Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Notfall Herzinfarkt: Schnellere und sicherere Diagnose mit Risiko-Kalkulator
Herzinfarkt-Vorhersage soll für Ärzte mit Hilfe eines
Online-Risikorechners auf Basis von Troponin-Bluttests genauer werden:
Medizin am Abend Berlin ZusatzFachLink: Laborrechner
Forscher am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erhält August Wilhelm
und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen Stiftung für
Herzforschung
Bei Herzinfarkt-Verdacht zählt jede Minute:
Für den Patienten, der
mit Brustschmerzen in die Notaufnahme eingeliefert wird, aber auch für
den Notfallmediziner in der Klinik.
Er muss rasch abklären, ob ein
Herzinfarkt vorliegt oder ob nicht doch eine andere
Herz-Kreislauf-Problematik Ursache der Brustschmerzen ist, die auch
medizinisch versorgt werden muss.
Der Herzinfarkt (Myokardinfarkt) zählt
mit rund 47.000 Sterbefällen pro Jahr zu den häufigsten Todesursachen
in Deutschland.
„Akute Brustschmerzen mit Verdacht auf einen Herzinfarkt
gehören zu den häufigsten Beschwerdebildern einer Notfallstation“, sagt
Privatdozent Dr. med. Johannes Neumann, Kardiologe am Universitären
Herz- und Gefäßzentrum Hamburg und der Klinik für Allgemeine und
Interventionelle Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
(UKE).
„Der rasche und zuverlässige Nachweis oder Ausschluss eines
akuten Herzinfarktes ist daher von höchster Bedeutung.“
Nach Auswertung
der Daten von über 22.600 Herznotfallpatienten hat Dr. Neumann gemeinsam
mit einem internationalen Forscher-Team einen Online-Risikokalkulator
auf Basis von
Troponin-Bluttests aus der Herzinfarkt-Diagnostik
entwickelt. Für dieses COMPASS-MI-Projekt, das im renommierten New
England Journal of Medicine* publiziert wurde, erhielt er im Herbst den
August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen
Stiftung für Herzforschung. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert. „Die
Arbeit stellt einen sehr wichtigen Beitrag in der Herzinfarkt-Versorgung
dar. Denn je schneller der Herzinfarkt oder eine andere schwerwiegende
Herzerkrankung diagnostiziert werden kann, umso rascher lässt sich ein
möglicher chronischer Schaden am Herzmuskel bis hin zum Worst-Case
Herztod verhindern“, betont Prof. Dr. med. Armin Welz, Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung.
Der beste Zeitpunkt für die zweite Troponin-Messung?
Studie soll Klarheit bringen
Standard in der medizinischen Akutversorgung von Notfallpatienten mit
Verdacht auf Herzinfarkt ist die Messung der Konzentration von
hochsensitivem Troponin in deren Blut. Diese Messung erfolgt auf Basis
von festen Grenzwerten,
wenn nicht zuvor schon mit einem
Elektrokardiogramm (12-Kanal-EKG) die Diagnose gesichert werden konnte
(zur Troponin-Messung siehe Kasten).
Allerdings existieren
unterschiedliche Möglichkeiten für den Zeitpunkt der zweiten
Troponin-Messung.
„Empfehlungen variieren zwischen einer Zweitmessung
nach einer oder erst nach sechs Stunden“, gibt PD Neumann zu bedenken.
„Auch unklar bleibt der Umgang mit der Langzeit-Prognose für Patienten,
die zwar keinen Herzinfarkt haben, aber anhaltend erhöhte Troponin-Werte
im Blut aufweisen.
Mit unserer Studie wollen wir hier mehr Klarheit
schaffen.“
Individuellere und genauere Herzinfarkt-Vorhersage für Ärzte
Im Rahmen COMPASS-MI-Projektes haben Neumann und Kollegen am UKE in
Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam ein neuartiges
Konzept der Herzinfarkt-Diagnostik entwickelt.
Die Basis hierfür liefert
die Auswertung von Daten von über 22.600 Patienten mit Verdacht auf
einen Herzinfarkt aus Patienten-Kohorten in 13 Ländern. Das mit
COMPASS-MI verbundene Ziel ist ein Risiko-Kalkulator, der es Ärzten
schneller als bisher erlauben soll
Herzinfarkt-Niedrig-Risiko- von
Hoch-Risikopatienten zu unterscheiden.
Die Verwendung von flexiblen
Grenzwerten erlaubt den Hamburger Wissenschaftlern zufolge „ein
individuelles diagnostisches Vorgehen“ und eine „bessere Genauigkeit bei
der Vorhersage eines Herzinfarktes“.
In den Risiko-Rechner wurden
folgende Faktoren integriert:
-
- die gemessene Konzentration von Troponin-I und -T bei Vorstellung des Patienten in der Klinikambulanz,
-
- die Veränderung der Troponin-Konzentration während der
Troponin-Messungen im Zeitverlauf (Wiederholungsproben 45-120 Minuten
und 121-210 Min. nach Erstmessung),
-
- die Zeitspanne zwischen erfolgten Messungen.
Somit lässt sich ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass
der Patient zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme einen Herzinfarkt hat und
e
inen Herzinfarkt bis zu 30 Tage nach Erstvorstellung in der
Notfallambulanz erleidet.
- Bei den ausgewerteten Patienten wurden
hochsensitives Troponin-I und -T direkt bei Vorstellung in der
Notaufnahme und erneut nach 45-120 Minuten oder 121-210 Minuten
bestimmt.
Die Auswertung der Patientendaten ergab unter anderem bei 15,3
% einen
gesicherten Herzinfarkt.
- Diejenigen Patienten, bei denen die
Wiederholungsblutprobe im Zeitfenster 45-120 Minuten nur eine geringe
Veränderung der Ausgangskonzentration von hochsensitivem Troponin-I im
Blut ergab, sind als Niedrig-Risikopatienten einzustufen.
In einem
Beispiel traf dies auf mehr als die Hälfte der ausgewerteten Patienten
(56,5 %) zu (das 30-Tage-Risiko für Herzinfarkt/Tod in dieser Gruppe lag
bei 0,2 %).
- Zeigte sich hingegen ein deutlich erhöhtes Troponin oder
ein deutlicher Anstieg in der zweiten Messung, so waren die Patienten
der Hoch-Risikogruppe zuzuordnen (das 30-Tage-Risiko für Herzinfarkt/Tod
lag hier bei etwa 4,8 %).
Das Fazit von Dr. Neumann und Prof. Dr. med. Stefan Blankenberg (UKE):
„Das COMPASS-MI-Konzept erweitert den derzeitigen Ansatz von festen
Grenzwerten auf eine individuellere Risikovorhersage und stellt darin
einen Paradigmenwechsel in der Frühdiagnostik des Herzinfarktes dar.“
Troponin: den Herzinfarkt im Blut
Um die Diagnose Herzinfarkt zu sichern, schreiben Ärzte zunächst ein
Elektrokardiogramm (12-Kanal-EKG).
Ist das Ergebnis nicht eindeutig,
wird die Konzentration des kardialen Troponins im Blut bestimmt.
Troponin ist ein Proteinkomplex, der dazu beiträgt, dass
Herzmuskelzellen kontrahieren und das Herz seine Pumpfunktion erfüllen
kann.
Erhalten die Herzmuskelzellen wie beim Herzinfarkt zu wenig
Sauerstoff und werden nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt,
sterben sie ab:
kardiales Troponin wird freigesetzt und gelangt ins
Blut.
Aber auch andere Erkrankungen und Schädigungen wie z. B. eine
Lungenembolie oder bestimmte Herzrhythmusstörungen können den
Troponin-Spiegel im Blut ansteigen lassen.
Tipp: Die Deutsche Herzstiftung bietet für Patienten mit
Herz-Kreislauf-Erkrankungen unter
www.herzstiftung.de kostenfrei
Informationen und Ratgeber an. Telefonische Bestellung unter 069
955128400 oder per E-Mail unter bestellung@herzstiftung.de.
Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Vorstandsmitglied der Deutschen
Herzstiftung, Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am
Deutschen Herzzentrum München.
DHM
Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Vorstandsmitglied der Deutschen
Herzstiftung, Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am
Deutschen Herzzentrum München. DHM
Medizin am Abend Berlin - MaAB-Fazit: Lebensrettender Gefäßtest warnt vor Herzinfarkt und Schlaganfall
Schmerzlos und zuverlässig gefährliche Durchblutungsstörungen wie
„Schaufensterkrankheit“ und koronare Herzkrankheit aufdecken:
„ABI-Test“
erfolgt mit Blutdruckmanschette und Doppler-Ultraschall
Bei Betroffenen mit der
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(pAVK) wird das Problem mit Schmerzen beim Gehen, häufig in den Waden,
offensichtlich.
Weil für Betroffene längeres Stehen – beispielsweise vor
einem Schaufenster – die Schmerzen abklingen lässt, wird die pAVK auch
„Schaufensterkrankheit“ genannt.
Nach Schätzungen leiden unter dieser
Durchblutungsstörung in Deutschland vier bis fünf Millionen Menschen.
Etwa drei Millionen Betroffene wissen nichts von ihrer Erkrankung, denn
die Schaufensterkrankheit tritt erst spät auf.
„Patienten mit pAVK
tragen ein hohes Risiko, eine Herzerkrankung wie Herzinfarkt oder einen
Schlaganfall zu erleiden, weil bei ihnen häufig auch Ablagerungen in den
Herzkranz- oder Halsarterien zu finden sind“, warnt Prof. Dr. med.
Heribert Schunkert vom Vorstand der Deutschen Herzstiftung in der
aktuellen Ausgabe der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute.
In
fortgeschrittenen Stadien der pAVK drohten zudem Geschwüre
(„offenes
Bein“) bis hin zur Beinamputation. „Umso mehr müssen wir die Personen
mit einem erhöhten Risiko frühzeitig entdecken und die diagnostizierte
Herz- oder Kreislauferkrankung behandeln“, betont der Direktor der
Klinik für Erwachsenenkardiologie am Deutschen Herzzentrum München
(DHM). Mit der Messung des Knöchel-Arm-Index, auch „ABI-Test“ genannt
(ABI: Ankle Brachial Index), bietet die Medizin eine simple und völlig
schmerzlose Untersuchungsmethode.
„Der ABI-Test kann anzeigen, ob die
Blutgefäße frei oder verengt sind – noch bevor Beschwerden auftreten“,
erklärt die Gefäßspezialistin und Funktionsoberärztin der angiologischen
Ambulanz am DHM, Prof. Dr. med. Birgit Steppich.
Ab welchem ABI-Wert liegt eine pAVK vor?
Für die ABI-Messung legt der Arzt oder die Ärztin Blutdruckmanschetten
am Oberarm und am Knöchel des Patienten an. Nach einer Ruhephase werden
die Manschetten wie bei einer klassischen Blutdruckmessung aufgeblasen.
Mit einem Doppler-Ultraschallgerät wird einmal der systolische Blutdruck
(oberer Blutdruckwert) am Knöchel, danach am Oberarm gemessen. Beide
Messungen werden rechts und links durchgeführt. Der ABI wird ermittelt,
indem der am Knöchel bestimmte durch den am Oberarm gemessenen Blutdruck
geteilt wird. Dieses Ergebnis (Quotient) ist der ABI. „Den ABI-Test
sollte jeder ab 65 Jahren einmal von seinem Arzt oder seiner Ärztin
durchführen lassen. Personen mit Risikofaktoren für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einer pAVK in der Familie sollten ihn
ab 50 Jahren machen“, raten Schunkert und Steppich.
Eine pAVK liegt vor, wenn die Berechnung einen Wert unter 0,9 ergibt.
Normale Werte liegen bei einem ABI-Quotienten zwischen 0,9 und 1,2. Je
niedriger der ABI-Wert, desto weiter fortgeschritten ist die
Durchblutungsstörung.
- „Aber auch ABI-Werte über 1,3 sind ebenfalls
krankhaft. Sie zeigen eine besondere Art der Gefäßversteifung, die
Mediaverkalkung an, die vor allem bei Patienten mit Diabetes und
Nierenschwäche auftritt“, betont Schunkert.
Bei der Mediaverkalkung hat
die Ader ihre Elastizität verloren und lässt sich mit der
Blutdruckmanschette nicht eindrücken.
Typische Risikofaktoren, neben
einem hohen Alter, für das Entstehen einer pAVK sind:
- Rauchen
- Zuckerkrankheit Diabetes mellitus
- Fettstoffwechselstörungen (hohe Cholesterinwerte)
- Bluthochdruck
- erbliche Veranlagung
- bei zehn Prozent der Patienten andere Faktoren wie entzündliche Prozesse.
Entsprechend ist eine Umstellung des Lebensstils durch Verzicht auf das
Rauchen, Achten auf Normalgewicht, gesunde Ernährung und ausreichend
Ausdauerbewegung möglichst 30-40 Minuten drei- bis fünfmal die Woche
fester Bestandteil der Therapie.
Fazit: Eine ABI-Messung kann Leben retten: Schnell und risikolos lässt
sich die pAVK feststellen, ebenso das individuelle Risiko für
Herzinfarkt und Schlaganfall. Patienten mit pAVK und einer erhöhten
Gefährdung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen können entdeckt und dank
einer frühzeitigen Diagnose und Therapie vor lebensbedrohlichen
Komplikationen bewahrt werden. Die Aussagekraft der risikolosen
ABI-Messung ist durch eine große Studie („getABIStudie“), schon seit
2001 belegt.
pAVK: Woher kommen die Schmerzen in den Beinen?
Die Ursache der pAVK liegt in der Arteriosklerose, der „
Verkalkung“ von
Arterien: Blutfette, Kalk, Bindegewebe und entzündungsfördernde Zellen
lagern sich in der Innenwand der Blutgefäße ab und bilden sogenannte
Plaques, die in das Gefäß hineinragen und es verengen.
Meistens sind die
Arterien der Beine und des Beckens betroffen.
Dadurch gelangt nicht
mehr ausreichend Blut in die Beine und es kommt zu Schmerzen, weil die
Muskelzellen in den Waden nicht genügend Sauerstoff und Nährstoffe
erhalten.
Das erklärt die ziehenden Schmerzen in der Wade
(„Übersäuerung“).
Mehr zum Thema und Fachliteraturhinweise erhalten Sie in dem Beitrag
„ABI-Test kann Leben retten“ in der aktuellen Ausgabe von HERZ heute
4/2019.
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
www.medizin-am-abend.blogspot.com
Über Google: Medizin am Abend Berlin
idw - Informationsdienst Wissenschaft e. V.
Deutsche Herzstiftung e.V.
Michael Wichert /
www.herzstiftung.de
Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt
Deutschland
Hessen
E-Mail-Adresse:
koenig@herzstiftung.de
Pierre König
Telefon: 069 / 955128-140
Fax: 069 / 955128-313
E-Mail-Adresse:
koenig@herzstiftung.de
Originalpublikation:
Neumann J. T. et al. Application
of High-Sensitivity Troponin in Suspected Myocardial Infarction, N Engl
J Med 2019; 380: 2529-40 DOI: 10.1056/NEJMoa1803377
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
https://www.youtube.com/watch?v=-7V6gTiIcus - Video-Clip mit dem Forscher