Medizin am Abend Berlin Fazit: Wie Zitronensaft Noroviren austrickst
Zitronensäure bindet an hochansteckende Noroviren und hindert sie
möglicherweise daran, menschliche Zellen zu infizieren. Das entdeckten
nun Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum.
Zitronensaft könnte sich daher als sicheres, gesundheitlich
unbedenkliches Desinfektionsmittel gegen die verbreiteten Erreger
schwerer Magen-Darm-Infekte eignen.
Hinter heftigen,
plötzlich einsetzenden Magen-Darm-Beschwerden
stecken häufig Erreger aus der Familie der Noroviren. Sie sind die
überwiegende Ursache von
Gastroenteritis-Ausbrüchen in Krankenhäusern
oder Schulen oder etwa auf Kreuzfahrtschiffen. Das
Virus ist extrem
ansteckend und wird, wie Mediziner es nennen, „
fäkal-oral“ übertragen,
das heißt über kontaminierte Hände oder verunreinigte Lebensmittel.
„Daher ist es wichtig, ein sicheres und gesundheitlich unbedenkliches
Desinfektionsmittel zur Verfügung zu haben“, erklärt der Grant Hansman,
der Leiter der C.H.S.-Nachwuchsgruppe Noroviren am Deutschen
Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg. Die Gruppe wird
von der C.H.S.-Stiftung gefördert.
Von früheren Beobachtungen wissen Forscher, dass
Fruchtextrakte, etwa
Orangen- oder Granatapfelsaft, die Infektionsfähigkeit von Noroviren
reduzieren können. Bereits als Grant Hansman noch in den USA an den
National Institutes of Health forschte, hatte er durch Zufall entdeckt,
dass das Citrat aus dem Chemikalienhandel an die
Kapselproteine von
Noroviren binden kann. Diesen Zufallsbefund verfolgte der Virologe in
Heidelberg weiter.
Weil sich Noroviren nicht in Zellen in der Kulturschale oder in Tieren
vermehren lassen, verwendeten die Forscher für ihre Versuche keine
intakten Erreger, sondern so genannte „
virus-like particles“. Diese
leeren Virus-Proteinkapseln haben die gleichen Oberflächeneigenschaften
wie echte Viren.
In ihrer aktuellen Arbeit zeigen Hansmann und seine Mitarbeiter, dass
die Viruspartikel nach Citrat-Bindung ihre Gestalt verändern.
Eine
Röntgenstrukturanalyse ergab,
dass das Citrat – aus Zitronensaft oder
aus citrathaltigen Desinfektionsmitteln – genau an die Stelle bindet,
mit der das Virus beim Infektionsvorgang mit den Körperzellen in Kontakt
tritt. Diesen Bereich bezeichnen die Mediziner als
„
Blutgruppen-Antigene“.
Die Ergebnisse erklären, warum
Citrat die Infektionsfähigkeit von
Noroviren reduziert. „Vielleicht sind ja die paar Tropfen Zitronensaft,
die man üblicherweise auf eine Auster träufelt, eine
guter
Infektionsschutz“, spekuliert Grant Hansman.
Der Virologe schätzt, dass
die Citratmenge im Saft einer Zitrone ausreichen könnte, um
beispielsweise die Hände zu dekontaminieren. Mit seinen Mitarbeitern
will er nun untersuchen, ob Zitronensäure auch bei bereits erfolgter
Norovirus-Infektion die Symptome lindern kann.
Anna D. Koromyslova, Peter White, and Grant S. Hansman: Citrate alters
norovirus particle morphology. Virology 2015, DOI:
10.1016/j.virol.2015.07.009
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C.H.S.-Stiftung
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Die C.H.S.-Stiftung wurde im Jahr 2000 von den Wissenschaftlern Chica
und Heinz Schaller gegründet. Die Stiftung fördert biomedizinische
Forschung in Heidelberg, insbesondere durch die unbürokratische
Unterstützung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die
C.H.S.-Stiftung vergibt flexibel einsetzbare Mittel, die herausragenden
jungen Forschern an universitären Einrichtungen in Heidelberg die
Konzentration auf ihre wissenschaftlichen Projekte und bessere
Zukunftsperspektiven ermöglichen.
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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische
Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen
Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern,
dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit
denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher
behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und
interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit
dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum
für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem
vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik
übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines
Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von
Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land
Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
Medizin am Abend Berlin DirektKontakt:
Dr. Stefanie Seltmann
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
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Dr. Sibylle Kohlstädt
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