Medizin am Abend Berlin Fazit: Schweinefleisch ist nach wie vor eine bedeutende Infektionsquelle des Menschen mit Salmonellen
BVL veröffentlicht Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2015
Die Ergebnisse des repräsentativen Zoonosen-Monitorings 2015, die
das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
heute veröffentlicht hat, zeigen, dass Schweine zum Teil Träger von
Salmonellen sind (5 bis 10 % positive Kotproben) und es im Rahmen der
Schlachtung zu einer Kontamination der Schlachtkörper und des Fleisches
mit eingetragenen Keimen kommen kann. Insbesondere aufgrund des
teilweise üblichen Rohverzehrs (z. B. als Mett) geht von Schweinefleisch
ein potenzielles Risiko für eine Infektion des Menschen mit Salmonellen
aus. Die Ergebnisse der Resistenzuntersuchungen zeigen, dass Bakterien,
die von Läufern (Schweine vor der Hauptmast bis 30 kg) und Mastkälbern
bzw. Jungrindern stammen, die höchsten Resistenzraten bei diesen
Tierarten aufweisen. Dies spiegelt die häufige Antibiotikagabe bei
diesen Tiergruppen wider.
Im Rahmen des Zoonosen-Monitorings 2015 wurden insgesamt 6.106 Proben
auf allen Ebenen der Lebensmittelkette durch die Überwachungsbehörden
der Bundesländer genommen und von den Untersuchungseinrichtungen auf das
Vorkommen der wichtigsten über Lebensmittel übertragbaren Erreger
untersucht. Dabei wurden 2.063 Bakterien-Isolate gewonnen und in den
Nationalen Referenzlaboratorien am Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) weitergehend charakterisiert und auf ihre Resistenz gegen
ausgewählte Antibiotika untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse sind:
Salmonellen
Die Ergebnisse der Untersuchungen aus Ferkelerzeugerbetrieben zeigen,
dass Zuchtsauen (5,6 % positive Kotproben) und insbesondere Läufer (10,3
% positive Kotproben) Träger von Salmonellen sind. Dieses Ergebnis
verdeutlicht, wie wichtig die Salmonellenbekämpfung bereits auf Ebene
der Zuchtbetriebe ist, um die Einschleppung von Salmonellen über
infizierte Ferkel in die Mastbetriebe zu verhindern. Die Ergebnisse der
Untersuchungen an Schlachthöfen zeigen, dass es im Rahmen der
Schlachtung zu einer – wenn auch im Vergleich zur Geflügelschlachtung
geringeren – Verschleppung von eingetragenen Salmonellen auf die
Schlachtkörper (4,5 % positive Proben) kommt. Frisches Schweinefleisch
aus dem Einzelhandel war zu 0,4 % mit den Erregern verunreinigt. Trotz
der relativ geringen Kontaminationsrate mit Salmonellen stellt
Schweinefleisch aufgrund des teilweise üblichen Rohverzehrs nach wie vor
eine bedeutende Infektionsquelle für den Menschen mit Salmonellen dar.
Rohes Hackfleisch und Rohwurstprodukte sind aus diesem Grund keine
geeigneten Lebensmittel für empfindliche Verbrauchergruppen wie
Kleinkinder, ältere und immungeschwächte Menschen und Schwangere.
Verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC)
Die Ergebnisse der Untersuchungen in der Lebensmittelkette
Mastkälber/Jungrinder liegen auf demselben Niveau wie im
Zoonosen-Monitoring der Vorjahre. In 25,7 % der Proben von
Blinddarminhalt von Mastkälbern und Jungrindern am Schlachthof und in
0,9 % der Proben von frischem Rindfleisch aus dem Einzelhandel wurden
VTEC nachgewiesen. Die Ergebnisse bestätigen, dass Mastkälber und
Jungrinder eine Quelle für Infektionen des Menschen mit VTEC darstellen,
zumal unter den VTEC-Isolaten auch O-Gruppen nachgewiesen wurden, die
als häufige Erreger von EHEC-Infektionen und des hämolytisch urämischen
Syndroms (HUS) bekannt sind.
Koagulase positive Staphylokokken
Koagulase positive Staphylokokken sind Bakterien, die sich unter
geeigneten Bedingungen in Lebensmitteln vermehren können und dabei
Enterotoxine bilden, die bereits wenige Stunden nach der Aufnahme zu
einer Lebensmittelvergiftung führen können. Sie wurden in Proben von
Schafs- und Ziegenkäse aus Rohmilch häufig nachgewiesen (9,3 % positive
Proben). In 1,2 % der Proben lag die Keimzahl oberhalb des kritischen
Wertes von 100.000 koloniebildenden Einheiten pro Gramm, ab dem der Käse
nur in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die Freiheit von
Staphylokokken-Enterotoxin durch eine Untersuchung nachgewiesen wird.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bei der Gewinnung von Rohmilch
höchste Anforderungen an die Eutergesundheit der milchliefernden Tiere
gestellt werden müssen und eine strenge Personal- und Produktionshygiene
eingehalten werden muss, da sich in der Milch vorhandene Staphylokokken
während des Käsungsprozesses zu bedenklichen Keimzahlen vermehren
können.
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)
MRSA zeichnen sich durch eine Resistenz gegen sämtliche
Beta-Laktam-Antibiotika (Penicilline und Cephalosporine) aus. Meist sind
sie auch noch gegen weitere Klassen von antimikrobiellen Substanzen
unempfindlich. Sie kommen in der Lebensmittelkette Mastschwein häufig
vor: 26,3 % der Proben aus dem Wartebereich von Zuchtsauen waren positiv
für MRSA. Die Nachweisrate von MRSA in Proben aus dem Aufzuchtbereich
von Läufern war mit 41,3 % noch signifikant höher. Dieses Ergebnis
verdeutlicht, dass von den weiter vermarkteten Läufern ein Risiko für
die Einschleppung von MRSA in die Mastbetriebe ausgeht. Die
Schlachtkörper von Mastschweinen und frisches Schweinefleisch waren zu
etwa 20 % bzw. 13 % mit MRSA kontaminiert. Nach dem gegenwärtigen Stand
der Wissenschaft scheint die Übertragung von MRSA auf den Menschen über
den Verzehr von Lebensmitteln zwar von untergeordneter Rolle zu sein.
Für Menschen, die häufig Kontakt zu Tierbeständen haben, besteht aber
ein erhöhtes Risiko, Träger von Nutztier-assoziierten MRSA-Stämmen zu
werden.
ESBL/AmpC-bildende E. coli
Extended-Spectrum-Beta-Laktamase (ESBL) und AmpC-Beta-Laktamase (AmpC)
bildende Bakterien zeichnen sich dadurch aus, dass sie Enzyme bilden,
die die Wirksamkeit von Penicillinen und Cephalosporinen herabsetzen
bzw. aufheben, sodass sie resistent gegenüber diesen Antibiotika sind.
Sie wurden mittels selektiver Verfahren in etwa der Hälfte der
untersuchten Kotproben von Zuchtsauen, Läufern (47,6 % positive Proben)
und Mastschweinen (53,9 % positive Proben) nachgewiesen. Im
Blinddarminhalt von Mastkälbern und Jungrindern am Schlachthof wurden
ESBL/AmpC-bildende E. coli mit 60,6 % positiver Proben noch häufiger
nachgewiesen als bei Schweinen. Frisches Schweinefleisch und frisches
Rindfleisch wiesen eine Kontaminationsrate mit ESBL/AmpC-bildenden E.
coli von 5,7 % bzw. 4,0 % auf. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen
Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass ESBL/AmpC-bildende E. coli auch
über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können, wobei sich
das Infektionsrisiko gegenwärtig nicht genau abschätzen lässt.
Dunker’scher Muskelegel
Der Dunker‘sche Muskelegel ist die Mesozerkarie (Zwischenstadium) des
parasitischen Saugwurms Alaria alata. Er wurde als Zufallsbefund im
Rahmen der Trichinenuntersuchung bei Wildschweinen wiederholt vereinzelt
nachgewiesen. Im Zoonosen-Monitoring waren insgesamt 4,7 % der
untersuchten Wildschweinproben positiv für den Dunker’schen Muskelegel.
Die Ergebnisse bestätigen, dass Wildschweinfleisch eine potenzielle
Quelle für eine Infektion des Menschen mit dem Dunker‘schen Muskelegel
darstellt. Allerdings sind bisher nur wenige Erkrankungsfälle beim
Menschen aus Nordamerika bekannt, die nach dem Verzehr von unzureichend
erhitztem mesozerkarienhaltigen Wildfleisch auftraten und u. a. mit
Atemwegsbeschwerden einhergingen. Die Ergebnisse unterstreichen die
Empfehlung, Wildschweinfleisch vor dem Verzehr gründlich
durchzuerhitzen. Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes sollte
Wildschweinfleisch, das mit dem Dunker’schen Muskelegel infiziert ist,
nicht in den Verkehr gebracht werden.
Resistenzlage
Die Resistenzraten waren im Zoonosen-Monitoring 2015 insgesamt gegenüber
den Vorjahren eher rückläufig. Als problematisch wird aber die zu
beobachtende zunehmende Resistenz von MRSA-Isolaten gegenüber dem in der
Humanmedizin wichtigen Wirkstoff Ciprofloxacin und gegenüber weiteren
wichtigen Antibiotika gesehen.
Die E. coli-Isolate aus der Schweinefleischkette waren zu 50 % bis 70 %
resistent gegenüber mindestens einer der getesteten antibiotischen
Substanzen. Isolate von Läufern wiesen gegenüber vielen antibiotischen
Substanzen die höchsten Resistenzraten auf, was vermutlich mit der
häufigen Gabe von Antibiotika bei dieser Tiergruppe im Zusammenhang
steht. E. coli-Isolate aus dem Blinddarminhalt von Mastkälbern und
Jungrindern wiesen eine höhere Resistenzrate (46,1 %) auf als Isolate
aus Rindfleisch, die nur zu 11,5 % gegenüber mindestens einer der
antibiotischen Substanzen resistent waren. Auch dies spiegelt
Unterschiede in der Häufigkeit der Behandlung von
Mastkälbern/Jungrindern und Mastrindern – von denen in der Regel das
Rindfleisch stammt – mit Antibiotika wider.
Bei der Interpretation der Ergebnisse der Resistenzuntersuchungen muss
beachtet werden, dass die minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) anhand der
epidemiologischen Cut-Off-Werte bewertet wurden. Diese bestimmen den
Anteil mikrobiologisch resistenter Isolate und geben frühzeitig Hinweise
auf eine beginnende Resistenzentwicklung, erlauben aber keine
unmittelbare Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges
mit einem Antibiotikum.
Der vollständige Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2015 ist online abrufbar unter:
http://www.bvl.bund.de/ZoonosenMonitoring
Verbrauchertipps zum Schutz gegen lebensmittelbedingte Infektionen sind dargestellt unter:
http://www.bvl.bund.de/lebensmittelhygiene
Eine Empfehlung zum Umgang mit rohem Fleisch kann hier eingesehen werden:
http://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2012/11/hackepeter_und_rohes_mett_sind_nichts_fuer_kleine_kinder_-129122.html
Hintergrund
Zoonosen sind Krankheiten bzw. Infektionen, die auf natürlichem Weg
direkt oder indirekt zwischen Tieren und Menschen übertragen werden
können. Zoonoseerreger können von Nutztieren zum Beispiel während der
Schlachtung und Weiterverarbeitung auf das Fleisch übertragen werden.
Mit Zoonoseerregern kontaminierte Lebensmittel stellen eine wichtige
Infektionsquelle für den Menschen dar. Häufige Erreger
lebensmittelbedingter Infektionen sind Campylobacter spp. und Salmonella
spp. Infektionen mit Listeria monocytogenes oder verotoxinbildende E.
coli (VTEC) treten seltener auf. Methicillin-resistente Staphylococcus
aureus (MRSA) und ESBL/AmpC-bildende E. coli sind weltweit verbreitete
Erreger von zum Teil schwerwiegenden Krankenhausinfektionen. Bei
Nutztieren hat sich ein spezifischer Typ von MRSA ausgebreitet. Eine
Besiedlung des Menschen mit diesen „Nutztier-assoziierten“ MRSA-Stämmen
scheint jedoch nur in seltenen Fällen zu schweren
Krankheitserscheinungen zu führen.
Basierend auf der Richtlinie 2003/99/EG zur Überwachung von Zoonosen und
Zoonoseerregern sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet,
repräsentative und vergleichbare Daten über das Auftreten von Zoonosen
und Zoonoseerregern sowie diesbezüglicher Antibiotikaresistenzen in
Lebensmitteln, Futtermitteln und lebenden Tieren zu erfassen,
auszuwerten und zu veröffentlichen, um so Aufschluss über
Entwicklungstendenzen und Quellen von Zoonosen und Zoonoseerregern zu
erhalten. Dabei werden vor allem diejenigen Zoonoseerreger überwacht,
die eine besondere Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Das
Zoonosen-Monitoring wird von den Bundesländern seit dem Jahr 2009 auf
Grundlage einer Verwaltungsvorschrift bundesweit einheitlich jährlich im
Rahmen der amtlichen Lebensmittel- und Veterinärüberwachung
durchgeführt. Die von den Bundesländern erhobenen
Untersuchungsergebnisse werden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) gesammelt, ausgewertet und zusammen mit den
Ergebnissen der Typisierung und Resistenztestung sowie der Bewertung
des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im Bericht über die
Ergebnisse des jährlichen Zoonosen-Monitorings veröffentlicht. Das BfR
übermittelt die Ergebnisse gemäß den Bestimmungen des Artikels 9 der
Richtlinie 2003/99/EG an die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Im Zoonosen-Monitoring werden repräsentative Daten zum Vorkommen von
Zoonoseerregern bei den wichtigsten Lebensmittel liefernden Tierarten
und Produkten gewonnen, die es ermöglichen, das Infektionsrisiko für
Verbraucher durch den Verzehr von Lebensmitteln abzuschätzen. Die
Resistenzuntersuchungen verbessern die Datenlage in diesem Bereich und
tragen dazu bei, Beziehungen zwischen dem Antibiotikaeinsatz in der
Tierproduktion und der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen besser
analysieren zu können.
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