebenshalbjahr. Genau in diesen Zeitraum fallen die Impfungen gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Polio oder Haemophilus influenzae. Entgegen der Befürchtung von Impfskeptikern, Immunisierungen zögen Komplikationen oder ein erhöhtes Kindstodrisiko nach sich, zeigen die Zahlen der amerikanischen Impfbehörden und Gesundheitszentren ein anderes Bild: „Unsere Untersuchung ist als Hinweis zu sehen, dass die klassischen Impfungen im Säuglingsalter gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Polio oder Haemophilus influenzae nicht mit einem erhöhten Risiko für einen plötzlichen Kindstod verbunden sind. Sie scheinen sogar eher einen schützenden Effekt zu haben“, sagt Prof. Dr. Jacqueline Müller-Nordhorn, Leiterin und Sprecherin der Berlin School of Public Health (BSPH).

Bei der Suche nach signifikanten Veränderungen hinsichtlich der Sterblichkeitsrate durch plötzlichen Kindstod haben die Forscher zahlreiche Daten einbezogen, darunter auch Studien zur Schlafposition von Säuglingen im selben Zeitraum. Besonders deutlich wird in der aktuellen Untersuchung ein zeitlicher Kontext zu Impfempfehlungen oder gesellschaftlichen Stimmungen. In den 70er und 80er Jahren sinken in den USA die Impfquoten, verantwortlich sind Verunsicherungen in der Bevölkerung. Gleichzeitig steigt die Sterblichkeitsrate durch Kindstod um 27 Prozent zwischen 1968 und 1971 und um 47 Prozent zwischen 1971 und 1974. Später sinkt die Häufigkeit des Kindstodes wieder, beispielsweise um acht Prozent zwischen den Jahren 1991 und 2001. Der Trend ist eindeutig: Bei steigenden Impfquoten sinken zeitgleich die Fälle von plötzlichem Kindstod. Eine 10 Prozent höhere Quote in einer Bevölkerung, hier am Beispiel USA, verringert die Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes um fast 10 Prozent.

Befürchtungen und Ängste bestimmen auch in Deutschland die Impfentscheidung von Eltern, wie die aktuell geführte Debatte um die Masernimpfung in Deutschland zeigt. Ein Beispiel ist der inzwischen mehrfach widerlegte Zusammenhang zwischen einer Masernimpfung und dem Entstehen von Autismus. Im Fall von Keuchhusten hat ein ebenfalls fälschlich kolportiertes, vermeintliches Risiko für Hirnschäden zu einem deutlichen Rückgang der Impfquoten in den 70er und 80er Jahren geführt. Medizinische Studien konnten in den Folgejahren kein solches Risiko feststellen. Impfquoten schwanken demnach entsprechend öffentlicher Meinung und Expertenempfehlungen. „In einigen Ländern, darunter Deutschland, wurde die Keuchhusten-Impfung sogar zeitweise aus den Empfehlungen herausgenommen und beispielsweise erst im Jahr 1991 wieder eingeführt“, so Müller-Nordhorn. Zahlen belegen: Parallel zur Wiederaufnahme der Keuchhusten-Impfung sinkt auch hier die Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes. Wichtig im Falle jeder Schutzimpfung im Kindesalter ist allerdings nicht nur das „ob“, sondern auch das „wann“, also die Impfung im richtigen Zeitfenster. „Besonders tragisch wäre es, wenn Eltern die Impfungen hinauszögerten, um ihre Kinder vermeintlich zu schützen und damit möglicherweise das Gegenteil bewirken“, erklärt Müller-Nordhorn.

*Jacqueline Müller-Nordhorn, Chih-Mei Hettler-Chen, Thomas Keil, Rebecca Muckelbauer. Association between sudden infant death syndrome and diphtheria-tetanus-pertussis immunisation: an ecological study. BMC Pediatrics, Jan. 2015. doi: 10.1186/s12887-015-0318-7

Medizin am Abend DirektKontakt:

Prof. Dr. Jacqueline Müller-Nordhorn
Leiterin der Berlin School of Public Health (BSPH)
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 570 872
jacqueline.mueller-nordhorn@charite.de
Dr. Julia Biederlack Charité – Universitätsmedizin Berlin

Weitere Informationen für die Medizin am Abend Beteiligten:
http://www.charite.de
http://bsph.charite.de/

Pille danach - Selbstmedikation - Zwischenstand

Medizin am Abend: "Pille danach": Rasantes Wachstum um 31 %

ErgänzungsLink: 

http://www.praxisvita.de/die-heilkraft-der-babypflanzen#

Seit zwei Wochen können Frauen die "Pille danach" ohne Rezept in der Apotheke kaufen. Wie der Branchendienst APOTHEKE ADHOC berichtet, wurden alleine in der ersten Woche fast ein Drittel mehr Packungen abgegeben als bislang üblich.
Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens IMS Health wurden in der 12. Kalenderwoche 13.500 Packungen der "Pille danach" in den Apotheken abgegeben. Hochgerechnet auf den ganzen Monat entspricht das 54.000 Packungen. Verglichen mit 41.000 Packungen im März 2014 ergibt sich ein Anstieg von 31 Prozent.

Zwar sind beide Wirkstoffe rezeptfrei. In der Selbstmedikation wurde bislang allerdings nur EllaOne (Ulipristal) abgegeben. Die Apotheken waren wegen der unklaren Rechtslage zu den noch nicht umgestellten Packungen der "Pille danach" mit Levonorgestrel offenbar vorsichtig.

Trotz des markanten Anstiegs erwartet der Hersteller HRA Pharma auf das Jahr gerechnet geringere Zuwächse. Im Startmonat März sei wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit mehr zu erwarten gewesen, die Kurve werde aber abflachen, sagt HRA-Deutschlandchef Klaus Czort. Der Hersteller hatte mehr als 100.000 Packungen ausgeliefert.

Wachstumspotential für die Zukunft sieht Czort dennoch: In Deutschland gebe es einen Bedarf für den Fall von Risikosituationen - dazu zählen alle Arten von Verhütungspannen sowie ungeschützter Verkehr - von 2,4 Millionen Packungen pro Jahr. Davon sei man mit zuletzt 400.000 Packungen im Jahr noch sehr weit entfernt, so Czort.

Die Apotheken kommen mit der neuen Aufgabe offenbar gut zurecht. Mehrere Testkäufe bescheinigten, dass Abgabe und Beratung meist nach dem Leitfaden der Bundesapothekerkammer (BAK) durchgeführt werden.

Den vollständigen Beitrag sowie ausführliche Hintergrundinformationen finden Sie unter: www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/wissenschaft/nachricht-detail-wissenschaft/pille-danach-ellaone-apotheke-levonorgestrel-otc-bfarm-hra-31-prozent/
 
APOTHEKE ADHOC ist der unabhängige Branchendienst für den Apotheken- und Pharmamarkt.

Medizin am Abend DirektKontakt

APOTHEKE ADHOC Skalitzer Straße 68 10997 Berlin Telefon: +49 - 30 - 80 20 80 560 Fax: +49 - 30 - 80 20 80 569 E-Mail: info@apotheke-adhoc.de

ADHS - traumatische Gehirnverletzungen: Methylphenidat oder Atomoxetin

Medizin am Abend Fazit: Kinder und Jugendliche mit ADHS - Gehirnverletzungen sind seltener bei Einnahme von Medikamenten

Kinder und Jugendliche, die an der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden, haben ein geringeres Risiko für traumatische Gehirnverletzungen, wenn sie Methylphenidat oder Atomoxetin einnehmen. Dies zeigt eine Langzeitstudie zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS durchgeführt hat. Die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts sind jetzt im amerikanischen Journal für Kinderheilkunde JAMA Pediatrics erschienen. 
 
Es ist bekannt, dass Menschen mit ADHS häufiger unfallbedingte Verletzungen, wie zum Beispiel Knochenbrüche, Kopfverletzungen, Verbrennungen und Vergiftungen, erleiden. Bislang fehlten allerdings eindeutige Hinweise zu der Frage, ob die medikamentöse Therapie mit Methylphenidat oder Atomoxetin das erhöhte Verletzungsrisiko verringern kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung sind dieser Frage in ihrer Studie bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS nachgegangen.

Die Grundlage der Studie bildete die "Deutsche Pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank" (GePaRD), die Daten von etwa 17 Millionen Versicherten vier gesetzlicher Krankenkassen enthält. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten 37.650 Kinder und Jugendliche zwischen drei und 17 Jahren, bei denen 2005 und 2006 ADHS neu diagnostiziert wurde, und verfolgten deren Daten bis 2009. Von dieser Gruppe wurden in der beobachteten Zeit 2.128 wegen einer Verletzung ins Krankenhaus eingeliefert, von denen 821 die Diagnose einer traumatischen Gehirnverletzung erhielten.

Für die 2.128 Kinder und Jugendlichen, die mit einer Verletzung im Krankenhaus behandelt wurden, erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Verordnungen der Substanzen Methylphenidat und Atomoxetin. Es zeigte sich, dass etwa über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen auch eine Verschreibung von Methylphenidat oder Atomoxetin während der Beobachtungszeit bis 2009 erhielt; 92 Prozent der Verordnungen waren hierbei für Methylphenidat. Im Anschluss verglichen sie das Risiko, im Beobachtungszeitraum generell eine Verletzung oder eine traumatische Gehirnverletzung bei einer medikamentösen Behandlung zu erleiden, mit dem Risiko ohne Behandlung.

Es zeigte sich, dass während der Einnahme von Medikamenten die Wahrscheinlichkeit um 34 Prozent geringer war, wegen einer traumatischen Gehirnverletzung ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Wenn jedoch alle Verletzungen betrachtet wurden, die zu einer Einlieferung ins Krankenhaus führten, war das Risiko aus statistischer Sicht nicht eindeutig niedriger.

Prof. Dr. Edeltraut Garbe, Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS, erklärt: "Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS ein niedrigeres Risiko für traumatische Gehirnverletzungen haben, wenn sie mit Methylphenidat oder Atomoxetin behandelt werden. Ob dieser Zusammenhang auch generell bei unfallbedingten Verletzungen besteht, muss weiter untersucht werden - unsere Studie deutet darauf hin, konnte dies aber nicht belegen."

Publikation:
Mikolajczyk R, Horn J, Schmedt N, Langner I, Lindemann C, Garbe E. Accident prevention by medication among children with attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD) - A case-only study. JAMA Pediatrics. 2015; http://dx.doi.org/10.1001/jamapediatrics.2014.3275

Medizin am Abend DirektKontakt:

Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS
Abteilung Klinische Epidemiologie
Prof. Dr. Edeltraut Garbe
Tel. 0421/218-56862
E-Mail garbe@bips.uni-bremen.de

Niklas Schmedt
Tel. 0421/218-56868
E-Mail schmedt@bips.uni-bremen.de

Anja Wirsing
Tel. 0421/218-56780
E-Mail presse@bips.uni-bremen.de

Weitere Informationen für Medizin am Abend Beteiligte

http://Publikation: http://dx.doi.org/10.1001/jamapediatrics.2014.3275