Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Allgegenwärtige Nährstoffe hemmen Appetit und fördern Bewegung
Forschende der ETH Zürich zeigen in Versuchen bei Mäusen, dass nicht-essenzielle Aminosäuren appetithemmend wirken und den Bewegungsdrang fördern.
Ihre Forschung gibt Einblick in den neuronalen Mechanismus, der diese Verhaltensweise steuert.
Proteine können den Appetit hemmen.
- Eine proteinreiche Ernährung kann daher Personen helfen, ihr Gewicht zu reduzieren.
Nicht zuletzt deshalb ist eine solche Ernährung in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden.
Forschende der ETH Zürich haben nun in Mäusen einen neuen Mechanismus aufgezeigt, über welchen die Bausteine der Proteine – die Aminosäuren – den Appetit zügeln.
- Dabei geht es um die sogenannten nicht-essenziellen Aminosäuren.
Unser Körper kann von den 21 Aminosäuren, die er benötigt, deren 9 nicht selbst herstellen.
- Sie werden essenzielle Aminosäuren genannt, und wir müssen sie zwingend über die Nahrung aufnehmen.
Daher fokussierte sich die Ernährungsforschung bisher auf diese.
Die anderen 12 Aminosäuren gelten als nicht-essenziell.
Der Körper kann sie durch die Veränderung anderer Moleküle selbst herstellen.
Bei Mäusen gezeigt
Dass sowohl essenzielle als auch nicht-essenzielle Aminosäuren den Appetit hemmen können, ist seit Längerem bekannt.
Für die
nicht-essenziellen ist der Wirkmechanismus bisher jedoch noch nicht in
lebenden Organismen nachgewiesen worden. Forschende unter der Leitung
von Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich,
haben nun zum ersten Mal in einem Lebewesen gezeigt, dass die
nicht-essenziellen Aminosäuren das Gehirn auf eine Weise beeinflussen,
die appetitzügelnd und bewegungsfördernd wirkt.
Die Wissenschaftler fütterten Mäusen zunächst entweder eine Mischung aus
verschiedenen nicht-essenziellen Aminosäuren oder eine Zuckerlösung
mit gleich vielen Kalorien (Kontrollgruppe). Anschliessend konnten beide
Mäusegruppen einen Milchshake trinken, den sie normalerweise lieben.
Während die Kontrollgruppe ausgiebig davon trank, mieden die Mäuse, die
zuvor mit nicht-essenziellen Aminosäuren gefüttert wurden, den
Milchshake. Sie machten sich stattdessen in ihrem Gehege auf die Suche
nach einer alternativen Nahrung.
Ursprung in der Evolutionsgeschichte
Mit weiteren Versuchen konnten die Forschenden den Mechanismus
entschlüsseln, bei dem spezialisierte Nervenzellen im Gehirn –
Orexin-Neuronen – die Hauptrolle spielen.
Proteine, welche die Mäuse über die Nahrung aufnehmen, werden im Darm in ihre Aminosäuren verdaut, welche dort ins Blut gelangen.
Über das Blut werden sie auch ins Gehirn transportiert.
Die Orexin-Neuronen im Hypothalamus besitzen Rezeptoren, welche spezifisch die nicht-essenziellen Aminosäuren erkennen.
Als
Reaktion setzen sie einen neuronalen Schaltkreis in Gang, der die
beschriebenen Verhaltensänderungen bewirkt.
Der Ursprung dieses Mechanismus dürfte in der Evolutionsgeschichte
liegen.
«Heute stehen uns von allen Nährstoffen genügend zur Verfügung, und wir haben für die Nahrungsaufnahme ausreichend Zeit.
Während der Urgeschichte, als sich dieser Mechanismus entwickelt hat, dürfte das anders gewesen sein», sagt Paulius Viskaitis, Postdoc in Burdakovs Gruppe und Erstautor der Studie.
- «Damals war es für ein Individuum vorteilhaft, sich nur kurz mit einer Nahrungsquelle zu beschäftigen, die vor allem aus nicht-essenziellen Aminosäuren bestand.»
- Wird durch das
Essen von nicht-essenziellen Aminosäuren der Bewegungsdrang gefördert,
macht sich das Tier auf die Suche nach anderen Nahrungsquellen, die
möglicherweise mehr essenzielle Nährstoffe enthalten und für das
Individuum wichtiger sind.
Die Forschungsergebnisse seien auf den Menschen und andere Tiere übertragbar, betont Viskaitis.
Denn der Mechanismus betreffe eine evolutionsgeschichtlich sehr alte Hirnregion, die in allen Säugetieren und vielen weiteren Wirbeltieren gleichermassen vorkomme.
Personen, die abnehmen möchten, könne man eine Diät mit besonders vielen nicht-essenziellen Aminosäuren trotzdem nicht ohne Weiteres empfehlen, sagt der ETH-Wissenschaftler. Ernährungsempfehlungen müssten individuell erfolgen und gesundheitliche Aspekte mitberücksichtigen.
Denis Burdakov, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich
denis.burdakov@hest.ethz.ch
+41 44 655 74 52
Lina Ehlert Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)
Rämistr. 101
8092 Zürich
Schweiz
Zürich
Originalpublikation:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982222003372?via%3Dihub