Deutscher Pflegetag 2015 in Berlin

Medizin am Abend Fazit: Kommunen können Geld sparen, wenn sie Familien stark machen, die Angehörige pflegen

Projektabschluss „Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger“ mit Tagung am 12. Juni 2015/Prof. Klaus Dörner als Gastredner 
 
Jeder Tag, den ein älterer Mensch noch zu Hause statt im Heim gepflegt wird, bringt den Kommunen bares Geld, weil die Heimkosten stetig steigen. „Und dabei müssen die Kommunen noch nicht mal viel Geld in die Hand nehmen, sie müssen nur die vielen Angebote, die es schon gibt, richtig steuern und managen“, sagt Prof. Dr. Angelika Zegelin, Leiterin des zu Ende gehenden Projektes zu den Ergebnissen. Im Projekt „Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger“ haben Wissenschaftlerinnen der Universität Witten/Herdecke untersucht, dass es sich auch rein ökonomisch lohnt, die pflegenden Angehörigen zu stärken und zu entlasten. Wenn die Kommunen Familien stärken, die einen Angehörigen zu Hause pflegen, entlastet das die Familien UND den Haushalt der Kommune.

Weitere Ergebnisse gibt es auf der Tagung zum Projektende an der Universität Witten/Herdecke am 12.6.15, von 10 bis 16.30 Uhr, im Audimax, Alfred – Herrhausen - Str. 50 in Witten. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist erforderlich bei Frau Koch (britta.koch@uni-wh.de).

Projektbeteiligte stellen Verlauf und Ergebnisse vor, Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner spricht als Gastredner über bürgerschaftliches Engagement im Pflegefeld. Die Veranstaltung richtet sich an alle Akteure im Bereich häuslicher Pflege, an Pflegeberatungsstellen und vor allem auch Planungsverantwortliche in Kommunen und Kreisen.

Prof. Dr. Angelika Zegelin

Das Programm ist abrufbar unter: www.uni-wh.de/pflege

Medizin am Abend DirektKontakt: 

Prof. Dr. Zegelin, 02302/926-379, angelika.zegelin@uni-wh.de
Kay Gropp Universität Witten/Herdecke

Über uns:

Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1983 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.000 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

Entzündungen im Körper bei Sepsis/Blutvergiftung - Interleukin-3 http://www.infectcontrol.de

Medizin am Abend Fazit: Körpereigener Botenstoff lässt Entzündung aus dem Ruder laufen

https://www.youtube.com/watch?v=EHS_Dp4Ucjg

Internationalem Wissenschaftlerteam aus Harvard, Heidelberg und Dresden ist ein Durchbruch in der Erforschung der Entzündungsreaktionen bei Sepsis gelungen / Botenstoff Interleukin-3 startet und befeuert überschießende Immunreaktion / Ergebnisse aktuell in „Science“ erschienen 

Die Erforschung neuer Therapiestrategien bei Sepsis ist ein Schwerpunkt an der Anästhesiologischen Universitätsklinik Heidelberg. Die Erforschung neuer Therapiestrategien bei Sepsis ist ein Schwerpunkt an der Anästhesiologischen Universitätsklinik Heidelberg. Universitätsklinikum Heidelberg

Medizin am Abend Link Hinweis:    http://www.infectcontrol.de



Täglich sterben in Deutschland mehr als 140 Menschen an Sepsis, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt. Bisher stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung, um die überschießende Immunreaktion zu stoppen, denn die komplexen molekularen Abläufe sind in weiten Teilen noch unklar. Ein Durchbruch in der Aufklärung der Sepsis ist nun einem internationalen Team unter Leitung von Wissenschaftlern der Harvard Medical School, USA, und dem Universitätsklinikum Dresden in Zusammenarbeit mit Sepsis-Experten des Universitätsklinikums Heidelberg gelungen: Sie zeigten in ihrer gemeinsamen, aktuell in „Science“ erschienen Forschungsarbeit, dass der körpereigene Botenstoff Interleukin-3 (IL-3) ein entscheidendes Signal zur Ausweitung der Entzündung gibt. Sie entschlüsselten zudem die zugrundeliegenden Regelkreise. „Dies ist ein Meilenstein in der immunologischen Sepsisforschung“, freut sich Prof. Dr. Markus A. Weigand, der Ärztliche Direktor der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. „Diese Erkenntnisse werden uns bei der Suche nach neuen und besser wirksamen Therapiekonzepten einen großen Schritt weiter bringen.“

Die bisher kaum zu stoppende Entzündungsreaktion stellt nach wie vor eine der großen Herausforderungen der modernen Intensivmedizin dar. Aktuellen Zahlen zufolge erkranken in Deutschland etwa 180.000 Patienten pro Jahr an einer Sepsis. Bei der schwersten Verlaufsform, dem septischen Schock, sterben trotz moderner intensivmedizinischer Versorgung mehr als 60 Prozent der Patienten; bei weniger dramatisch verlaufenden Entzündungsreaktionen sind die Überlebenschancen etwas besser. Zusammengenommen überlebt rund ein Drittel der Patienten die außer Kontrolle geratene Infektion nicht. Für diese verheerende Bilanz gibt es drei Hauptgründe: „Es treten zunehmend aggressivere Krankheitserreger auf, gleichzeitig werden weniger neue Antibiotika entwickelt. Darüber hinaus erschweren die bisher nur ansatzweise verstandenen Krankheitsmechanismen der septischen Immunreaktion die Entwicklung neuer Medikamente“, so Weigand.

Schlechtere Überlebenschancen bei hoher Konzentration Interleukin-3 im Blut

Dank der internationalen Zusammenarbeit ist man nun einen Schritt weiter: Im Tierversuch identifizierten die Wissenschaftler eine Untergruppe von Immunzellen (Innate Response Activator (IRA) B-Zellen), die zu Beginn der Sepsis große Mengen des Botenstoffes IL-3 ins Blut abgeben. Dies hat wiederum zur Folge, dass sich andere Entzündungszellen des Immunsystems vermehren, im Blut patrouillieren und ihrerseits Botenstoffe, sogenannte Zytokine, ausschütten. „Der Körper wird von Zytokinen überflutet. Wir sprechen von einem Zytokinsturm, der Entzündungsreaktionen im gesamten Körper entfacht. Die neu entdeckte Untergruppe von Immunzellen dient dabei als Signalverstärker der Immunreaktion“, sagt der Heidelberger Experte. „Dieser Mechanismus war bisher noch völlig unbekannt und ist wahrscheinlich für die lebensgefährlichen Komplikationen einer Sepsis verantwortlich.“ Blutproben von Sepsispatienten an den Universitätsklinika Heidelberg und Dresden zeigten: Ein stark erhöhter IL-3-Spiegel ging mit schlechteren Überlebenschancen einher und zwar unabhängig von anderen Risikofaktoren.

Wurde bei Mäusen die Wirkung von IL-3 blockiert, verbesserte sich deren Überlebenschance bei Sepsis signifikant um ca. 88 Prozent. „Dieses Ergebnis eröffnet neuartige Therapiemöglichkeiten, um endlich die Prognose bei schwerer Sepsis bzw. septischem Schock verbessern zu können“, sagt Dr. Thorsten Brenner, der als anästhesiologischer Oberarzt derzeit für die Versorgung von septischen Patienten auf der Interdisziplinären Operativen Intensivstation der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg zuständig ist. Die Erforschung neuer Therapiestrategien bei Sepsis ist ein Schwerpunkt an der Anästhesiologischen Universitätsklinik Heidelberg.

Entzündungen führen zu Kreislaufkollaps und Organversagen

Die Sepsis entwickelt sich infolge schwerer Erkrankungen wie beispielsweise einer Lungenentzündung, infizierten Verletzungen oder nach großen Operationen.

Gefährdet sind vor allem schwerkranke Patienten auf Intensivstationen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem: Ihre körpereigene Abwehr reagiert auf eine Infektion nur verzögert; ausgehend vom Krankheitsherd breiten sich die Erreger daher im ganzen Körper aus. Doch dann kommt es innerhalb kürzester Zeit überall zu heftigen Entzündungsreaktionen: Der gesamte Körper sowie die inneren Organe schwellen an, der Kreislauf kollabiert und der Organismus gerät in einen Schockzustand, die Blutgerinnung wird überaktiv und die Adern verstopfen. Schließlich versagen Nieren, Leber, Lunge und Herz.

Literatur:
G. F. Weber, B. G. Chousterman, S. He, A. M. Fenn, M. Nairz, A. Anzai, T. Brenner, F. Uhle, Y. Iwamoto, C. S. Robbins, L. Noiret, S. L. Maier, T. Zönnchen, N. N. Rahbari, S. Schölch, A. Klotzsche-von Ameln, T. Chavakis, J. Weitz, S. Hofer, M. A. Weigand, M. Nahrendorf, R. Weissleder, F. K. Swirski.
Interleukin-3 amplifies acute inflammation and is a potential therapeutic target in sepsis. Science (2015). 347 (6227): p. 1260-1265. DOI: 10.1126/science.aaa4268

Medizin am Abend DirektKontakt:

Prof. Dr. med. Markus A. Weigand
Ärztlicher Direktor
Anästhesiologische Universitätsklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-6350
E-Mail: Anae.Sekretariat@med.uni-heidelberg.de
Julia Bird Universitätsklinikum Heidelberg
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

Das Logo des Konsortiums InfectControl 2020
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Das Logo des Konsortiums InfectControl 2020 Luo Yu/HKI

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Mein Gehirn - objektbasierte Aufmerksamkeit?

Medizin am Abend Fazit: Reale und gedachte Objekte
behandelt das Gehirn gleich

Das Gehirn kann aus einer Flut von Informationen herausfinden, welche
Teile zu einem Ganzen gehören. Psychologen der Goethe-Universität haben
nun herausgefunden, dass dies auch für vorgestellte Objekte gilt.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Tür eines Hauses
richten, registriert das Gehirn auch bevorzugt dessen Fenster, nicht aber
die benachbarten Häuser. Psychologen der Goethe-Universität haben nun
herausgefunden, dass dieses als "objektbasierte Aufmerksamkeit" bekannte
Phänomen auch auftritt, wenn Teile der Objekte lediglich in unserem
Gedächtnis abgespeichert sind.

„Wahrnehmung und Gedächtnis sind in der bisherigen Forschung meist
getrennt betrachtet worden“, erklärt Benjamin Peters, Doktorand am
Institut für Medizinische Psychologie in der Arbeitsgruppe von Prof.
Jochen Kaiser. Dabei sind Parallelen naheliegend, denn genauso, wie wir
äußere Reize selektiv verarbeiten können, sind wir auch in der Lage, uns
auf diejenigen Gedächtnisinhalte zu konzentrieren, die momentan am
wichtigsten sind. Dies sind essentielle Fähigkeiten unseres Gehirns, die
eng mit der Intelligenz zusammenhängen und bei verschiedenen
psychiatrischen Krankheiten gestört sind.

In seiner Studie untersuchten Peters und Kollegen das in der
Wahrnehmungsforschung bestens bekannte Phänomen der "objektbasierten
Aufmerksamkeit". Die Erfahrung, dass wir, wenn wir nur ein Teil eines
Objekts betrachten, unsere Aufmerksamkeit automatisch auf das gesamte
Objekt ausdehnen – wie bei der Haustür und den Fenstern. In dem Versuch
wurden die Probanden gebeten, ihre Aufmerksamkeit abwechselnd auf eine von
vier Bildschirmpositionen zu richten. Zu sehen waren diese als Endpunkte
von je zwei künstlichen Objekten. Gemäß dem Prinzip der objektbasierten
Aufmerksamkeit konnten die Probanden ihre Aufmerksamkeit schneller
zwischen zwei Positionen des gleichen Objekts verschieben als zwischen
denen, die zu verschiedenen Objekten gehörten. Neu war, dass dieser Effekt
auch dann auftrat, wenn sich die Probanden diese Positionen nur im
Kurzzeitgedächtnis vorstellten.

Physiologisch konnten die Forscher den Effekt beschreiben, indem sie die
Hirndurchblutung mit Hilfe des Magnetresonanztomographen (MRT)
untersuchten. Zunächst fanden sie, wie erwartet, eine erhöhte Aktivität an
denjenigen Stellen der Hirnrinde, in denen die aktuell fokussierte
Position repräsentiert wurde (visueller und parietaler Kortex). Diese
erhöhte Aktivität breitete sich aber auch auf die Bereiche des Gehirns
aus, die die jeweils zugehörige Position desselben Objekts
repräsentierten, obwohl der Proband sich nicht darauf konzentrierte. „Das
ist insofern bemerkenswert, als dass dieser Effekt in Regionen des Gehirns
beobachtbar war, die normalerweise Wahrnehmungen repräsentieren, obwohl es
sich hier lediglich um Gedächtnisinhalte handelte“, erläutert Peters das
Versuchsergebnis. Dagegen blieben die Bereiche unverändert, in denen die
gleich weit entfernten Positionen des anderen Objektes repräsentiert
werden.

Diese Übereinstimmung eines grundlegenden Prinzips der Aufmerksamkeit in
der Wahrnehmung und im Gedächtnis legt nahe, dass sich viele Funktionen
der menschlichen Kognition möglicherweise auf wenige grundlegende
Mechanismen zurückführen lassen.

Publikation:
Benjamin Peters et al.: Activity in Human Visual and Parietal Cortex
Reveals Object- Based Attention in Working Memory, in: The Journal of
Neuroscience, February 25, 2015, 35(8):3360 –3369

Medizin am Abend DirektKontakt: 

Benjamin Peters, Institut für Medizinische Psychologie,
Campus Niederrad, Tel.: (069) 6301-84735, peters@med.uni-frankfurt.de

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der
europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten
Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern
fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto "Wissenschaft für
die Gesellschaft" in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen
und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100
Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den
Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie,
Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann
sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als
Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist
sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten
Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften
sowie Geisteswissenschaften."

Medizin am Abend DirektKontakt

Dr. Anne Hardy,
Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main Telefon (069) 798 – 1
24 98, Telefax (069) 798 – 763 12531, E-Mail hardy@pvw.uni-frankfurt.de

Langanhaltender Schmerz im Sinne von chronischem Schmerz

Medizin am Abend Fazit: Gehirn verarbeitet langanhaltende Schmerzen emotionaler

Eine kurze Unachtsamkeit und schon ist der Finger eingeklemmt, der Kopf gestoßen oder der Fuß verstaucht – und schmerzt. Schmerz ist ein Schutzmechanismus des Körpers und gleichzeitig ein komplexes neurologisches Phänomen, das von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. Langanhaltender Schmerz im Sinne von chronischem Schmerz ist zudem eine eigene und häufig schwer zu behandelnde Krankheit. Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt gezeigt, dass langandauernder Schmerz im Gehirn emotionaler verarbeitet wird als kurzer. 
 
Prof. Markus Ploner, Heisenberg-Professor für Human Pain Research an der TUM Fakultät für Medizin, und sein Team untersuchten mit ihren Experimenten die Schmerzwahrnehmung: Wie beeinflusst die Dauer des Schmerzes oder die Wirkung von Placebo die Aktivitäten im Gehirn? Sie benutzten für ihre Messungen Elektroenzephalogramme – kurz EEGs. Hierbei trägt der Proband eine Kappe mit 64 Elektroden, die während des gesamten Versuchs die Nervenzellaktivität des Gehirns messen können. Mit dieser Methode lässt sich zeitlich sehr genau darstellen, mit welchen Signalen Nervenzellen auf einen Schmerzreiz antworten.

Schmerz trifft Emotion

Die Wissenschaftler wählten folgenden Versuchsaufbau: 41 Studienteilnehmer erhielten über zehn Minuten schmerzhafte Hitzereize auf die Hand, die während des gesamten Zeitraums in ihrer Stärke variierten. Mit der anderen Hand sollten die Probanden mit Hilfe eines Schiebreglers kontinuierlich die momentan empfundene Schmerzstärke auf einer Skala von eins bis hundert bewerten.

„Das Ergebnis hat uns selbst sehr verblüfft: Schon über wenige Minuten veränderte sich die subjektive Schmerzwahrnehmung der Teilnehmer – sie spürten zum Beispiel Änderungen des Schmerzes, wenn der objektive Reiz unverändert blieb. Die Empfindung von Schmerz löste sich somit bereits über wenige Minuten vom objektiven Reiz“, beschreibt Markus Ploner die Ergebnisse.

Bisherige Studien zeigten, dass kurze Schmerzreize eher von sensorischen Hirnbereichen wahrgenommen werden. Diese verarbeiten die Signale aus den Sinnesorganen wie zum Beispiel der Haut. Bei den Experimenten mit langandauernden Schmerzen präsentierte sich den Wissenschaftlern im EEG aber ein anderes Bild: hier waren auch emotionale Hirnbereiche aktiv.

„Dauert ein Schmerz über einen längeren Zeitraum an, so wandelt er sich offensichtlich von einem reinen Wahrnehmungsprozess zu einem mehr emotionalen Prozess. Diese Erkenntnis ist hochinteressant für die Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen bei denen der Schmerz über Monate und Jahre andauert“, so Ploner, der auch Oberarzt an der Neurologischen Klinik am
TUM Klinikum rechts der Isar ist.

Placebo verändert Schmerzwahrnehmung

Dass nicht nur die Dauer, sondern alleine die Erwartung an einen Schmerzreiz die Wahrnehmung beeinflusst, zeigte ein zweites Experiment. Zwanzig Probanden erhielten zuerst unterschiedlich starke schmerzhafte Laserpulse abwechselnd auf zwei Bereiche auf ihrem Handrücken. Die Wahrnehmung eines jeden Schmerzreizes wurde anschließend mündlich bewertet. Im weiteren Verlauf des Experiments erhielten sie die gleichen Reize noch einmal mit dem Unterschied, dass vorher beide Bereiche eingecremt wurden. Obwohl beide Cremes wirkstofffrei waren, bekamen die Probanden gesagt, dass eine der Cremes eine schmerzlindernde Wirkung habe.

Das Ergebnis: „Die Probanden bewerteten die Schmerzen auf dem Hautbereich mit der angeblich schmerzlindernden Creme signifikant schwächer als auf der anderen Hautstelle“, so Ploner. Die Wissenschaftler konnten diesen Placebo-Effekt auch im Gehirn sichtbar machen: obwohl die Probanden die gleichen Schmerzreize erhielten, feuerten die Nervenzellen beim zweiten Durchlauf ein anderes Muster von Signalen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie unterschiedlich unser Gehirn sogar objektiv gleiche Schmerzreize verarbeitet. Dieses komplexe neurologische Phänomen ‚Schmerz‘ im Gehirn systematisch zu kartieren und besser zu verstehen, ist eine große Herausforderung – für eine bessere Therapie von Schmerzpatienten aber dringend notwendig.“, meint Ploner.

Prof. Dr. Markus Ploner ist Tenure Track Assistant Professor an der TUM. Mehr zum TUM Faculty Tenure Track, dem deutschlandweit einmaligen Berufungs- und Karrieresystem: www.tum.de/tenure-track

Bildmaterial zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/?id=1243430#1243430

Originalpublikationen
E. Schulz, E. S. May, M. Postorino, L. Tiemann, M. M. Nickel, V. Witkovsky, P. Schmidt, J. Gross, M. Ploner, Prefrontal gamma oscillations encode tonic pain in humans, Cerebral Cortex, Februar 2015.
DOI: 10.1093/cercor/bhv043

L. Tiemann, E. S. May, M. Postorino, E. Schulz, M. M. Nickel, U. Bingel, M. Ploner, Differential neurophysiological correlates of bottom-up and top-down modulations of pain, Pain, 2015, Feb;156(2):289-96.
DOI: 10.1097/01.j.pain.0000460309.94442.44

Medizin am Abend Kontakt

Prof. Dr. Markus Ploner
Neurologische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Tel.: 089 4140 – 4608
ploner@lrz.tu-muenchen.de
www.painlabmunich.de 


360° TOP-Thema: Wenn Laufen das Herz tötes und Darmkrebs und Kalorien gegen Krebs / Ernährungsmediziner

Medizin am Abend: Wenn Laufen das Herz tötet

Hier geht es zum heutigen Fachlink: 

http://www.praxisvita.de/wenn-laufen-das-herz-totet


Wenn der Herzmuskel entzündet ist, sprechen Ärzte von einer Myokarditis
Wenn der Herzmuskel entzündet ist, sprechen Ärzte von einer Myokarditis

Weiter mit Medizin am Abend Fazit: Neuer Strategieansatz gegen Darmkrebs

Team von Freiburger Forschern zeigt, wie bestimmte Enzym-Hemmer auf
Signalprozesse in kolorektalen Karzinomen wirken

Das kolorektale Karzinom, eine Form von Darmkrebs, ist bei Männern und
Frauen in Deutschland die zweithäufigste Tumorerkrankung. Das so genannte
mikrosatellitenstabile kolorektale Karzinom mit Mutationen im BRAF-Gen
stellt eine besonders aggressive Form dar. Das BRAF-Gen produziert das
Enzym B-Raf, das eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der
Zellteilung spielt. Ein Forschungsteam aus Freiburg und Stuttgart mit der
Biologin Dr. Ricarda Herr und dem Biologen Dr. Tilman Brummer von der
Albert-Ludwigs-Universität hat in Zellkulturen gezeigt: B-Raf-Hemmer
können kolorektale Krebszellen in stärker differenzierte Zellen, die auf
eine bestimmte Funktion spezialisiert sind und sich oft weniger aggressiv
verhalten, umwandeln. Kombinationsstrategien mit B-Raf-Hemmern, die in
verschiedenen internationalen klinischen Studien untersucht werden,
könnten also verhindern, dass der Krebs streut. Die Forschungsergebnisse
hat das Team in der Fachzeitschrift „Cancer Research“ veröffentlicht.

Das Signalnetzwerk in menschlichen Zellen reguliert B-Raf und
gewährleistet, dass das Enzym nur unter bestimmten Umständen aktiviert
wird. Mutationen im BRAF-Gen führen zur Produktion eines veränderten
Proteins, das ständig aktiv ist. Eine so mutierte Zelle wird in das
Zellteilungsprogramm versetzt, vermehrt sich unentwegt und startet damit
eine Kette von Ereignissen, die zu Krebs führen. Es gibt mehrere
Medikamente, die hauptsächlich das mutierte B-Raf hemmen. Sie
konzentrieren sich besonders auf das Zellteilungsprogramm in den
Tumorzellen, während sie die gesunden Zellen größtenteils nicht
beeinträchtigen. Solche Medikamente gehören zur Standardtherapie bei dem
BRAF-mutierten metastasierenden Melanom, einer Art Hautkrebs. Wenig
bekannt ist bislang, wie sie bei anderen Krebsarten wirken – etwa beim
BRAF-mutierten kolorektalen Karzinom, für das es nur wenige
Therapiemöglichkeiten gibt.

Um dies herauszufinden, benutzten Brummer, Herr und ihr Team eine
dreidimensionale Zellkultur. Sie entdeckten einen neuartigen Effekt: Die
Forscherinnen und Forscher zeigten, dass die B-Raf-Hemmer nicht nur die
Zellteilungsrate der kolorektalen Krebszellen verringern, sondern auch
deren Differenzierung bewirken. Sie beobachteten beispielsweise, dass die
behandelten Krebszellen zunehmend Zelladhäsionsmoleküle produzieren. Diese
Moleküle befinden sich auf der Zelloberfläche und verbinden benachbarte
Zellen. So hindern sie die Krebszellen daran, sich vom primären Tumor
abzulösen und Metastasen zu bilden. Als das Team das mutierte B-Raf in
kolorektale Krebszellen ohne BRAF-Mutation einschleuste, erhielt es einen
eher undifferenzierten Zelltyp. Dies deutet darauf hin, dass BRAF-mutierte
Tumore einen eher undifferenzierten Charakter besitzen und dadurch ein
größeres Risiko der Metastasierung in sich bergen.

Erste kleine klinische Studien mit kolorektalen Krebspatientinnen und
Krebspatienten zeigen, dass B-Raf-Hemmer als alleiniger Wirkstoff
möglicherweise nicht so effektiv bei der Blockierung der Zellteilung sein
könnte, wie es bei Melanomen zu beobachten war. Die von Brummers Team
veröffentlichten Ergebnisse legen dennoch nahe, dass eine Kombination von
B-Raf-Hemmern mit anderen Substanzen wirkungsvoller sein könnte. Die
Forscher wollen dieses Konzept in Nachfolgestudien weiter verfolgen.

Brummer leitet eine Forschungsgruppe am Institut für Molekulare Medizin
und Zellforschung der Albert-Ludwigs-Universität und ist zudem Mitglied
des Freiburger Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling
Studies sowie maßgeblich beteiligter Wissenschaftler im
Sonderforschungsbereich 850 an der Universität Freiburg. Herr ist
Postdoktorandin in Brummers Forschungsgruppe.

Originalpublikation:
R. Herr, M. Köhler, H. Andrlová, F. Weinberg, Y. Möller, S. Halbach, L.
Lutz, J. Mastroianni, M. Klose, N. Bittermann, S. Kowar, R. Zeiser, M. A.
Olayioye, S. Lassmann, H. Busch, M. Boerries, T. Brummer (2015). B-Raf
Inhibitors Induce Epithelial Differentiation in BRAF-Mutant Colorectal
Cancer Cells. Cancer Res. 75(1):216-29. doi: 10.
1158/0008-5472.CAN-13-3686.


Medizin am Abend DirektKontakt:

Dr. Tilman Brummer
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
BIOSS Centre for Biological Signalling Studies
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761 / 203 - 9610
E-Mail: tilman.brummer@zbsa.de
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier

Ergänzend hierzu von Medizin am Abend Team:

Kalorien gegen Krebs / Ernährungsmediziner beklagen zu geringe Aufmerksamkeit auf die Ernährung

Krebs zehrt an den Reserven des Körpers. Da sollte es eigentlich selbstverständlich sein, Krebspatienten so gut wie möglich zu ernähren. Professor Hartmut Bertz, Onkologe und Ernährungsmediziner an der Tumorabteilung des Universitätsklinikums Freiburg, kritisiert, dass sich die meisten Onkologen zu sehr auf die Krebsbekämpfung beschränken. "Dass nebenbei auch der Patient schrumpft, sehen sie nicht", sagt er in der "Apotheken Umschau". Ernährungstherapien wirken dem zerstörerischen Krebsprozess entgegen - auch wenn sie ihn längst nicht immer umkehren können, verbessern sie doch die Lebensqualität. Kritisch steht der Experte Krebsdiäten gegenüber, die den Tumor "aushungern" sollen. "Da ist viel Scharlatanerie dabei. Es gibt keinerlei Daten, dass diese Diäten wirken", sagt Bertz.

Das Gesundheitsmagazin "Apotheken Umschau" 2/2015 B liegt in den meisten Apotheken aus und wird ohne Zuzahlung zur Gesundheitsberatung an Kunden abgegeben.