Personalmangel in Kliniken und Arztpraxen: Impfung verringert Ausfallquote

 Zur Grippevorbeugung bei Menschen ab 60 Jahren empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) jetzt alternativ zum bereits vorher empfohlenen Hochdosis-Impfstoff einen neuen, verstärkten Impfstoff. 

Dieser enthält zusätzlich den Hilfsstoff MF-59, um die Immunwirkung zu erhöhen. Ärzte können diesen neuen Impfstoff ab Frühjahr 2025 bestellen, die Impfung wird ab Herbst 2025 für Patientinnen und Patienten verfügbar sein. 

„Dieses zusätzliche Angebot könnte dazu beitragen, die Akzeptanz der Schutzimpfung zu steigern und die Impfquote zu erhöhen“, sagt Dr. Anja Kwetkat, Sprecherin der Arbeitsgruppe Impfen der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).

„Vor allem ältere Menschen sind nach wie vor von schweren Grippeverläufen betroffen“, so die Altersmedizinerin. Laut Robert Koch-Institut (RKI) haben sich in der Saison 2021/2022 lediglich 43 Prozent der Menschen ab 60 impfen lassen.

„Wir rufen insbesondere Arztpraxen dazu auf, im kommenden Frühjahr rechtzeitig zusammen mit dem bisherigen Influenza-Hochdosis-Impfstopf auch das Mittel mit dem neuen Wirkstoff MF-59 zu bestellen, um damit ältere Menschen ab 60 Jahren umfassend vor den entsprechenden Viren zu schützen“, sagt Kwetkat, Direktorin der Klinik für Geriatrie und Palliativmedizin am Klinikum Osnabrück und Mitglied der STIKO. „Die STIKO empfiehlt einen dieser beiden Impfstoffe für Ältere zu verwenden, da beide nach aktueller Studienlage besser wirken als die Standardimpfstoffe.“

Impfung reduziert das Risiko von Hospitalisierungen und entlastet Gesundheitssystem

Laut RKI wurden in der Grippesaison 2023/2024 rund 221.000 Grippe-Erkrankungen registriert. Bei Menschen ab 60 waren es 62.451. Allerdings gehe das Institut von einer deutlich höheren Zahl an Erkrankungen aus, da nicht alle Fälle erfasst werden. „Im Jahr 2023 kam es zu 10.290 Hospitalisierungen und 852 Todesfällen aufgrund einer nachgewiesenen saisonalen Influenza-Infektion“, heißt es in einem aktuellen RKI-Bericht. In Zeiten von Grippewellen kann es zu Überlastungen der Krankenhäuser kommen. „Eine Impfung senkt die Anzahl der Erkrankungen, reduziert das Risiko von Hospitalisierungen und entlastet somit das Gesundheitssystem“, sagt Anja Kwetkat.

Empfehlungen für Saison 2024/2025 unverändert: Impfung bis Mitte Dezember

Die aktuellen Empfehlungen der STIKO für die jetzige Impfsaison bleiben unverändert: Bis Mitte Dezember sollten sich neben den Über-60-Jähringen insbesondere Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mit dem Hochdosis-Impfstoff gegen Grippe impfen lassen – ab nächstem Jahr alternativ mit dem adjuvantierten Impfstoff, der bereits für Menschen ab 50 Jahren zugelassen ist. Eine grundsätzliche Impfung wird darüber hinaus für chronisch Kranke, Schwangere ab dem zweiten Trimester sowie medizinisches Personal empfohlen. Auch alle gesunden Erwachsenen, die mit alten oder mit chronisch kranken Menschen Kontakt haben, sollten sich impfen lassen.

„Während sich rund 80 Prozent der Ärzte impfen lassen, sind es bei Therapeuten und Pflegekräften in Gesundheitseinrichtungen nur rund die Hälfte. Hier sehen wir deutliches Potenzial“, erklärt Kwetkat. „Mit dem Herdenschutz, also einer hohen Impfquote in der Bevölkerung, wird der Schutz für alle erhöht. Schließlich gibt es auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können – auch die gilt es, zu schützen.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische Union empfehlen eine Durchimpfungsrate von mindestens 75 Prozent bei älteren Personen und vulnerablen Gruppen.

Personalmangel in Kliniken und Arztpraxen: Impfung verringert Ausfallquote

Bei dem aktuell bestehenden Personalmangel in den Kliniken und Arztpraxen verringert die Impfung von medizinischem Personal zudem durch eine Verringerung der Ausfallquote eine Zuspitzung der Personalengpässe während der Grippesaison. 

„Und schließlich profitieren die Beschäftigten im Gesundheitswesen auch persönlich, wenn sie sich impfen lassen. 

Auch für junge, gesunde Menschen ist eine Influenza-Infektion extrem unangenehm und kann –wenngleich seltener als bei alten Menschen – auch zu schweren Komplikationen führen“, erläutert Kwetkat.

IgM und IgG: Blutungsrisiko herkömmlicher Antikoagulanzien

Eine bahnbrechende Studie von Wissenschaftlern am LMU Klinikum München und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung hat gezeigt, dass Antikörper und das Komplementsystem zentrale Rollen bei der Entstehung von Thrombosen spielen. 

Diese Entdeckung könnte zu neuen Behandlungsstrategien führen, die ohne das Blutungsrisiko herkömmlicher Antikoagulanzien auskommen.

Venöse Thromboembolien (VTE) sind lebensbedrohliche Blutgerinnsel, deren Häufigkeit trotz präventiver Maßnahmen weltweit zunimmt. 

Die Rolle von Antikörpern in der Immunabwehr ist seit Langem bekannt, doch diese Studie bringt überraschende neue Erkenntnisse: 

IgM- und IgG-Antikörper, unabhängig von ihrer Spezifität gegenüber einem bestimmten Antigen, fördern die Bildung von Blutgerinnseln.

Antikörper als Schlüssel zur Thrombosebildung

IgM-Antikörper binden dabei an Endothelzellen, die die Blutgefäße auskleiden, und aktivieren sie, wodurch die Anlagerung von Blutplättchen eingeleitet wird. 


Diese Phase stellt den ersten Schritt zur Entstehung eines Thrombus dar. 


Im weiteren Verlauf lagern sich IgG-Antikörper an aktivierte Blutplättchen an und setzen das Komplementsystem in Gang, das eine Kaskade biochemischer Prozesse auslöst, die die Thrombosebildung durch inflammatorische Prozesse verstärken.

„Unsere Studie zeigt, dass Antikörper und das Komplementsystem eine bisher unterschätzte Rolle bei der Thromboseentstehung spielen, unabhängig davon, welche Antigene die Antikörper erkennen“, erklärt Prof. Konstantin Stark, leitender Oberarzt der Kardiologie am LMU Klinikum München und Autor der Studie.

IgM und IgG – mehr als nur Abwehrspieler

IgM und IgG gehören zu den wichtigsten Antikörpern im menschlichen Immunsystem. IgM-Antikörper sind die ersten, die nach einer Infektion produziert werden und spielen eine entscheidende Rolle bei der ersten Abwehr gegen Krankheitserreger. 


Sie sind besonders effizient in der Neutralisierung von Bakterien und Viren sowie in der Aktivierung des Komplementsystems. 


IgG-Antikörper sind die am häufigsten vorkommenden Antikörper im Blut und für die langfristige Immunität verantwortlich. 

Sie markieren Krankheitserreger, sodass diese leichter von Immunzellen erkannt und beseitigt werden können.

In der vorliegenden Studie zeigte sich jedoch, dass diese Antikörper nicht nur zur Immunabwehr beitragen, sondern auch Thrombosen auslösen und vorantreiben können. 

Besonders bemerkenswert ist, dass dieser Prozess unabhängig von der Antigenspezifität der Antikörper abläuft, was bedeutet, dass die Antikörper ihre prothrombotischen Wirkungen entfalten, ohne dass sie ein spezifisches Antigen erkennen müssen.

Neue Therapieansätze: Schutz vor Thrombosen ohne Blutungsrisiko

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Studie zeigt, dass die gezielte Hemmung des Komplementsystems Thrombosen verhindern kann. 


Im Gegensatz zu herkömmlichen Blutverdünnern, die oft das Risiko schwerer Blutungen erhöhen, bleibt die natürliche Blutgerinnung dabei unbeeinträchtigt. 


Die Forscher fanden heraus, dass diese Blockade nicht nur sicherer ist, sondern auch effektiv Thrombosen reduziert.

„Diese Methode bietet einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Prävention der Thrombose, der die Bildung von Blutgerinnseln verhindert, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen“, erklärt Prof. Stark.

Relevanz für COVID-19 und andere Erkrankungen

Die Studienergebnisse wirken sich nicht nur auf die Behandlung von venösen Thrombosen aus, sondern betreffen auch andere Krankheiten, bei denen das Komplementsystem beteiligt ist. Besonders interessant sind die Parallelen zwischen der Thromboseentstehung und den thrombotischen Komplikationen, die bei schwerem COVID-19 auftreten. In den Autopsieproben von COVID-19-Patienten fanden die Forscher die gleichen prothrombotischen Mechanismen wie in ihren Tiermodellen: Antikörper und das Komplementsystem arbeiteten zusammen, um die Bildung von Blutgerinnseln zu fördern.

Diese Erkenntnisse könnten auch bei der Behandlung anderer immunvermittelter Thrombosen eine Rolle spielen, wie beispielsweise beim Antiphospholipid-Syndrom. 


Zudem könnte die Hemmung des Komplementsystems in der Zukunft eine Schlüsselrolle bei der Behandlung von thrombotischen Komplikationen spielen, die durch Impfstoffe oder Antikörpertherapien ausgelöst werden, wie es bei einigen COVID-19-Impfstoffen berichtet wurde.

Klinische Anwendung und Zukunftsperspektiven

Die Möglichkeit, gezielt das Komplementsystem zu hemmen, ohne dabei das Risiko von Blutungen zu erhöhen, könnte besonders für Patienten von Bedeutung sein, die sowohl ein hohes Thrombose- als auch ein Blutungsrisiko haben.

„Wir stehen noch am Anfang der klinischen Erforschung dieser neuen Therapieansätze, aber unsere Ergebnisse bieten eine vielversprechende Perspektive in der Thromboseprävention“, sagt Prof. Stark abschließend. „Unsere Forschung zeigt, dass wir neue Wege gehen können, die primär an der Immunreaktion ansetzen, um Thrombosen effektiv und sicherer zu verhindern.“

MaAB - Medizin am Abend Berlin Fortbildung en VOR ORT


Prof. Konstantin Stark, LMU Klinikum München, Konstantin.Stark@med.uni-muenchen.de

Originalpublikation:
Antibodies and complement are key drivers of thrombosis. Stark et al. (Immunity 2024) https://doi.org/10.1016/j.immuni.2024.08.007

Geriatrischer Rehabilitation

Der Bericht des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die Erfahrungen mit der vertragsärztlichen Verordnung von geriatrischer Rehabilitation im Berichtsjahr 2023 liegt als Unterrichtung (20/13450) der Bundesregierung vor. 

Nach einer Gesetzesänderung wird bei einer vertragsärztlich verordneten geriatrischen Rehabilitation durch die Krankenkasse nicht überprüft, ob diese medizinisch erforderlich ist, sofern die Indikation durch geeignete Abschätzungsinstrumente überprüft wurde.

Zugleich wurde den Angaben zufolge der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) damit beauftragt, in der Rehabilitations-Richtlinie (Reha-RL) die Details zur Auswahl geeigneter Abschätzungsinstrumente zu regeln.

Mit Inkrafttreten der geänderten Reha-RL Ende Juli 2022 entfalle die Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit einer Leistung zur geriatrischen Rehabilitation, sofern Patienten älter als 70 sind mindestens eine rehabilitationsbegründende Funktionsdiagnose und zwei geriatrietypische Diagnosen vorliegen.

In dem Bericht heißt es, zusammenfassend könne festgestellt werden, dass die Daten für das Berichtsjahr 2023 keine grundsätzlichen Umsetzungsschwierigkeiten erkennen lassen, die eine Anpassung der Regelungen oder der Reha-RL erfordern.

Planungen der Facharzttermine


Wir möchten Sie herzlich einladen zum Webseminar "6 Monate zum Facharzttermin – Kommen innovative Therapien überhaupt noch beim Patienten an? 


Wie neue Versorgungsansätze hier unterstützen können."

In Deutschland sind die Wartezeiten für Facharzttermine ein zunehmendes Problem, besonders in der Dermatologie: Durchschnittlich warten Patienten hier 35 Tage auf eine Untersuchung in einer hautärztlichen Praxis, wie aktuelle Auswertungen einer führenden Krankenkasse zeigen. Nicht selten gibt es für Neupatienten sogar einen Aufnahmestopp. Dieser Umstand stellt die Betroffenen auf eine harte Probe und führt bei der Versorgung mit innovativen Therapien wie Biologika zu erheblichen Engpässen.

Biologika, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zugelassen und zur Behandlung diverser chronischer und entzündlicher Erkrankungen hochwirksam sind, erreichen häufig nicht die breite Masse der Betroffenen. Dabei empfiehlt unter anderem die im Juni 2023 verabschiedete S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis“ (Neurodermitis, atopisches Ekzem) das Potenzial neuer Therapien wie Biologika zu nutzen. Chronische Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis sind für die Betroffenen mit starken Einbußen an Lebensqualität sowie Stigmatisierungen verbunden. Umso wichtiger ist es, ihnen möglichst schnell und verlässlich eine zielgerichtete Diagnose und Therapie zukommen zu lassen.

Obwohl die WHO Deutschland als eines der Länder mit dem besten Zugang zu innovativen Therapien eingestuft hat, zeigt die Realität, dass Biologika und andere innovative Medikamente oft nicht flächendeckend ankommen. Die begrenzte Verfügbarkeit von Facharztterminen ist eine Ursache, aber auch das Nord-Süd-Gefälle beim Zugang zu fachgerechten dermatologischen Therapien, die ständige „Regressangst“ sowie die noch ausbaufähige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten spielen eine wichtige Rolle. Ist Deutschlands Ruf in puncto Therapieverfügbarkeit also noch gerechtfertigt? Welche Hürden gilt es zu meistern?

Lösungswege und Ideen gibt es bereits – nur: Können Digitalisierung (Stichwort: Telemedizin), neue Arbeitsmodelle oder auch Versorgungsverträge tatsächlich den Zugang zu innovativen Therapien verbessern?

Wir freuen uns auf die Vorträge und spannende Diskussionen von:

 

  • PD Dr. med. Sigbert Jahn, Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Immunologie
  • Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender, Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung
  • Verena Finkenstädt, Referentin Gesundheitspolitik, Verband der Privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV)
  • Dr. med. Ruth Hecker, Chief Patient Safety Officer, Universitätsmedizin Essen, Vorsitzende, Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS)

 

Prof. Dr. Reinhard Strametz, Leiter, Wiesbaden Institute for Healthcare Economics and Patient Safety (WiHelP) übernimmt die Moderation. 

   

Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 04. Dezember 2024 von 15:00 bis 17:00 Uhr statt.

 

Die Teilnahme am Webseminar ist für Sie kostenfrei und findet via WebEx statt. Für die Teilnahme an der Veranstaltung wurden Ärztepunkte bei der Bayerischen Landesärztekammer beantragt. 

Hitzetote und Hitzeschutz

Gesundheitsstaatssekretär Götz: 

„Der Klimawandel hat große Auswirkungen auf die Gesundheit vieler Menschen und auf das Gesundheitssystem“

4. Netzwerktreffen des Zentralen Netzwerks Hitzeschutz

Das vierte Netzwerktreffen des „Zentralen Netzwerks Hitzeschutz: Hitzeaktionsplan für Brandenburg“ findet heute auf Einladung des Gesundheitsministeriums und des Klimaschutzministeriums in Potsdam statt. Das Treffen dient dem Austausch und der weiteren Vernetzung aller relevanten Akteurinnen und Akteure sowie Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Klimaanpassung. Gemeinsam werden Ansätze und Maßnahmen diskutiert, wie die Brandenburger Bevölkerung am besten vor den Auswirkungen des Klimawandels und extremer Hitze geschützt werden kann. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der Hitzeschutz in Brandenburg nachhaltig und flächendeckend verankert werden kann. Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz eröffnete die Tagung mit einem Grußwort.

Staatssekretär Dr. Thomas Götz sagte: „Der Deutsche Wetterdienst stellte fest, dass der Sommer 2024 erneut deutlich zu warm war. Brandenburg war nach Berlin das zweitwärmste Bundesland in diesem Sommer. Wir sehen, dass der Klimawandel u.a. mit seinen Folgeerscheinungen Hitze und Dürre bereits jetzt große Auswirkungen auf die Gesundheit vieler Menschen hat. Die Anpassungen an die klimawandelbedingten Auswirkungen und die Vorbereitungen für einen effektiveren Hitzeschutz laufen in Brandenburg daher auf Hochtouren – vor allem dank der Anstrengungen der Akteurinnen und Akteure des Zentralen Netzwerks Hitzeschutz. Damit verfügen wir über ein Gremium, das ganz konkrete Maßnahmen entwickelt, um gefährdete Bürgerinnen und Bürger, wie zum Beispiel Hochaltrige, Kinder, Pflegebedürftige, oder Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen effektiv vor Hitze zu schützen. ‚Rückenwind‘ bekommen wir von der Bundesebene. Das neue Bundes-Klimaanpassungsgesetz ist am 1. Juli 2024 in Kraft getreten, und es hat Konsequenzen für Länder und Kommunen. Denn es trägt der Ernsthaftigkeit der Bedrohungen durch den Klimawandel Rechnung. Der Bereich menschliche Gesundheit und Pflege ist ein klar benanntes, wichtiges Handlungsfeld, insbesondere in den Kommunen. Denn Hitzeschutz ist Gesundheitsschutz und entlastet dadurch auch das Gesundheitssystem und stärkt dessen Resilienz.“

Laut Angaben des Deutschen Wetterdienstes verzeichnete Brandenburg nach Berlin in diesem Jahr die zweithöchsten Sommer-Temperaturen in Deutschland, mit einem Durchschnitt von 19,2 Grad Celsius gegenüber dem langjährigen Mittel von 17,3 Grad Celsius. Die Sonnenscheindauer lag mit 773 Stunden ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt von 662 Stunden. Diese klimatischen Entwicklungen bringen ernsthafte Gesundheitsgefahren mit sich: Laut einer aktuellen Studie der World Weather Attribution (WWA) sind allein in Europa im Jahr 2022 über 53.000 Menschen und im Jahr 2023 über 37.000 Menschen infolge extremer Hitze verstorben.

Die Tagesordnung des vierten Netzwerktreffens umfasst neben Fachvorträgen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze und der Stärkung urbaner Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen auch Berichte über erfolgreich umgesetzte Hitzeschutzmaßnahmen aus Brandenburg. So erfahren die Teilnehmenden mehr über das vom Umweltbundesamt mit dem „Blauen Kompass“ ausgezeichnete Projekt „Hitzehelfer*innen im Wohnquartier“ aus Brandenburg an der Havel und lernen die Klimaanpassungsstrategien der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (AWO) für Obdachlosenheime und Kitas kennen.

Hintergrund

Das „Zentrale Netzwerk Hitzeschutz: Hitzeaktionsplan Brandenburg“ wurde auf Initiative des Brandenburger Gesundheits- und des Klimaschutzministeriums im Juni 2023 gegründet. Es ist Bestandteil der Umsetzung des Gutachtens zum Hitzeaktionsplan für Brandenburg.

Ziel des Netzwerks ist es, alle relevanten Akteurinnen und Akteure auf Landesebene zu bündeln und konkrete Hitzeschutz-Maßnahmen zu entwickeln. Geplant ist weiterhin der Aufbau eines umfangreichen Kontaktnetzwerks, das den Wissenstransfer unter Fachakteuren erleichtert und die soziale Gerechtigkeit durch den Fokus auf besonders gefährdete Gruppen fördert.

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg registrierte für das Land Brandenburg im vergangenen Jahr 51 Hitzetote; im Jahr 2022 waren es 219. Den höchsten Stand verzeichnete Brandenburg mit 362 Hitzetoten im Jahr 2018. Im Durchschnitt der Jahre 1985 bis 2022 starben in Brandenburg jährlich 59 Menschen an Hitze.

Besonders gefährdet durch Hitze sind ältere Menschen, chronisch Kranke, Kleinkinder und Schwangere sowie pflegebedürftige Personen. Ihnen muss besondere Aufmerksamkeit in Hitzeperioden geschenkt werden. Aber auch Menschen, deren Arbeitsplatz im Freien oder in der Nähe von industriellen Wärmequellen sich befindet, können betroffen sein.

Weitere Informationen: 

https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/themen/gesundheit/umweltbezogener-gesundheitsschutz/hitzeaktionsplan/

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

Henning-von-Tresckow-Straße 2-13

14467 Potsdam

Tel: 0331 866-5044

Internet: https://msgiv.brandenburg.de

Asthma durch fossile Brennstoffe - Geld für die Therapie

Klimakonferenz soll über neue Zahlungen der Industriestaaten an ärmere Länder verhandelt werden. 

Doch ob und wie diese Zahlungen finanziert werden sollen, ist höchst umstritten. 

Die Studie eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) zeigt nun: Allein mit demjenigen Teil der Gewinne von Öl- und Gasunternehmen, der aufgrund der Energiekrise 2022 höher als erwartet ausfiel, hätten die bislang zugesagten Gelder der Industriestaaten für fast fünf Jahre gedeckt werden können. 

Die Forschenden empfehlen deshalb eine Besteuerung dieser sogenannten Übergewinne aus fossilen Brennstoffen.

Ein Schwerpunkt der UN-Klimakonferenz (COP 29) werden die Verhandlungen über die Finanzierung der Klimaziele sein. Die Industrieländer hatten zugesagt, dass 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an ärmere Länder für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel fließen. Nun soll die Nachfolgevereinbarung, das New Collective Quantified Goal (NCQG), beschlossen werden. Doch zum einen wurden die Zusagen nicht vollständig eingehalten, zum anderen blieb bei den bisherigen Verhandlungen über das NCQG unklar, wie weitere Gelder aufgebracht werden sollen.

Ein internationales Forschungsteam hat deshalb einen der im Raum stehenden Vorschläge untersucht: eine Steuer auf Übergewinne von Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen verdienen. 


Eine Übergewinnsteuer schöpft Gewinne ab, die aufgrund einer besonderen Situation, zumeist einer Krise, höher sind als sie für eine gewöhnliche Lage zu erwarten gewesen wären. 


Eine solche besondere Situation war die Energiekrise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Anfang 2022. In diesem Jahr stiegen die internationalen Energiepreise sprunghaft an.

Das Forschungsteam untersuchte die veröffentlichten Gewinne des Jahres 2022 von 93 der weltweit größten Öl- und Gasunternehmen und verglich sie mit den Gewinnerwartungen von Analystinnen und Analysten zu Beginn des Jahres. Erwartet wurden insgesamt rund 753 Milliarden US-Dollar. 


Tatsächlich erzielten die Unternehmen Gewinne von insgesamt rund 1,243 Billionen US-Dollar. 


Die Übergewinne aufgrund der Krise beliefen sich also auf rund 490 Milliarden US-Dollar. „Diese zusätzlich erzielten Profite nur eines Jahres belaufen sich annähernd auf die Summe, die den ärmeren Staaten für einen Fünfjahreszeitraum versprochen wurde“, sagt Studienleiter Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM.

42 Prozent der Übergewinne bei staatlichen Firmen

Um beurteilen zu können, ob Regierungen diese Übergewinne hätten umverteilen können, untersuchten die Forschenden, aus welchen Ländern die Unternehmen stammen und ob sie sich in staatlicher oder privater Hand befinden. 


42 Prozent der Übergewinne wurden von staatlich kontrollierten Firmen erzielt, der größte Anteil in Norwegen. 


„Die Regierungen haben also die unmittelbare Möglichkeit, die aufgrund einer Krise erzielten Profite abzuschöpfen, um sie zur Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen“, sagt die zweite Studienleiterin Dr. Anna Stünzi von der Universität St. Gallen.

Von den privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Übergewinne erzielten, hatten 95 Prozent ihren Hauptsitz in Staaten, die sich auf einen Beitrag zur Klimaschutzfinanzierung verpflichtet haben. „Mit einer Steuer auf Übergewinne aus Öl und Gas könnten zumindest einige Industriestaaten Einnahmen generieren, mit denen sie ihre Versprechen gegenüber den ärmeren Ländern erfüllen könnten“, sagt Florian Egli. Unter den privatwirtschaftlichen Unternehmen ging gut die Hälfte dieser Gewinne (143 Milliarden Dollar) an Firmen in den USA. Weitere 37 Prozent wurden von Firmen in Großbritannien, Frankreich und Kanada gemacht. Fast alle Firmen haben ihren Sitz in G20-Staaten.

„Abkommen zur Mindeststeuer könnte Vorbild sein“

„Mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen sind auf die Verbrennung von Öl und Gas zurückzuführen. 

Gleichzeitig ist die Öl- und Gasindustrie seit jeher eine der profitabelsten Branchen“, sagt Florian Egli. „Ein internationales Abkommen, diese Gewinne zu besteuern, wäre sicher nicht leicht zu erreichen. Aber die Vereinbarung zur globalen Mindeststeuer für Unternehmen, die mehr als 130 Staaten 2023 unter dem Dach der OECD und der G20 getroffen haben, könnte ein Vorbild sein.“ Die Steuern könnten beispielsweise in einen Fonds fließen, sodass auch in Jahren ohne Übergewinne Gelder zur Verfügung stehen. Bislang hatte die EU 2022 eine vorübergehende Übergewinnsteuer auf fossile Brennstoffe eingeführt, in Großbritannien gilt eine solche Steuer bis 2030.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass die Gewinne der Branche weltweit noch größer sind als die in der Studie genannten. 

Denn einige der größten Unternehmen, etwa aus Russland, Iran, Südafrika und Venezuela veröffentlichen ihre Zahlen nicht und konnten deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen werden.

„Die Besteuerung von Übergewinnen könnte Investitionen in Öl und Gas eindämmen und auslaufen lassen, einen stabilen und effizienten Markt für saubere Energie aufbauen und dazu beitragen, die Finanzströme mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen“, sagt Studienautor Prof. Michael Grubb vom University College London (UCL). „Die Neuausrichtung der Einnahmen aus fossilen Brennstoffen im Einklang mit den Klimazielen sollte als nächstes auf der globalen Agenda stehen.“

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Prof. Dr. Florian Egli
Technische Universität München (TUM)
Professur für Public Policy for the Green Transition
Tel.: ‭+49 151 28808292‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬
florian.egli@tum.de
www.gov.sot.tum.de/ppgt

Originalpublikation:
Florian Egli, Michael Grubb, Anna Stünzi: Harnessing oil and gas superprofits for climate action, Climate Policy 2024. DOI: 10.1080/14693062.2024.2424516
http://dx.doi.org/10.1080/14693062.2024.2424516