Medizin am Abend Berlin Fazit:
Neue Studien: Übergewichtige Kinder haben hohes Herzrisiko – Lebensstil-Programme wirken
Übergewicht und
Adipositas haben bereits bei Kindern und Jugendlichen starke negative
Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-Risiko. Das zeigt die großangelegte
deutsche PEP Family Heart Study, die auf dem Europäischen
Kardiologiekongress (ESC) in Rom präsentiert wurde.
So hatten in der
Gruppe der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen doppelt so viel
Bluthochdruck im Vergleich zu ihren normalgewichtigen Altersgenossen,
auch ihre Blutfettwerte waren deutlich ungünstiger.
Untersucht wurden insgesamt 22.051 Kinder und Jugendliche im Alter von 3
bis 18 Jahren, die an der PEP Family Heart Study teilgenommen hatten.
Bei 10.841 konnten Größe, Gewicht, Hautfaltendicke, Körperfett,
Taillenumfang, Blutdruck und Serum-Lipide vollständig gemessen werden.
- Das Vorhandensein von Risikofaktoren stieg bei männlichen wie weiblichen
Jugendlichen in Abhängigkeit des Grades der Adipositas an, je höher
desto stärker.
So hatten etwa die Mädchen in der Gruppe mit dem höchsten
BMI ein 17fach höheres Hochdruck-Risiko als in der Gruppe mit dem
niedrigsten BMI, bei den Jungen war das Risiko in der höchsten
BMI-Gruppe vierfach erhöht. Bei den Triglyceridwerten zeigten sich
ähnliche Verhältnisse.
„Damit ist deutlich geworden, dass extremes Übergewicht erheblicher
Aufmerksamkeit bedarf“, so Studien-Erstautorin Gerda-Maria Haas, MPH,
vom Arteriosklerose-Präventions-Institut München.
- „Das ist schon deshalb
von Bedeutung, weil im Gegensatz zu Übergewicht und einfacher
Adipositas, die eher zurückgehen, ausgeprägte Adipositas in den
westlichen Ländern erheblich zunimmt.“
Wirksames Programm gegen kindliches Übergewicht
Ein einfaches und wirksames Schul-Programm gegen kindliches Übergewicht
präsentierte beim ESC-Kongress die Ernährungswissenschaftlerin Daniela
Schneid Schuh (Porto Alegre, Brasilien). „Healthy School, Happy School“
heißt die randomisierte, kontrollierte Studie, die im südbrasilianischen
Feliz durchgeführt wurde. Die kleine Stadt ist vor allem stark durch
deutsche Immigration geprägt und hat einen im landesweiten Vergleich
einen besonders hohen Wert auf dem „Human Development Index.“
Daniela Schneid Schuh: „Mit der zunehmenden Urbanisierung und
veränderten Essgewohnheiten entstehen neue Gesundheitsprobleme wie
Übergewicht, Bewegungsmangel oder Bluthochdruck, auch andere chronische
Erkrankungen gewinnen an Bedeutung.”
In die neun Monate dauernde Studie eingeschlossen wurden viele
öffentliche Schulen in Feliz, mit Schülerinnen und Schülern zwischen
fünf und 16 Jahren. Die Interventionsgruppe bestand aus 73 Kindern in
zwei Schulen, die Kontrollgruppe aus 140 Kindern. Das Programm bestand
aus einmal monatlich abgehaltenen Seminaren und Workshops über Bewegung,
Ernährungsgewohnheiten. Auch Bullying wurde thematisiert, nachdem
Kinder über Unzufriedenheit mit ihrem Körperbild und über Bullying wegen
Übergewichts berichtet hatten. Auch Aktivitäten für zu Hause wurden
empfohlen, die die gesamte Familie in die Umsetzung der Ziele
involvierten. Gesunde Ernährung in der Schule wurde auch durch
thematische Poster und gesunde Snacks im Schulkiosk unterstützt.
Vor dem Interventionsprogramm gab es keine Unterschiede zwischen den
beiden Studiengruppen: Die Kinder waren durchschnittlich neun Jahre alt,
hatten einen durchschnittlichen Body Mass Index (BMI) von 19 kg/m2,
55,4 Prozent waren Mädchen. Nach neun Monaten wiesen die Kinder in der
Kontrollgruppe einen signifikanten BMI-Anstieg auf. In der
Interventionsgruppe blieb der BMI konstant, das Bewegungsniveau und der
Obstkonsum stiegen an.
„Die Daten machen deutlich, dass Programme zur Vorbeugung und Behandlung
von kindlichem Übergewicht immer wichtiger werden. Und es konnte belegt
werden, das diese nicht aufwändig sein müssen. Schon relativ einfache
Maßnahmen zeigen eine große Wirkung,“ kommentiert Prof. Dr. Eckart
Fleck, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).
Quelle: ESC 2016 Abstracts Haas et al. Severly obese children and
adolescents are at substantially higher cardiovascular risk: the PEP
Family Heart Study; Schneid Schuh et al. Healthy School, Hap-py School:
randomized clinical trial designed to stop obesity in children.
Medizin am Abend Berlin Fazit:
Gewicht und BMI liefern keine Hinweise auf Blutfettwerte
Übergewicht und ein hoher
Body-Mass-Index (BMI) könnten Hinweise darauf sein, dass auch die
Blutfettwerte eine ungesunde Entwicklung nehmen, so eine verbreitete
Meinung. Dass dem allerdings nicht so ist, zeigt die internationale
DYSIS-Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Rom
präsentiert wurde.
Im Rahmen von DYSIS (Dyslipidemia International Study) wurden mehr als
50.000 Patienten in 30 Ländern untersucht. Die Autoren analysierten
unter anderem den Zusammenhang zwischen Body-Mass-Index (BMI), LDL-
sowie HDL-Cholesterin und Triglyceriden. „
Wir konnten keinen Einfluss
des Body Mass Index auf das LDL-Cholesterin finden“, berichtet Dr.
Dominik Lautsch.
Der Einfluss auf HDL-Cholesterin und Triglyceride sei
zwar statistisch signifikant, aber bei 2 bis 3 Prozent in der Realität
eher gering.
- Der Body-Mass-Index sollte daher nicht als Basis für die
Durchführung eines Lipidprofils bei einem individuellen Patienten
dienen, da eine Schlussfolgerung von Körpergewicht oder BMI auf
Cholesterin nicht möglich ist.“
Quelle: ESC 2016 Abstract Lautsch et al. Do blood lipids correlate to
body mass index? Findings from 52.916 statin treated patients.
Medizin am Abend Berlin Fazit: Plötzlicher Herztod: Defi-Weste schützt während Therapie-Optimierung reduziert Implantationen
Zwischen 100.000 und 150.000 Menschen pro Jahr sterben in Deutschland an
einem plötzlichen Herztod. Bei Hochrisiko-Patienten kann ein
plötzlicher Herztod
durch die prophylaktische Implantation eines
Defibrillators (ICD) verhindert werden, der das Herz im Bedarfsfall
mittels Stromstoß wieder in den gesunden Sinus-Rhythmus bringt. Diese
kann bei einem Teil der Patienten durch die vorübergehende Anwendung
einer tragbaren „Defi-Weste“ (waerable cardioverter/defibrillator, WCD)
und gleichzeitige Optimierung der Herzinsuffizienz-Therapie vermieden
werden. Das zeigt eine Register-Studie aus Hannover, die auf dem
Europäischen Kardiologie-kongress (ESC) in Rom präsentiert wurde.
-
Zu den Risikofaktoren für einen plötzlichen Herztod zählen unter anderem
ein vorangegangener Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, ein überlebter
plötzlicher Herztod, genetische Faktoren sowie Herzrhythmusstörungen.
Eine prophylaktische ICD-Implantation ist erst bei einer anhaltend stark
reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) von 35 Prozent
oder weniger und einer optimalen Herzinsuffizienz-Medikation angezeigt.
Zwischen Juni 2012 und Februar 2016 wurde an der Medizinischen
Hochschule Hannover 265 Patienten eine tragbare Defibrillator-Weste
verschrieben.
88 Patienten trugen die Weste länger als 90 Tage, im
Durchschnitt betrug die Tragedauer 120 Tage. „Nach 90 Tagen zeigten 26
Prozent der Patienten eine Erholung der LVEF über 35 Prozent, nach einer
verlängerten Tragezeit und weiteren Optimierung der Medikation wiesen
weitere 20 Patienten eine solche Verbesserung auf“, so Studienautor Dr.
David Dunker.
„Durch die Verlängerung der WCD-Trageperiode zur weiteren
Optimierung der Herzinsuffizienzmedikation über drei Monate hinaus wurde
also eine ICD-Implantation bei etwa einem Drittel der Patienten
vermieden.
Bei einem dieser Patienten wurde in dieser Zeit ein
plötzlicher Herztod durch den tragbaren Defibrillator verhindert.“ Die
vorliegenden retrospektiven Daten zeigen, so Dr. Duncker, „dass eine
WCD-geschützte Optimierung der Herzinsuffizienztherapie über mehr als
drei Monate hinaus unnötige primärprophylaktische ICD-Implantationen
verhindern kann.“ Diese Strategie müsse nun durch prospektive Studien
gesichert werden.
Österreichisches WCD-Register: Hälfte der Defi-Westen-Patienten brauchen ICD
Präsentiert wurden in Rom auch aktuelle Daten aus dem österreichischen
WCD-Register. Die Studie unter Beteiligung von 48 österreichischen
Zentren (Studienleiter Assoz. Prof. Dr. Daniel Scherr, Klinische
Abteilung für Kardiologie, Medizinische Universität Graz) inkludierte
451 Patienten, die von 2010 bis 2016 in Österreich eine Defi-Weste
getragen haben. Tanja Odeneg, BSc. MSc. (Klinische Abteilung für
Kardiologie, Medizinische Universität Graz), Erstautorin der
Untersuchung:
- „Hervorzuheben ist, dass bei nur 22 Prozent aller
Patienten mit Herzmuskelentzündung nach Abnahme des WCD ein erhöhtes
Risiko eines plötzlichen Herztodes vorlag und sie daher mit einem ICD
versorgt werden mussten.
Damit lässt sich die große klinische Bedeutung
des WCD speziell für dieses Patientenkollektiv gut darstellen.“
Insgesamt kam es bei nur 55 Prozent der Patienten mit einem WCD zu einer
ICD-Implantation.
Elf Patienten (2,4 Prozent) erhielten 21 adäquate Schocks aufgrund von
v
entrikulären Tachykardien, alle elf Patienten erhielten in weiterer
Folge einen ICD. Ein Patient (0,2 Prozent) erhielt einen i
nadäquaten
Schock bei tachykardem Vorhofflimmern.
Quelle: ESC 2016 Abstracts Duncker et al. Avoidance of primary
preventive ICD implantation by intensified optimized heart failure
therapy protected by the wearable cardioverter/defibrillator – The
PROLONG registry; Odeneg et al. The use of the wearable cardioverter
defibrillator in Austria: Re-sults of the Austrian Life Vest Registry.
Medizin am Abend Berlin Fazit:
2. Sozioökonomischer Status beeinflusst Risiko für neuerlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall
Ein niedriger sozioökonomischer Status ist mit
einem höheren Risiko verbunden, nach einem vorangegangenen Herzinfarkt
ein neuerliches Mal einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Das
zeigt eine Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Rom
präsentiert wurde, wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
berichtet.
Die Studie mit rund 30.000 Patienten mit einem früheren Herzinfarkt
ergab, dass das Risiko eines neuerlichen kardiovaskulären Ereignisses
bei Personen im höchsten Einkommensfünftel um 36 Prozent niedriger war
als bei Menschen, die den 20 Prozent der Bevölkerung mit dem niedrigsten
Einkommen angehören. Bei geschiedenen Patienten stieg das Risiko im
Vergleich zu verheirateten Personen um 14 Prozent.
„Fortschritte in der Prävention und Akutbehandlung haben das Überleben
nach Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich verbessert. Daher leben auch
immer mehr Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen, in Schweden macht
diese Gruppe fast ein Fünftel der Bevölkerung aus,” so Dr. Joel Ohm vom
Karolinska Institutet in Stockholm.
Die meisten Untersuchungen zum Thema kardiovaskuläre Prävention basieren
auf Daten von gesunden Bevölkerungsgruppen, und es ist nicht klar,
inwieweit sie auch auf Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
anwendbar sind. Das gilt auch für Studien zum Zusammenhang zwischen
sozioökonomischem Status und Herz-Kreislauf-Risiko.
In der aktuellen schwedischen Studie hingegen wurden die Daten von
29.953 Patienten analysiert, die etwa ein Jahr zuvor einen ersten
Herzinfarkt erlitten hatten. Diese wurden mit Daten über das Einkommen,
den Familienstand und das Bildungsniveau abgeglichen.
Im Beobachtungszeitrum von durchschnittlich vier Jahren erlitten acht
Prozent oder 2.405 Patienten einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Während Einkommens- und Familienstatus einen signifikanten Einfluss auf
das Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses hatten, war dies für
das Bildungsniveau nicht der Fall. „Sozioökonomische Faktoren sollten
also in die Risikoprognose, ob mit einem neuerlichen
Herz-Kreislauf-Ereignis zu rechnen ist, und in die Ausgestaltung der
Sekundärprävention einfließen“, so Dr. Ohm.
Dass sozioökonomische Faktoren neben Altersstruktur,
Gesundheitsbewusstsein, Ärztedichte oder dem diagnostischen und
therapeutischen Angebot in den verschiedenen Regionen des Landes eine
wichtige Rolle für die Häufigkeit von und Sterblichkeit aufgrund von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen, zeigt seit Jahren der jährlich
erscheinende Deutsche Herzbericht auf. „Hier liegen noch wichtige
primär- und sekundärpräventive Ansatzmöglichkeiten zur Senkung von
kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität“, so der Pressesprecher der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin).
Quelle: ESC 2016 Abstract Ohm et al. “Low socioeconomic status is
associated with recurrent atherosclerotic cardiovascular disease event
in a population with stable coronary heart disease”
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt
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Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki, Tel.: 030 206 444 82
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung
e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische
Fachgesellschaft mit über 9500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung
der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die
Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer
Mitglieder. 1927 in Bad Nau-heim gegründet, ist die DGK die älteste und
größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen
unter www.dgk.org.
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Berlin Beteiligte
http://www.dgk.org
http://www.kardiologie.org