Medizin am Abend Berlin Fazit: Bauchfett produziert Stoff, der Insulinresistenz und Entzündungen begünstigt
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung des DZD hat einen
neuen Botenstoff identifiziert, der das Entstehen von Insulinresistenz
sowie chronischen Entzündungen begünstigt.
- Er wird bei starkem
Übergewicht aus den Fettzellen des Bauchfetts freigesetzt und ans Blut
abgegeben.
Die neuen Erkenntnisse könnten künftig dazu beitragen,
alternative Ansätze für die Therapie durch Übergewicht verursachter
Erkrankungen zu entwickeln.
Die Forschenden veröffentlichten ihre
Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift "Diabetologia" (Hörbelt et al,
2018)1, der European Association for the Study of Diabetes (EASD).
Schematische Darstellung, wie WISP1 die Insulinwirkung in Myotubes und Hepatozyten beeinträchtigt.
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Jedes Jahr sterben mehr als 2,8 Millionen Menschen an den Folgen von
Übergewicht und Fettsucht2.
Übergewicht und das damit verbundene
metabolische Syndrom3 erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes, bestimmte
Krebsarten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das belegen
wissenschaftliche Erkenntnisse der vergangenen Jahre.
Ursache der
Folgeerkrankungen sind chronische Entzündungsreaktionen.
Allerdings sind
die molekularen Mechanismen, die zu diesen
übergewichtsbedingten
Entzündungsprozessen führen, noch weitgehend unbekannt. Hier setzen die
Arbeiten des internationalen Wissenschaftlerteams unter Führung von PD
Dr. Natalia Rudovich (Spital Bülach;
Charité Universitätsmedizin
Berlin), Prof. Dr. Margriet Ouwens (Deutsches Diabetes-Zentrum
Düsseldorf) und PD Dr. Olga Pivovarova vom Deutschen Institut für
Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) an.
Die Forschenden konnten zum ersten Mal zeigen, wie das Eiweißmolekül
Wingless-type signaling pathway protein-1 (WISP1) direkt die
Insulinwirkung in Muskelzellen sowie in der Leber negativ beeinträchtigt
und dadurch zur Insulinunempfindlichkeit führt.
Bereits 2015 hat das
Team um Medizinerin Rudovich und Biologin Pivovarova WISP1 als ein
weiteres mögliches Bindeglied zwischen Übergewicht und chronischen
Entzündungsreaktionen identifiziert4.
WISP1 wurde bis dahin mit der
Regulation des Knochenwachstums, dem Entstehen einiger Krebsarten und
der Lungenfibrose in Verbindung gebracht.
Die aktuelle Studie zeigt, dass WISP1 die Insulin-induzierte Hemmung von
Glukoseproduktion (Glukoneogese5) in murinen Leberzellen und die
Erhöhung des Glykogenaufbaus (Glykogensynthese6) in menschlichen
Muskelzellen aufhebt.
- Die Synthesemenge des WISP1-Proteins korreliert
mit den Blutzuckerkonzentrationen im Glukosebelastungstest (OGTT) sowie
mit dem zirkulierenden Spiegel der Hämoxygenase-1 (HO-1), ein Enzym, das
vor allem bei Adipositas chronische Entzündungen fördert7.
„Wir
vermuten, dass eine vermehrte WISP1- Produktion aus dem Bauchfett eine
der Ursache sein könnte, warum übergewichtige Menschen oft einen
gestörten Glukosestoffwechsel haben“, sagt Erstautorin Tina Hörbelt vom
Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf, einem Partner des DZD.
„Eine mögliche Ursache für die vermehrte WISP1-Produktion und
Freisetzung aus den Bauchfettzellen könnte die schlechte
Sauerstoffversorgung (Hypoxie) der Gewebe sein.
Dies könnte zu den
chronischen Entzündungsreaktionen führen“, erklärt Pivovarova vom DIfE.
Die neuen Ergebnisse eröffnen alternative Ansätze für die Therapie von
Erkrankungen, die durch Übergewicht verursacht werden.
„Denkbar wären
zum Beispiel Medikamente, die gezielt die WISP1-Wirkung an Muskeln und
Leberzellen verhindern und somit zu einer besseren Insulinwirkung in
diesen Geweben führen“, erläutert Rudovich, leitende Diabetologin und
Endokrinologin im Spital Bülach.
Von der Grundlagenforschung8 bis zum
einsatzfähigen Therapeutikum sei es aber noch ein langer Weg, so die
Medizinerin weiter.
Dennoch würden die neuen Erkenntnisse schon jetzt
dazu beitragen, die Zusammenhänge zwischen Übergewicht, Immunsystem und
Stoffwechsel-Erkrankungen besser zu verstehen.
Hintergrundinformationen:
1The novel adipokine WISP1 associates with insulin resistance and
impairs insulin action in myotubes and hepatocytes. Hörbelt, T., Tacke,
C., Markova, M. et al. Diabetologia (2018).
https://doi.org/10.1007/s00125-018-4636-9
2WHO Report 2017
3
Das metabolische Syndrom ist eine Kombination aus Adipositas
(Fettsucht), Bluthochdruck, Insulinresistenz der Körperzellen und einem
gestörten Fettstoffwechsel.
4WISP1 Is a Novel Adipokine Linked to Inflammation in Obesity.
Murahovschi V, Pivovarova O, Ilkavets I, Dmitrieva RM, Döcke S,
Keyhani-Nejad F, Gögebakan Ö, Osterhoff M, Kemper M, Hornemann S,
Markova M, Klöting N, Stockmann M, Weickert MO, Lamounier-Zepter V,
Neuhaus P, Konradi A, Dooley S, von Loeffelholz C, Blüher M, Pfeiffer
AF, Rudovich N. Diabetes Mar 2015, 64 (3) 856-866; DOI:
10.2337/db14-0444
5Die Glukoneogenese ist ein Stoffwechselweg zur Synthese von Glukose aus
Nicht-Kohlenhydraten und dient der Aufrechterhaltung eines konstanten
Blutzuckerspiegels auch in der Fastenzeit.
6Die Glykogensynthese dient dem Organismus zur Synthese von Glykogen aus Glukose.
7 Jais, A. et al.: Heme Oxygenase-1 Drives Metaflammation and Insulin Resistance in Mouse and Man. Cell 2014, 158(1), 25–40.
http://doi.org/10.1016/j.cell.2014.04.043
8Die veröffentlichten Daten sind ein Teil der durch die European
Foundation for Study of Diabetes (EFSD) geförderten Studie „Unravelling
the role of WISP1 on metabolic and cellular plasticity in white adipose
Tissue“(Natalia Rudovich und Margriet Ouwens), sowie des vom Deutschen
Diabetes-Zentrum Düsseldorf geförderten Projekts “WISP1 is a novel
target for regulation of glucose metabolism” (Natalia Rudovich und
Margriet Ouwens)
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der
sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten
auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und
Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche
Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut
für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz
Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte
Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und
München sowie weitere Projektpartner.
Das Spital Bülach stellt mit 200 Betten und rund 1.100 Mitarbeitenden
eine hochstehende und wohnortsnahe medizinische Versorgung für die
Bevölkerung im Zürcher Unterland sicher. Die Klinik Innere Medizin des
Spitals Bülach wurde vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter-
und Fortbildung (SIWF) als A-Klinik zertifiziert. Damit erfüllt es in
der inneren Medizin die gleichen hohen Kriterien in der Weiterbildung
wie das Universitätsspital Zürich, das Kantonsspital Winterthur oder das
Spital Uster.
Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die
Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für
Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.
Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner
des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung
(DZD).
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Leitende Ärztin Endokrinologie/Diabetologie
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E-Mail: natalia.rudovich@spitalbuelach.ch
und
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Medizinische Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30
12200 Berlin
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Abteilung Klinische Ernährung
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Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
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14558 Nuthetal/Deutschland
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