Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Ziliopathien

Erkrankungen der Flimmerhärchen (Zilien) auf Zellen spielen bei Lungenerkrankungen oder Diabetes eine zentrale Rolle.

Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München entdeckten jetzt das Protein
Flattop. Es steuert die asymmetrischen Positionierung von Organellen.
Fehlfunktionen in diesem Prozess führen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern.

Hepatitis-C-Virus (HCV) und das Pferd im Stall

Pferde wehren erfolgreich das Hepatitis-C sehr ähnliche Non-primate
hepacivirus ab

Mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) sind weltweit etwa 160 Millionen Menschen
infiziert und die Virusinfektion ist eine der häufigsten Ursachen für
Lebertransplantationen. Zwar stehen seit kurzem neue Therapeutika gegen
die Infektionskrankheit zur Verfügung, sie sind jedoch sehr teuer und
damit ist fraglich, ob sie flächendeckend in ärmeren Regionen der Welt
eingesetzt werden können. Also sind nach wie vor neue Präventions- und
Therapiestrategien gegen das Virus nötig.

Eines der größten Probleme bei der Erforschung von HCV ist die große
Spezialisierung des Virus: Es infiziert ausschließlich Menschen und
Schimpansen. Wissenschaftler des TWINCORE haben nun einen sehr engen
Verwandten des Hepatitis-C-Virus in Pferden in den Fokus ihrer Forschung
gerückt - damit eröffnen sich ganz neue Perspektiven für die HCV-Forschung
und die Entwicklung von Abwehrstrategien gegen das Virus.

Metformin lässt Diabetespatienten länger leben contra Sulfonylharnstoffe

Menschen mit Typ-2-Diabetes, die mit dem derzeit bevorzugten
Erstmedikament Metformin behandelt wurden, hatten einer Studie aus
Großbritannien zufolge eine niedrigere Sterblichkeit als Patienten, die
Sulfonylharnstoffe einnahmen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
sieht darin eine Bestätigung ihrer Therapieempfehlungen für den
Typ-2-Diabetes, wonach Sulfonylharnstoffe kritisch zu betrachten sind.

Die meisten Patienten, deren Blutzucker nicht allein durch Änderung der
Ernährung und des Lebensstils normalisiert werden kann, werden zunächst
mit Metformin-Tabletten behandelt. Das Mittel senkt den Blutzucker, indem
es die Zuckerfreisetzung aus der Leber hemmt. „Zudem hat es eine hohe
Therapiesicherheit, da es keine gefährlichen Unterzuckerungszustände
auslöst“, erläutert Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der
DDG. „Außerdem verlieren viele Patienten etwas an Gewicht.“ Dies sei eine
willkommene Begleiterscheinung, die oftmals den Beginn der Behandlung
erleichtere.

In den vergangenen Jahren wurden weitere günstige Eigenschaften von
Metformin entdeckt, die über die blutzuckersenkende Wirkung hinausgehen.
„Es gibt Hinweise, dass Metformin das Herzinfarktrisiko senkt“, berichtet
Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Mediensprecher der DDG. Sogar ein
Schutz vor Krebserkrankungen wird derzeit diskutiert. Nun dürfte eine
kürzlich in der Fachzeitschrift Diabetes, Obesity and Metabolism
veröffentlichte Studie das Ansehen von Metformin weiter steigern.

Denn Forscher der Universität Cardiff in Wales haben die Daten von mehr
als 90.000 Hausarztpatienten mit Typ-2-Diabetes aus Großbritannien
ausgewertet. Darunter waren 78.000 Diabeteserkrankte, die ihren hohen
Blutzucker allein mit Metformin behandelten, und 12.000, die allein
Sulfonylharnstoffe einnahmen. Darüber hinaus werteten die Wissenschaftler
noch eine dritte Gruppe als Vergleichskollektiv aus, die aus mehr als
90.000 Teilnehmern bestand, die keinen Diabetes hatten und demzufolge
keines der Präparate einnahmen, aber sonst von der Altersstruktur und
anderen Erkrankungen vergleichbar waren.

Ergebnis der Analyse: Bei Patienten mit Diabetes, die mit Metformin
behandelt wurden, gab es die wenigsten Todesfälle – die mittlere
Überlebenszeit dieser Gruppe überstieg sogar die der gesunden Probanden.
Im Gegensatz dazu war die Gesamt-Sterblichkeit unter Sulfonylharnstoffen
höher als bei den Kontrollgruppen. „Die Überlebenszeit war unter einer
Therapie mit Sulfonylharnstoffen sogar 38 Prozent niedriger im Vergleich
zu Metformin“, betont Müller-Wieland.
„Die Studie bestätigt die günstigen Eigenschaften von Metformin, das
zurecht das bevorzugte Erstmedikament beim Typ-2-Diabetes ist“, erklärt
Siegel.

Sulfonylharnstoffe hingegen sind häufig noch das zweite Mittel bei
Patienten, die den Blutzuckerspiegel mit Metformin allein nicht
ausreichend senken können. „Für diese Gruppe von Patienten stehen heute
aber mit den sogenannten DPP-4-Hemmern und der neuen Substanzklasse der
sogenannten SGLT-2 Hemmer eigentlich gute und sichere Alternativen für die
Behandlung zur Verfügung“, so Müller-Wieland. „Leider erkennt der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Vorteile dieser modernen Präparate
aus meiner Sicht nicht ausreichend an und viele Kollegen von uns sind
verwundert, dass der G-BA trotz der bekannten Daten die Sulfonylharnstoffe
weiterhin als Vergleichstherapie bzw. Gold-Standard bei der frühen
Nutzenbewertung festlegt.“

Quelle:
Bannister CA, Holden SE, Jenkins-Jones S, Morgan CL, Halcox JP,
Schernthaner G, Mukherjee J, Currie CJ. Can people with type 2 diabetes
live longer than those without? A comparison of mortality in people
initiated with metformin or sulphonylurea monotherapy and matched, non-
diabetic controls. Diabetes, Obesity and Metabolism 2014; doi:
10.1111/dom.12354
<http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25041462>

Biomarker zeigt Nierenschaden an: TapSAKI

MHH-Wissenschaftler: Mit Hilfe einer Nukleinsäure kann bei
Intensivpatienten mit akutem Nierenversagen die
Überlebenswahrscheinlichkeit besser prognostiziert werden

Bei fünf bis zehn Prozent der Patienten auf Intensivstationen versagt die
Nierenfunktion. Und nur weniger als die Hälfte dieser vom akuten
Nierenversagen Betroffenen überleben es – trotz der Ersatztherapie
Dialyse. Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun
einen neuen Biomarker gefunden, der bereits bei Eintritt des akuten
Nierenversagens eine verbesserte Auskunft darüber geben kann, ob der
Patient dieses überlebt oder nicht. Es handelt sich um eine ‚long non-
coding RNA‘ – eine Ribonukleinsäure, die im Blut vorkommt. Die
Wissenschaftler haben sie TapSAKI (Transcript predicting Survival in acute
kidney injury) genannt. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der
renommierten Fachzeitschrift Clinical Chemistry.

„Bei Patienten, deren Blut hohe Konzentrationen TapSAKI enthält, war die
Niere stärker geschädigt. Nur sehr wenige von ihnen lebten trotz Dialyse
noch weitere vier Wochen. Die Konzentration von TapSAKI vor Beginn der
Nierenersatztherapie kann so Auskunft darüber geben, wie wahrscheinlich
das Überleben des Patienten ist“, sagt Privatdozent Dr. Johan Lorenzen.
Der Erstautor des Artikels hat für diese Arbeit Blutproben von rund 120
Patienten untersucht. „In drei bis fünf Jahren könnte dieser Biomarker in
der Klinik einsetzbar sein. Eventuell hat er eine wichtige Funktion in der
Niere. So besteht die Möglichkeit, dass sein Ausschalten oder Anhäufen der
Therapie dient. Das müssen weitere Studien zeigen“, prognostiziert
Professor Thum.

PD Dr. Johan Lorenzen forscht im von Professor Dr. Dr. Thomas Thum
geleiteten MHH-Institut für Molekulare und Translationale
Therapiestrategien. Es ist an der MHH unter anderem in den
Exzellenzcluster REBIRTH und das Integrierte Forschungs- und
Behandlungszentrum Transplantation (IFB-Tx) eingebunden. Das Team um PD
Dr. Lorenzen führte die Arbeit gemeinsam mit Forschern der MHH-Klinik für
Nieren- und Hochdruckerkrankungen sowie mit einem internationalen
Wissenschaftlerteam durch.

Medizin am Abend DirektKontakt:

Privatdozent Dr. Johan Lorenzen,
Telefon (0511) 532-5276, lorenzen.johan@mh-hannover.de.

Botox Kampagne in Berlin

Mit einer zweifelhaften Kampagne versucht der Pharmahersteller Allergan offenbar, sich neue Märkte für sein Mittel Botox zu erschließen. Dabei geht es um die Behandlung von Patienten, die an chronischer Migräne leiden. Um auf die Krankheit aufmerksam zu machen, plakatiert der Konzern, betreibt eine Internetseite und hat Onlinevideos produzieren lassen. Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung zeigen, dass auch namhafte Ärzte an der Kampagne beteiligt sind, die zum Beispiel für ihre Vortrags- oder Gutachtertätigkeit Honorare von Allergan bekommen haben.

Botox ist in Deutschland seit 2011 zur Behandlung von chronischer Migräne zugelassen. Von chronischer Migräne sprechen Ärzte, wenn Patienten seit mindestens drei Monaten an mindestens 15 Tagen pro Monat unter Kopfschmerz leiden, davon an acht Tagen unter Migräne. Das betrifft lediglich einen kleinen Patientenkreis.

Im September und Oktober hat die Initiative "Kopf frei fürs Leben" in Berlin mehrere Plakate aufhängen lassen. Darauf zu sehen war ein übergroßer Kopf und ein kurzer Text: "Über 49.000 Berliner wissen nicht, dass sie unter Chronischer Migräne leiden. Auch Sie?" Nicht direkt zu erkennen war, wer die Initiative betreibt.

Das Plakat wies auf die Internetseite www.chronischemigraene.de hin.

Im Impressum dieser Seite ist die Pharm Allergan GmbH aufgeführt, die deutsche Vertriebszentrale des US-Pharmakonzerns Allergan.

Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente wie Botox ist in Deutschland verboten. Aber die Internetseite sei sehr geschickt gemacht, sagt der Medizinrechtler Prof. Dr. Benedikt Buchner von der Universität Bremen. Die Firma habe "alle Graubereiche umschifft", so dass sie juristisch nur schwer angreifbar sei. Auf der Seite wird kein konkretes Produkt genannt. Stattdessen gibt es Tipps, Infos zur Behandlung chronischer Migräne und einen Selbsttest. Die Seite bietet auch die Möglichkeit, einen Arzt in der Nähe zu suchen. Zudem äußern sich mehrere Mediziner als "Experten" auf der Seite.

Diese Kooperation von Pharmahersteller und Ärzten sieht Buchner kritisch.

Nach Recherchen von NDR und SZ bestehen zwischen dem Konzern und den auf der Internetseite aufgeführten Medizinern teils wirtschaftliche Verflechtungen. Die befragten Ärzte bestreiten, für den Auftritt auf der Website von Allergan entlohnt worden zu sein. Mehrere von ihnen haben von Allergan Honorare für andere Tätigkeiten - wie Vorträge, Beratungen oder Gutachten - erhalten. Unter ihnen sind auch die renommierten Kopfschmerz-Experten Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel sowie Arne May, Leiter der Kopfschmerzambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Göbel schult unter anderem im Auftrag von Allergan. May hat im Oktober auf einem Allergan-Symposium auf dem Deutschen Schmerzkongress einen Vortrag über Migräne gehalten. Einen Interessenkonflikt sehen beide Ärzte nicht. In welcher Höhe sie honoriert worden sind, wollten beide nicht sagen.

Allergan hat auf Anfrage von NDR und SZ geschrieben, das Unternehme sehe es als seine "Verantwortung, Betroffene über das Krankheitsbild aufzuklären und sie bei der Suche nach einem in der Diagnose und Therapie von Kopfschmerzerkrankungen erfahrenen Facharzt zu unterstützen"". Auf Fragen nach konkreten Zahlungen an Ärzte antwortet Allergan nicht. Sie seien nicht befugt, spezifische Informationen zu erteilen, so der Konzern. In den USA müssen Pharmahersteller dahingegen veröffentlichen, wie viel sie welchen Ärzten zahlen. Dort haben viele Mediziner im vergangenen Jahr mehrere Tausend US-Dollar von Allergan für Beratungstätigkeiten bekommen. Der höchste Beratervertrag brachte einem Arzt 49.839,55 Dollar ein.
Nur für den Fall, dass andere Medikamente nicht helfen, ist Botox als so genanntes Reservemittel zur Behandlung der chronischen Migräne zugelassen. Dadurch sah Allergan die Wirksamkeit von Botox bestätigt. In einer Pressemitteilung hatte der Konzern geschrieben, die Zulassung von Botox erweitere die Möglichkeiten der Linderung der Symptome der chronischen Migräne bei Erwachsenen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte auf Anfrage von NDR und SZ allerdings mit, dass die Zulassung kontrovers diskutiert worden sei. Der Herausgeber des pharma-unabhängigen Arznei-Telegramms, Wolfgang Becker-Brüser, sagte NDR und SZ, Botox bei Migräne sei "überflüssig, da es schlecht untersucht ist und zu viele Risiken hat." Es sei zudem "extrem teuer". Eine Behandlung kostet etwa 800 Euro, sie muss alle drei Monate wiederholt werden. In Schottland hat sich die zuständige Behörde geweigert, Botox zuzulassen. Der Hersteller habe keine ausreichend robuste klinische und ökonomische Studie vorgelegt.

Medizin am Abend DirektKontakt:

Norddeutscher Rundfunk Iris Bents Tel.: 040/4156-2304 Mail: i.bents@ndr.de