Wie Bakterien im Knochen überleben

HZI-Wissenschaftler entschlüsseln Überlebensstrategie des Verursachers von
Osteomylelitis

Knochenmarksentzündungen sind hartnäckige bakterielle Infektionen der
Knochen. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung
(HZI) in Braunschweig konnten nun zeigen, wie sich der Erreger
Staphylococcus aureus an das Leben im Knochen anpasst und wie er sich dort
vor dem menschlichen Immunsystem schützt. Ihre im Journal mBio
veröffentlichten Erkenntnisse liefern wichtige Ansätze für den Kampf gegen
die Infektionskrankheit.

Die Osteomyelitis, zu Deutsch Knochenmarksentzündung, ist eine schwer zu
bekämpfende bakterielle Erkrankung, die meist durch Staphylococcus aureus
hervorgerufen wird. Selbst die Verabreichung hochdosierter Medikamente
über einen langen Zeitraum führt nicht zu einer zufriedenzustellenden
Erfolgsquote und die Erkrankung führt regelmässig zu Amputationen. Die
Erreger gelangen in den Knochen und verursachen dort zunächst eine akute
Infektion. „Erste Symptome sind meist lediglich Fieber und ein allgemeines
Schwächegefühl, die nach einiger Zeit abklingen“, sagt Prof. Eva Medina,
Leiterin der Arbeitsgruppe Infektionsimmunologie am HZI. „Allerdings wird
die Krankheit oft chronisch und bricht erneut aus. Das kann schlimme
Folgen haben, wie beispielsweise Verformungen des Knochens oder ein
zunehmendes Risiko für Knochenbrüche." Vor allem Menschen mit einem
geschwächten Immunsystem oder einer anderen chronischen Erkrankung, wie
beispielsweise Diabetes, sind dabei gefährdet.

Die chronische Erkrankung zu vermeiden ist schwierig, da das Bakterium
innerhalb des Knochens vor Antibiotika und anderen Medikamenten gut
geschützt ist und so nur schwer bekämpft werden kann. Zudem schützt sich
der Keim vor dem menschlichen Abwehrsystem und hat eine Möglichkeit
entwickelt, innerhalb der Knochen zu überleben, obwohl es dort kaum
Nahrung für ihn gibt. Wie dem Keim das gelingt und wo die Unterschiede
zwischen akuter und chronischer Infektionsphase liegen, konnten Medina und
ihre Kollegen nun erstmals im lebenden Organismus zeigen. „Während der
chronischen Phase fährt der Keim seinen Stoffwechsel runter, da anders als
während der akuten Phase nicht genügend Nahrung vorhanden ist. Er schläft
sozusagen ein und überlebt nur noch, anstatt sich zu vermehren“, sagt
Medina. „Dadurch übersteht er den im Knochen herrschenden Nahrungsmangel
und überlebt langfristig unter diesen Bedingungen.“

Außerdem konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass der Keim während der
Knocheninfektion vermehrt Proteasen produziert. Diese Enzyme können
Proteine, die unter anderem die Strukturelemente der Knochen sind,
spalten. „Dass diese Enzyme verstärkt produziert werden, deutet darauf
hin, dass Staphylococcus aureus seine Nahrung direkt aus dem Knochen
gewinnt. Er frisst den Knochen sozusagen von innen auf“, sagt Medina. Das
Resultat sind Verformungen und poröse Knochen, die leicht brechen können.

Die Wissenschaftler konnten auch einen zweiten Mechanismus entschlüsseln,
der den Bakterien das Überleben im Knochen ermöglicht. „Der Keim
produziert nach der Infektion verstärkt Toxine, die neutrophile
Granulozyten abtöten“, sagt Medina. Neutrophile Granulozyten sind weiße
Blutkörperchen, die eine wesentliche Rolle bei der unspezifischen Abwehr
von Infektionen spielen und die vor allem im Knochenmark zu finden sind.
Staphylococcus aureus versteckt sich also nicht vor dem menschlichen
Immunsystem, sondern bekämpft dessen Abwehrmechanismen aktiv.

„Jetzt wo wir die Überlebensmechanismen des Erregers im Knochen kennen,
können wir gezielt Strategien entwickeln, wie wir die Mechanismen
unterbrechen oder unterbinden“, sagt Medina. „Langfristig ist das ein sehr
wichtiger Schritt, um Knochenmarksentzündungen künftig besser bekämpfen zu
können“.

Originalpublikation:

Citation Szafranska AK, Oxley APA, Chaves-Morenob D, Horsta SA,
Roßlenbroich S, Peters G, Goldmann O, Rohde M, Sinha B, Pieper DH, Löffler
B, Jauregui R, Wos-Oxley ML, Medina E. 2014. High-resolution
transcriptomic analysis of the adaptive response of Staphylococcus aureus
during acute and chronic phases of osteomyelitis.
DOI:10.1128/mBio.01775-14.


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Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:

Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen
Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was
Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll
den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.

www.helmholtz-hzi.de
 
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Rebecca Winkels
http://mbio.asm.org/content/5/6/e01775-14 - Link zur Originalpublikation

Blutvergiftung - Sepsis (SeptNet) http://www.bpi.de


Die Sepsis-Therapie ist ein Kampf gegen die Uhr: Je früher die Betroffenen mit entsprechenden Antibiotika behandelt werden, desto größer sind die Überlebenschancen, denn eine Blutvergiftung kann extrem schnell verlaufen. Bereits in der ersten verstrichenen Stunde sinkt die Überlebensrate rapide von über 80 Prozent Überlebenden bei ...

In Deutschland sterben täglich durchschnittlich 162 Menschen an einer Blutvergiftung. Das hat das Kompetenznetzwerks Sepsis (SepNet) in einer aktuellen Studie herausgefunden.

Viele dieser Todesfälle könnten durch bessere Prävention, gezieltere Diagnostik und schnellere Behandlung vermieden werden. Die gefährliche Erkrankung Sepsis beginnt immer mit einer Infektion, zum Beispiel einer Lungenentzündung oder einem Harnwegsinfekt.

Sogar eine gewöhnliche Grippe kann die Autoimmunreaktion hervorrufen und zum Multiorganversagen führen. Warum sterben von Jahr zu Jahr mehr Menschen an einer Sepsis?

Der Intensivmediziner Prof. Dr. Konrad Reinhart von der Universitätsklinik Jena begründet das im Gespräch mit dem BPI Pressedienst Arzneimittel mit der steigenden Lebenserwartung und der Zunahme von Begleiterkrankungen wie Diabetes oder chronische Bronchitis. Und er nennt noch einen weiteren Aspekt:

O-Ton1 Prof. Reinhart: "Ein Grund für die Zunahme der Sepsis ist auch die Tatsache, dass sich immer mehr ältere Menschen immer invasiveren medizinischen Behandlungen unterziehen, die dann teilweise das Immunsystem schwächen und diese Schwächung des Immunsystems führt eben dazu, dass man anfälliger für Infektionen und damit auch für Sepsis wird."

Vor allem die sogenannten multi-resistenten Krankenhauskeime spielen dabei eine wichtige Rolle, sagt Professor Reinhart. Er schätzt, dass jährlich bis zu 4.500 Todesfälle durch Sepsis vermieden werden könnten, wenn die Hygieneregeln in Krankenhäusern strikter eingehalten würden.

Dies sei aber nur eine von vielen Maßnahmen, denn etwa 30 bis 40 Prozent der Sepsisfälle entwickelten sich außerhalb des Krankenhauses.

Ein Grundproblem sei, dass viele Ärzte noch immer viel zu wenig über die Krankheit wüssten. Oft werde nicht beachtet, dass eine Sepsis keine normale Infektion, sondern eine komplizierte und verheerende Autoimmunreaktion sei:

O-Ton2 Prof. Reinhart: "Häufig wird auch von den Ärzten nur die Infektion genannt die eine Sepsis auslöst, z. B. Lungenentzündung oder Harnwegsinfekt und das wird teilweise eben dann in den Medien nicht als Sepsis beschrieben sondern eben ist an einer Lungenentzündung gestorben."

Die Öffentlichkeit müsse unbedingt besser über die Sepsisgefahr informiert werden, fordert Professor Reinhart. Vor allem aber müsse die Krankheit in der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal eine größere Rolle spielen. Zu häufig würden typische Symptome wie zum Beispiel Verwirrtheit fehlinterpretiert.

Dabei sei die Früherkennung bei der Sepsis das A und O. Tatsächlich zeigen Studien, dass die Überlebenschancen des Patienten deutlich höher sind, wenn er schnell mit entsprechenden Antibiotika behandelt wird. Noch besser sei es natürlich, sagt Professor Reinhart, wenn eine Sepsis gar nicht erst ausbricht:

O-Ton3 Prof. Reinhart: "Man muss auch wissen, dass man sich gegen gewisse Sepsis- Erreger impfen lassen kann, z. B. gegen Pneumokokken, die die Lungenentzündung auslösen oder auch Erreger die Hirnhautentzündung auslösen oder man kann sich ja auch gegen Grippe, die ja auch gar nicht so selten in eine Sepsis übergeht, impfen lassen und sollte sich auch impfen lassen."

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