Gemeinsam fliegen fördert die soziale Kompetenz

Ein wesentlicher Teil der mitteleuropäischen Vogelpopulation, wie Gänse,
Störche und Kraniche, unternimmt saisonale Wanderungen. Bei ihren langen
Reisen bilden sie häufig auffällige Staffel- oder V-Formationen. Warum
dies energiesparend ist, haben Biologen der Humboldt-Universität zu Berlin
wie berichtet vor einem Jahr in einer Studie mit dem Titel „Wenn Zugvögel
wandern: Wie schaffen die das bloß?“ gezeigt. Nun ist es ihnen gelungen zu
zeigen, dass dies nicht nur Energie spart, sondern auch die Kooperation
der Tiere fördert. Der Artikel erscheint in der aktuellen Zeitschrift
Proceedings of the National Academy of Science of the USA (PNAS).

Hinter den Flügeln eines Vogels entsteht beim Flug eine so genannte
Luftwalze mit einem Aufwind – um die Flügelspitzen und mit einem Sog nach
unten. Ein nachkommender Vogel kann diesen Aufwind des voranfliegenden
Vogels nutzen und muss so weniger mit den Flügeln schlagen. Das spart
Energie.

Da allerdings nicht alle Vögel in einer Formation in gleicher
Weise profitieren können, entsteht aus der Frage, wer in der
unvorteilhaften Führungsposition voran fliegt, ein soziales Dilemma.

„Um zu verstehen, wie die Zugvögel dieses Problem lösen, haben wir junge
Waldrappe begleitet, die im Rahmen eines LIFE+ Wiederansiedlungsprojekts
zum ersten Mal in den Süden fliegen. Um die genaue Position aller Vögel in
der Formation zu bestimmen, bekamen alle Vögel der Gruppe kleine GPS-
Datensammler auf den Rücken gebunden“, erklärt Dr. Berhard Voelkl,
Evolutionsforscher am Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu
Berlin.

Es zeigte sich, dass die Vögel das Kooperationsproblem durch paarweise
Reziprozität lösen. Das heißt, die Vögel wechseln sich ab und achten
darauf, dass jeder genau gleich viel Zeit sowohl in der unvorteilhaften
Führungsposition als auch in der energiesparenden Folgeposition verbringt.

„Die Evolution von Kooperation ist immer noch eines der großen Rätsel der
Evolutionsbiologie, da sie dem allgemeinen Grundsatz, dass Evolution nur
egoistische Gene fördert, widerspricht“, sagt Berhard Voelkl. Wie sich
gezeigt hat, ist der Formationsflug von Zugvögeln nicht nur ein sehr
prominentes Beispiel tierischer Kooperation, sondern auch ein
hervorragendes Studienmodell, um die Evolution der Kooperation zu
erforschen.


Finanziert wurde die Studie im Rahmen des Projekts 'Vo_1806-1-1: How do
Migrating birds solve the voluneer's dilemma', welches von der DFG
gefördert wurde.

Originalveröffentlichung
Voelkl B., Portugal SJ., Unsöld M., Usherwood JR., Wilson A. & Fritz, J.
(2015): Matching times of leading and following suggest cooperation
through direct reciprocity during V-formation flight in ibis. Proceedings
of the National Academy of Science of the USA (PNAS):
http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1413589112

https://u.hu-berlin.dehttps://u.hu-berlin.de/zugvoegel-fotos

Medizin am Abend DirektKontakt

Dr. Bernhard Voelkl
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Biologie
Tel.: 030 2093-8847
bernhard.voelkl@hu-berlin.de

Online-Befragung: Internationale Umfrage zu Totgeburten

Nicht immer endet eine Schwangerschaft mit der Geburt eines gesunden
Babys: In den Industrienationen werden etwa drei von 1000 Babys tot
geboren.

In ärmeren Ländern ist die Rate noch sehr viel höher. Obwohl
bereits einige Risikofaktoren entdeckt wurden, kann die Ursache für eine
Totgeburt nicht immer geklärt werden. Mit diesem Thema beschäftigt sich
federführend eine aktuelle Untersuchung der International Stillbirth
Alliance (ISA). Das Ziel der Studie ist es, Maßnahmen zur Verhinderung von
Totgeburten zu finden und auch die Versorgung von Familien nach der Geburt
eines toten Kindes zu verbessern.

Privatdozentin Dr. Mechthild Groß, Leiterin der  Arbeitsgruppe Hebammenwissenschaft an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), koordiniert die internationale Erhebung in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Dr. Mechthild Groß bittet betroffene Eltern, Gesundheitsfachpersonen und
weitere Interessierte, sich an der Online-Umfrage zu beteiligen. Die
Ergebnisse der Erhebung sollen in dem renommierten Medizinjournal „The
Lancet“ veröffentlicht werden.

Eltern finden den Fragebogen unter


http://materresearch.checkboxonline.com/stillbirth-multilanguage- parents.survey


Gesundheitsfachpersonen finden ihn unter


http://materresearch.checkboxonline.com/stillbirth-multilanguage-care-providers.survey.

Alle weiteren interessierten Personen finden ihn unter

http://materresearch.checkboxonline.com/stillbirth-multilanguage- community-members.survey.

Die Umfrage läuft noch bis Ende Februar 2015.

An dem Projekt sind die World Health Organization (WHO), die International
Federation of Gynecology and Obstetrics (FIGO), die International
Confederation of Midwives (ICM), der United Nations Population Fund
(FUNFPA) und The Lancet beteiligt.

Medizin am Abend DirektKontakt: 

PD Dr. Mechthild Groß, AG Hebammenwissenschaft,
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
(0511) 532-6116, gross.mechthild@mh-hannover.de.
Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn

Samen/Spermien von Teenager-Vätern

Medizin am Abend Fazit: Teenager als Väter: Studie zeigt erhöhte Zahl von Erbgutveränderungen

Samen von Teenager-Vätern weisen überraschend viele Erbgutveränderungen auf, außerdem finden sich bei Spermien junger Männer allgemein deutlich mehr Mutationen als bei Eizellen gleichaltriger Frauen. Das könnte erklären, warum Babys sehr junger Eltern vergleichsweise häufig von Geburtsdefekten betroffen sind. Entsprechende Studienergebnisse von Forschern aus Münster, Cambridge und Salzburg sind am Mittwoch, 18. Februar, im britischen Fachjournal Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht worden.

Eine Untersuchung von 24.097 Eltern und ihren Kindern zeigt, dass die
Kinder von Teenager-Vätern unerwartet viele DNA-Mutationen aufweisen. „Die
Samen von Teenagern haben offenbar rund 30 Prozent mehr
Erbgutveränderungen als die von 20 Jahre alten Männern“, erläutert Prof.
Heidi Pfeiffer, Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der
Uniklinik Münster.

„Das ist ein möglicher Grund dafür, dass Kinder von
Teenager-Eltern ein höheres Risiko für Autismus, Schizophrenie, Spina
Bifida (Wirbelspalt), geringes Geburtsgewicht und sonstige Geburtsdefekte
haben.“ Insgesamt kommen etwa eineinhalb Prozent der Babys erwachsener Eltern mit Geburtsfehlern zur Welt.


Für die nun veröffentlichte Studie haben die Forscher Mikrosatelliten
untersucht, das sind sehr kurze DNA-Sequenzen, die sich im Erbgut eines
Organismus mehrfach unmittelbar hintereinander wiederholen. Veränderungen
in den Mikrosatelliten treten bei der Zellteilung häufig auf, etwa eine
Wiederholung der Sequenz mehr oder weniger gegenüber der Vorlage. Weil die
entsprechenden DNA-Abschnitte nicht als Bauplan für Proteine dienen,
wirken sich Veränderungen nicht auf die Erscheinung oder Gesundheit eines
Lebewesens aus. Wissenschaftler können Mikrosatelliten als
Zellzykluszähler nutzen: Der Vergleich etwa zwischen DNA-Abschnitten in
einer Ei- oder Samenzelle und den entsprechenden Abschnitten im
elterlichen Erbgut ermöglicht es, abzuschätzen, wie viele Zellteilungen
dazwischen stattgefunden haben. Bei Frauen liegen zwischen der Empfängnis
des weiblichen Embryos und der Ausbildung der Ur-Eizellen etwa 22
Zellteilungen.

Schon kurz nach der Geburt eines Mädchens sind alle Ur-Eizellen ausgebildet, aus diesem endlichen Fundus entwickeln sich bis zu
den Wechseljahren die reifen Eizellen. Bei Männern dagegen bilden sich im
Lauf des Lebens immer neue Ur-Samenzellen. Dass ältere Männer eine
deutlich erhöhte Anzahl von Erbgutmutationen in ihren Spermien aufweisen,
ist leicht zu erklären:

Durch die kontinuierlichen Zellteilungen sammeln sich zeitlebens immer mehr Mutationen an.

Ein überraschendes Ergebnis der aktuellen Studie ist, dass sich schon bei
Teenager-Vätern fast sieben Mal so viele Mutationen in den Mikrosatelliten
finden wie bei Teenager-Müttern. Nimmt man an, dass die Veränderungsrate
bei beiden Geschlechtern gleich ist, führt das zu einem überraschenden
Schluss: Auf dem Weg von der Empfängnis eines männlichen Embryos bis zum
Spermium beim Jugendlichen wären rund 150 Zellteilungen nötig, um die
Mutationen zu erklären. Bisher ist die Zahl der Zellteilungen bis zu
diesem Zeitpunkt auf rund 30 geschätzt worden.

 Das Hodengewebe eines jungen Mannes – die großen ovalen Strukturen sind Querschnitte der Samenkanälchen.
Das Hodengewebe eines jungen Mannes – die großen ovalen Strukturen sind Querschnitte der Samenkanälchen.Foto: CeRA, WWU Münster

In den Jahrzehnten nach der Pubertät erhöht sich die Zahl der DNA-Mutationen viel langsamer als bisher erwartet, bei 50 Jahre alten Männern liegt sie 30 Prozent höher als bei Teenagern. Diese langsame Mutationsrate lässt sich durch ein Reservoir an speziellen Stammzellen erklären, die sich nach der Pubertät kaum noch verändern und aus denen sich Samenzellen über Zwischenstufen entwickeln.

„Dass Spermien von Teenager-Vätern nicht nur gegenüber den Eizellen
gleichaltriger Frauen, sondern auch gegenüber den Spermien 20 Jahre alter
Männer mehr Mutationen aufweisen, wird durch die These unerwartet vieler
Zellteilungen noch nicht erklärt“, sagt Pfeiffer.

„Vielleicht ist der DNA- Vervielfältigungsmechanismus zu Beginn der männlichen Pubertät besonders fehleranfällig.“ 

Die Forschung in Münster fand am Institut für
Rechtsmedizin der Universität und am privaten Institut für Forensische
Genetik (Leitung: Prof. Dr. Bernd Brinkmann, früherer Direktor des
Instituts für Rechtsmedizin) statt.

Originalpublikation:

Forster P. et al. (2015): Elevated germline mutation rate in teenage
fathers. The Royal Society Proceedings B, Volume: 282 Issue: 1803; DOI:
10.1098/rspb.2014.2898

Medizin am Abend DirektKontakt

Dr. Thomas Bauer
Medizinische Fakultät
Tel. 0251-83-58937
E-Mail: thbauer@uni-muenster.de
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Dr. Christina Heimken

Weitere Informationen finden Sie unter
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/282/1803/20142898 Originalpublikation