Medizin am Abend Berlin Fazit: Wie Fettleibigkeit Brustkrebs aggressiver macht
Botenstoffe, die bei Fettleibigkeit ins Blut abgegeben werden,
beeinflussen den Stoffwechsel von Brustkrebszellen, die dadurch
aggressiver werden.
So berichten es Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der Technischen
Universität München (TUM) und des Universitätsklinikums Heidelberg in
‚Cell Metabolism‘.
Das Team konnte den Mechanismus bereits durch einen
Antikörper unterbrechen.
3D-Spheroid von Brustkrebszellen. Invasive Zellen erscheinen durch
überlappende Fluoreszensmarkierung des Leptin-Receptors und eines
Metastasierungsmarkers hellblau. Zellkerne sind rot gefärbt.
Quelle: Helmholtz Zentrum München
Die Zahl der Menschen mit hohem Übergewicht steigt weltweit rasant.
Erst kürzlich berichtete das Deutsche Krebsforschungszentrum, dass sich
nach WHO Schätzungen die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit
Adipositas zwischen 1975 und 2016 verzehnfacht habe
https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2017/dkfz-pm-17-50c2-Adipositas....
Starkes Übergewicht kann zu verschiedenen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen.
Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt
Adipositas beispielsweise auch die Entstehung von Krebs und die Bildung
von Metastasen.
In der aktuellen Studie beschreiben die Forscherinnen und Forscher einen
bislang unbekannten Mechanismus, der dafür sorgt,
dass sich Brustkrebs
stärker ausbreitet.
„Dabei spielt das
Enzym1 ACC* eine entscheidende
Rolle“, erklärt Dr. Mauricio Berriel Diaz, stellvertretender Direktor
des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) am Helmholtz Zentrum München.
Er leitete die Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Herzig, Direktor
des IDC und Professor für Molekulare Stoffwechselkontrolle an der TUM
sowie am Universitätsklinikum Heidelberg.
„ACC1 ist eine zentrale
Komponente der Fettsäuresynthese“, führt Berriel Diaz aus.
„Allerdings
kann es durch die Botenstoffe Leptin und TGF-β an seiner Arbeit
gehindert werden.“ Diese Botenstoffe treten im Blut von schwer
übergewichtigen Menschen besonders häufig auf.
Fettsäurevorstufen begünstigen Metastasen
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass diese Hemmung von ACC1 dazu
führt, dass sich Acetyl-CoA, eine Fettsäurevorstufe, in den Zellen
ansammelt und bestimmte Genschalter (Transkriptionsfaktoren) aktiviert.
Dadurch werden vor allem Gene abgelesen, die bei Krebszellen zu einer
verstärkten Metastasierungsfähigkeit führen.
„Anhand von menschlichem Gewebe aus Brustkrebsmetastasen konnten wir
zeigen, dass ACC1 dort signifikant weniger aktiv war“ erklärt Marcos
Rios Garcia, Erstautor der Studie. Blockierten die Wissenschaftler den
bisher unbekannten Signalweg mit einem
Antikörper (gegen den
Leptin-Rezeptor), so führte das im Versuchsmodell zu einer deutlich
reduzierten Ausbreitung und
Metastasierung von Brustkrebstumoren. Ob es
sich dabei um eine mögliche Therapieoption handelt, müsse sich zeigen,
so die Forscher.
Künftig wollen sie die Datenlage zum neu gefundenen Mechanismus in
weiteren Studien erhärten. Darüber hinaus denken sie über mögliche
Stellschrauben nach, durch die man therapeutisch eingreifen könnte.
„Die
Blockade der genannten Signalwege beziehungsweise das Abschalten der
Metastasierungsgene könnten einen therapeutischen Angriffspunkt
darstellen“, blickt Studienleiter Herzig voraus.
„Im Rahmen einer
sogenannten neo-adjuvanten** Therapie könnte man schon vor der
operativen Entfernung des Tumors das Risiko von Metastasen
beziehungsweise des Wiederauftretens von Tumoren reduzieren.“
Weitere Informationen
* ACC1 steht für Acetyl-CoA-Carboxylase 1, eine zentrale Komponente der
Fettsäuresynthese. ACC1 vermittelt die chemische Addition von
Kohlenstoffdioxid an Acetyl-CoA, wobei Malonyl-CoA entsteht.
Diese
Reaktion ist der erste und geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei der
Fettsäuresynthese aller Lebewesen.
** Der Begriff neo-adjuvante Therapie bezeichnet eine Therapie, die vor
der geplanten operativen Behandlung einer Tumorerkrankung verabreicht
wird. Sie kann aus einer Chemotherapie, Bestrahlung oder Hormontherapie
bestehen. Ziel ist es, eine verbesserte Ausgangssituation für die
Operation zu erreichen, eine Erkrankung überhaupt erst operabel zu
machen oder auf verstümmelnde Eingriffe verzichten zu können. (Quelle: http://flexikon.doccheck.com/de/Neoadjuvante_Therapie)
Hintergrund:
Die Metastasierung von Brustkrebs bzw. das Wiederauftreten (Rezidiv)
nach operativer Entfernung des Primärtumors stellt die Hauptursache für
krebsbedingte Todesfälle bei Frauen dar. Darüber hinaus zeigen
epidemiologische Studien,
dass Adipositas (Fettleibigkeit) mit
aggressiven Formen von Brustkrebs assoziiert ist, und insbesondere bei
postmenopausalen Frauen mit einem höheren Risiko einhergeht, an
metastasierendem Brustkrebs zu erkranken.
Die Rolle der Fettsäuresynthese für den veränderten Energiestoffwechsel
von Krebszellen ist nur unvollständig verstanden.
Verschiedene Studien
legen nahe, dass eine Aktivierung der Fettsäuresynthese die Krebszellen
unabhängig macht von der Versorgung mit extrazellulären Fetten.
- Die
vorliegende Studie deckt einen neuen, Fettsäuresynthese-unabhängigen
Mechanismus auf, bei dem die Inaktivierung von ACC1 zur Akkumulation von
Acetyl-CoA führt, da es nicht weiter zur Fettsäuresynthese sondern zur
Modifikation (Acetylierung) von regulatorischen Proteinen
(Transkriptionsfaktoren, u.a. SMAD2) verwendet wird.
- Die so
modifizierten regulatorischen Proteine wiederum schalten Gene an, die zu
erhöhter Aggressivität der Krebszellen beitragen.
Stephan Herzig ist federführend beim Joint Heidelberg-IDC Translational
Diabetes Program, was er gemeinsam mit Kollegen am Universitätsklinikum
in Heidelberg betreibt, von wo aus er 2015 nach München gewechselt und
seither Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) ist.
Mauricio Berriel Diaz ist stellvertretender Direktor des IDC und Leiter
der Abteilung Stoffwechselstörungen und Krebs. Darüber hinaus sind beide
Wissenschaftler Mitglied im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung
(DZD).
Original-Publikation:
Rios Garcia, M. et al. (2017): Acetyl-CoA Carboxylase 1-Dependent
Protein Acetylation Controls Breast Cancer Metastasis and Recurrence.
Cell Metabolism, DOI: 10.1016/j.cmet.2017.09.018
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Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum
für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die
Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie
Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür
untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und
Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden
Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300
Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18
naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische
Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
http://www.helmholtz-muenchen.de
Das Institut für Diabetes und Krebs (IDC) ist Mitglied des Helmholtz
Diabetes Zentrums (HDC) am Helmholtz Zentrum München und Partner im
gemeinsamen Heidelberg-IDC Translationalen Diabetes-Programm. Das
Institut für Diabetes und Krebs ist eng in das Deutsche Zentrum für
Diabetesforschung (DZD) und in den Sonderforschungsbereich (SFB)
"Reaktive Metaboliten und Diabetische Komplikationen" an der
Medizinischen Universität Heidelberg integriert. Das IDC erforscht die
molekularen Grundlagen schwerer metabolischer Erkrankungen, wie dem
Metabolischen Syndrom und Typ 2 Diabetes, und deren Bedeutung für die
Tumorentstehung und -progression.
http://www.helmholtz-muenchen.de/idc
Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500
Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern und 40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten
Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die
Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und
Medizin, verknüpft mit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM
handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und
Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken
Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem
Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai,
Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben
Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und
Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als
Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört
sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.
http://www.tum.de
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der
Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten
biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist
die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche
Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund
13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in
Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen
mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten
vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000
mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen
Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das
Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für
Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische
Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale
(HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in
Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte
in Heidelberg.
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