Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Höhenluft wird auch über einen längeren Zeitraum von Menschen mit Einkammerherz toleriert
Gemeinsame Hypofon-Studie des Universitätsklinikums Bonn, des
Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin (DLR, Köln) und der Deutschen
Sporthochschule Köln zeigt, dass der Kreislauf stabil bleibt
Eine lange Flugreise oder eine Übernachtung in den
Bergen:
Für viele Patientinnen und Patienten mit Fontan-Kreislauf (Einkammerherzen) war das bisher unvorstellbar, da medizinisch nur unzureichend erforscht war, wie sich akute Höhenveränderung auf ihr Herz-Kreislauf-System auswirkt.
Eine Studie, die das Universitätsklinikum Bonn (UKB) gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und weiteren Kooperationspartnern durchgeführt hat, liefert dabei jetzt mehr Gewissheit.
- Dank unterschiedlicher Messdaten konnte das Forschungsteam nachweisen, dass ein längerer Höhenaufenthalt von 24 bis 30 Stunden von den Betroffenen toleriert wird.
Die Ergebnisse sind jetzt in der
Fachzeitschrift „Circulation“ erschienen.
Um Fontan-Patientinnen und -Patienten mehr Lebensqualität zu
ermöglichen, hat das UKB gemeinsam mit dem DLR und der Deutschen
Sporthochschule Köln, gefördert durch die Stiftung KinderHerz,
untersucht, wie sich das Herz-Kreislauf-System der Betroffenen während
eines längeren Höhenaufenthaltes verhält.
Die Forschenden führten dafür eine Studie durch, die über vier Tage
inklusive Übernachtung mit 18 Probandinnen und Probanden im :envihab,
dem medizinischen Forschungszentrum des DLR in Köln, lief. Dort wurde
eine Höhe von 2.500 m üNN simuliert und der Einfluss von Hypoxie
(Sauerstoffmangel) auf verschiedene kardiologische und
stoffwechselbedingte Parameter untersucht.
Die Forschenden werteten sowohl den invasiven Druck durch einen Katheter im Fontan-Tunnel als auch den Blutfluss in der Lunge mithilfe von Echtzeit- Magnetresonanztomographie aus (MRT).
Die Ergebnisse zeigten, dass sich weder der Blutdruck noch der Blutfluss in der Lunge signifikant verändern und die Probandinnen und Probanden damit einen längeren Höhenaufenthalt von 24 bis 30 Stunden komplikationslos tolerieren können.Sättigungswerte auch im Schlaf stabil
Insbesondere werteten die Forschenden auch die Sättigungswerte im Schlaf aus.
„Das Atemmuster beim Schlafen in der Höhe ist grundsätzlich ein anderes“, erklärt Dr. Nicole Müller, Studienleiterin und Oberärztin der Abteilung Kinderkardiologie am UKB.
„Auch bei gesunden Menschen kommt es dabei zu einer veränderten Atmung mit kurzen Pausen.
Deshalb war es für uns spannend zu beobachten, wie sich die Höhenluft im Schlaf auf Fontan-Patientinnen und -Patienten auswirkt“.
Die Auswertungen zeigten
erfreulicherweise, dass die Sauerstoffsättigung auch beim Schlafen
ausreichend und die Veränderung sogar mit der von gesunden Personen
vergleichbar ist.
„Das sind großartige Ergebnisse“, so Dr. Müller. „Ich denke, dass das
vielen Fontan-Patientinnen und -Patienten ganz neue Möglichkeiten
bietet. Vorher gab es nur Studiendaten darüber, wie sich eine
kurzfristige Hypoxie auf ihr Herz-Kreislauf-System auswirkt – Daten über
eine längere Hypoxie inklusive Übernachtung haben bisher jedoch
gefehlt. Viele Betroffene haben sich deshalb noch nie in ihrem Leben
einen längeren Höhenaufenthalt, wie beispielsweise eine Flugreise nach
Australien oder eine Übernachtung in den Bergen, zugetraut. Unsere
Studie zeigt jetzt, dass dabei unter bestimmten Voraussetzungen keine
gesundheitliche Gefahr besteht.“
Die Ergebnisse können Ärztinnen und
Ärzten, die Menschen mit Fontan-Kreislauf betreuen, als Orientierung
dienen, wenn diese längere Flugreisen oder kürzere Aufenthalte in großer
Höhe unternehmen möchten.
„Das :envihab des DLR am Standort Köln bietet einzigartige Möglichkeiten
für die patientenorientierte Forschung“, so Prof. Jens Tank, Leiter der
Abteilung Kardiovaskuläre Luft- und Raumfahrtmedizin am DLR.
„Die invasive Druckmessung im Fontankreislauf und die Untersuchung mit Echtzeit-MRT sind in der Höhe unter realen Bedingungen nicht realisierbar.
Im :envihab konnten wir die Fontan-Patientinnen und -Patienten über mehrere Tage und Nächte unter sehr komfortablen Bedingungen untersuchen und sie sicher einer sauerstoffreduzierten Atmosphäre aussetzen.
Wir hoffen sehr, dass wir in Zukunft noch weitere
spannende Studien gemeinsam durchführen können.“
„Das ist eine großartige Entwicklung für die Medizin und trägt zu
besseren Lebensumständen aller Patientinnen und Patienten mit
angeborenem Herzfehler bei“, ergänzt Sylvia Paul, Vorstand der Stiftung
KinderHerz. „Wir sind froh, dass wir die gemeinsame Studie des UKB, des
DLR und der Deutschen Sporthochschule Köln fördern und damit dazu
beitragen konnten, Fontan-Patientinnen und -Patienten ein Stück mehr
Lebensqualität zu ermöglichen.“
Finanzierung: Die Studie wird durch die Stiftung KinderHerz unterstützt,
die sich über Spenden finanziert. Weitere Informationen gibt es unter
www.stiftung-kinderherz.de/was-wir-tun/unsere-foerderprojekte/hoehenanpassung-bei-fontan-patienten-bonn
Dr. Nicole Müller
Oberärztin der Abteilung Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
E-Mail: Nicole.Mueller@ukbonn.de
Petra Sandow Universitätsklinikum Bonn
Venusberg-Campus 1
53127 Bonn
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Viola Röser
Telefon: +49 228 287-10469
E-Mail-Adresse: viola.roeser@ukbonn.de
E-Mail-Adresse: petra.sandow@ukbonn.de
Originalpublikation:
Publikation: Nicole Müller et. al.; Peripheral Oxygenation and Pulmonary Hemodynamics in Individuals With Fontan Circulation During 24-Hour High-Altitude Exposure Simulation; DOI: https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.123.067601