Medizin am Abend Berlin Fazit: Was ist Asthma – und wenn ja wie viele?
In einer großen Langzeituntersuchung studieren Wissenschaftler und
Ärzte des Deutschen Zentrums für Lungenforschung die unterschiedlichen
Verläufe von Asthma-Erkrankungen vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter.
In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins BMC Pulmonary Medicine stellen
sie das Studienprotokoll vor.
Unterschiedliche Krankheitsverläufe beim Asthma mit zwei
Zeitfenstern, die im Zentrum der ALLIANCE-Forschung liegen.
(Abbildung[M]: Fuchs et al., 2018)
Fuchs et al., 2018
Was ist Asthma – und wenn ja wie viele?
Frei nach einem populären
Buchtitel könnte man auch die Fragestellung der All Age Asthma Cohort
(ALLIANCE) definieren.
Denn tatsächlich kennen Mediziner nicht nur ein
Asthma, sondern eine Vielzahl typischer Krankheitsverläufe (siehe
Abbildung).
Bei gut einem Viertel aller Kinder tritt mindestens einmal
in der frühen Kindheit Giemen auf. Dabei handelt es sich um ein
typisches Geräusch beim Ausatmen, das durch verengte Atemwege
hervorgerufen wird.
Gleichwohl es Anzeichen für ein späteres Asthma sein
kann, behalten nur 3-5% aller Kinder, die Giemen oder andere frühe
Symptome zeigen, ihr Asthma bis zum Erwachsenenalter.
- In anderen Fällen
tritt Asthma überhaupt erst im Erwachsenenalter auf, dann aber oft in
schwerer Form.
Um vorhersagen zu können, wie eine Erkrankung verläuft und wie sie
behandelt werden sollte, hat das DZL bereits in der ersten Förderperiode
die ALLIANCE-Kohorte ins Leben gerufen. Sie umfasst mittlerweile mehr
als 600 Patienten im Alter zwischen sechs Monaten und 75 Jahren sowie
fast 200 gesunde Personen. Alle Teilnehmer kommen in der Regel jährlich
in die jeweiligen Studienzentren. Im Rahmen des Untersuchungsprogramms
misst das ALLIANCE-Studienteam
Lungenfunktion und Atemwegsentzündung der
Probanden und prüft, inwieweit sie gegen bestimmte Allergene
sensibilisiert sind.
Biomaterialien wie Blut, Nasenabstriche, Sputum und
Ausatemluft werden gesammelt und analysiert.
Strukturierte
Fragebogen-Interviews und Daten aus den Patientenakten dokumentieren
Symptome, Krankheitsverlauf, Lebensumstände und Umweltfaktoren. Um die
Ergebnisse bei Kindern und Erwachsenen direkt vergleichen zu können, ist
das Spektrum der Untersuchungen zwar so ähnlich wie möglich gestaltet,
allerdings sind manche Tests nicht in gleicher Art oder gleichem Umfang
bei den Kindern möglich.
Mithilfe einer ganzen Reihe tiefgehender molekularbiologischer
Analysemethoden (‚Deep Phenotyping‘) sollen Mechanismen der
verschiedenen Verläufe aufgeklärt werden. Daten- und Biobanken der
ALLIANCE-Kohorte umfassen mittlerweile Hunderttausende an Datenpunkten
und Patientenproben. Ihre Analyse hat bereits begonnen.
„Krankhafte
Veränderungen der Atemwege lassen sich zurzeit nur spät oder zu spät
feststellen“, so Dr. Thomas Bahmer von der LungenClinic Grosshansdorf.
„Daher suchen wir Substanzen im Blut und in der Ausatemluft, die schon
frühzeitig Auskunft über ein mögliches Risiko oder einen bestimmten
Krankheitsverlauf geben.“
Außerdem haben die Wissenschaftler eine neue
Technik zur
Messung von Entzündungsbotenstoffen in der Nasenschleimhaut
entwickelt. „Wenn uns die Schleimhaut der Nase, also die oberen
Atemwege, etwas über die – für die Diagnostik nur schlecht erreichbaren –
unteren Atemwege sagen könnte, hätten wir eine bessere und einfachere
Untersuchungsmethode zur Verfügung“, so Dr. Oliver Fuchs, der als
pädiatrischer Allergologe am Inselspital Bern und der Kinderklinik des
Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck arbeitet. „Besonders
bei kleinen Kindern könnte diese harmlose und einfache Technik in der
Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen."
ALLIANCE ist eines der großen klinischen Flaggschiffprojekte des DZL.
Beteiligt sind die Standorte ARCN (Kiel/Lübeck/Borstel/Großhansdorf),
BREATH (Hannover), UGMLC (Gießen/Marburg/Bad Nauheim) und CPC-M
(München) sowie die Uniklinik Köln als DZL-externer Partner. Im
pädiatrischen Teil arbeiten das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
(Campus Lübeck), die Medizinische Hochschule Hannover, das
Universitätsklinikum Gießen-Marburg, das Klinikum der Universität
München und die Uniklinik Köln zusammen. Erwachsene Patienten nehmen an
der LungenClinic Grosshansdorf und am Forschungszentrum Borstel teil.
Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL):
Das im Jahr 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Lungenforschung ist ein
Zusammenschluss aus 28 führenden universitären und außeruniversitären
Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen.
Es ist eines der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung
(DZG). Ziel des DZL ist es, neue Ansätze für Prävention, Diagnose und
Therapie von weit verbreiteten Lungenerkrankungen zu entwickeln und
zügig in die praktische Anwendung zu überführen.
Im Fokus stehen:
Asthma
und Allergien, Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD),
Mukoviszidose, Diffuse Parenchymatöse (Interstitielle)
Lungenerkrankungen, Lungenentzündung und Akutes Lungenversagen,
Lungenhochdruck, Lungenkrebs sowie Lungenerkrankungen im Endstadium.
Standorte sind Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf, Gießen/Marburg/Bad
Nauheim, Hannover, Heidelberg und München.
https://www.dzl.de
Was ist Asthma – und wenn ja wie viele?
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Dr. Jörn Bullwinkel, Standortkoordinator Airway Research Center North (ARCN), Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
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Originalpublikation:
https://bmcpulmmed.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12890-018-0705-6
Fuchs O*, Bahmer T*, Weckmann M, Dittrich AM, Schaub B, Rösler B, Happle
C, Brinkmann F, Ricklefs I, König IR, Watz H, Rabe KF**, Kopp MV**,
Hansen G**, von Mutius E** (2018) The all age asthma cohort (ALLIANCE) -
from early beginnings to chronic disease: a longitudinal cohort study.
BMC Pulm Med 18: 140 (*,** geteilte Autorschaft)
