Medizin am Abend Fazit: Ultraschall-Screening auf Bauchaortenaneurysmen: Vorteile bei Männern, nicht aber bei Frauen
Unterstützungsinformation:
Belege für Nutzen bei Männern durch niedrigere Sterblichkeit,
weniger Rupturen und Notfall-OPs /
,
Bei Frauen zeigen Studien keine
relevanten Unterschiede
Männer haben von einem einmaligen Screening auf
Bauchaortenaneurysmen mittels Ultraschall einen Nutzen.
Studien liefern
Belege, dass ihr Sterberisiko sinkt,
die Bauchschlagader seltener reißt
und Notfalloperationen häufiger vermieden werden können.
Für Frauen sind
deutlich weniger Daten verfügbar und diese zeigen keine relevanten
Unterschiede zwischen den Gruppen. Zu diesem Ergebnis kommt der am 28.
Mai 2015 veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Ruptur endet auch bei Notfalloperation oft tödlich
Als Bauchaortenaneurysma (BAA) bezeichnen Mediziner eine
krankhafte
Aussackung der Bauchschlagader (Aorta). Ihr Durchmesser variiert
abhängig von Alter und Geschlecht, ab einer Erweiterung auf
drei
Zentimeter oder mehr spricht man von einem BAA.
Das Risiko steigt mit
dem Alter, wobei Frauen deutlich seltener betroffen sind als Männer.
Die meisten BAA bereiten keine Beschwerden, sind also asymptomatisch.
Mit dem Ausmaß des BAA wächst aber die Gefahr, dass dieses große
Blutgefäß reißt.
Unbehandelt führt eine solche Ruptur schnell zum Tod.
Aber auch dann, wenn Patientinnen und Patienten rechtzeitig die Klinik
erreichen und eine Notfalloperation noch möglich ist, v
ersterben bei
offener Operation etwa 40 Prozent und bei endovaskulärem Vorgehen etwa
20 Prozent.
Screening soll Sterberisiko senken
Wird ein BAA dagegen rechtzeitig entdeckt und geplant (elektiv)
operiert, ist die Überlebenschance deutlich höher:
Je nach Art der
Operation, endovaskulär oder offen, versterben in Deutschland zwischen
1,3 Prozent und 3,6 Prozent (30-Tage-Mortalität).
Ziel eines Screenings mittels Ultraschall ist es, BAA zu identifizieren,
zu beobachten und zu versorgen, bevor es zu einer Ruptur kommt. In
einigen Ländern, darunter Schweden, Großbritannien und die USA, wird
eine solche Reihenuntersuchung bei Menschen, die ein höheres Risiko für
ein BAA haben (Risikopopulationen), bereits durchgeführt.
Drei von vier Studien untersuchen nur Männer
Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) suchten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG nach Studien, die ein
einmaliges Screening mittels Ultraschall mit keiner oder einer anderen
Screening-Strategie, z. B. mit einem anderen diagnostischen Verfahren,
in Hinblick auf patientenrelevante Endpunkte verglichen.
In ihre Bewertung einbeziehen konnten sie insgesamt vier randomisierte
kontrollierte Studien (RCTs), davon zwei aus Großbritannien sowie je
eine aus Dänemark und aus Australien. Die Rekrutierung der Teilnehmer
fand von 1988 bis 1999 statt. Drei Studien bezogen nur Männer ab 65
Jahren ein, eine von vier Studien auch Frauen, wobei ihr Anteil nur 6,8
Prozent der Studienpopulation ausmachte.
Männer haben mit Screening bessere Überlebenschancen
Für die Endpunkte Gesamtsterblichkeit und BAA-bedingte Sterblichkeit
wurden für Männer ab 65 Jahren die Daten zu verschiedenen
Auswertungszeitpunkten zusammengefasst (4 – 5 Jahre, 10 Jahre und 13 –
15 Jahre). Über alle Auswertungszeitpunkte sieht das IQWiG Belege für
einen Nutzen des Screenings bei Männern für beide Endpunkte.
Bei den Frauen gibt es lediglich Daten für die Gesamtsterblichkeit zu
einem Auswertungszeitpunkt (4 – 5 Jahre). Mangels statistisch
signifikanter Gruppenunterschiede ist ein Nutzen des BAA-Screenings für
Frauen allerdings nicht belegt. Für die BAA-bedingte Mortalität fehlen
Daten.
Screening kann bei Männern Ruptur-Häufigkeit verringern
Ein ähnliches Bild zeigen die Daten zu den Endpunkten Ruptur-Häufigkeit
und Notfalloperationen: Bei den Frauen zeigen die verfügbaren Daten
wiederum keine relevanten Unterschiede. Bei den Männern fallen die
Ergebnisse je nach Auswertungszeitpunkt etwas unterschiedlich aus. In
der Gesamtschau bescheinigt das IQWiG dem Ultraschall-Screening jedoch
einen Beleg für einen Nutzen, da BAA-Rupturen seltener auftreten und
sich die Anzahl der Notfalloperationen reduziert.
Zunahme geplanter Operationen
Die Daten zeigen auch, dass die Zahl der elektiven Eingriffe mit dem
Screening ansteigt.
Das ist zwar einerseits gerade das Ziel des
Screenings und insoweit zu erwarten. Solche Eingriffe sind aber, auch
wenn sie nicht im Notfall, sondern geplant erfolgen, mit einem
Klinikaufenthalt verbunden und es kann Folgekomplikationen wie etwa
Nachblutungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall geben. Da diese Situation
in den Screening-Gruppen häufiger und früher eintritt, ist dies als
Nachteil eines Screenings zu werten, der allerdings in Anbetracht der
Vorteile in den Hintergrund tritt.
Auch dieser Hinweis auf einen
Nachteil gilt wiederum nur für Männer, nicht aber für Frauen.
Was die
gesundheitsbezogene Lebensqualität und psychosoziale Aspekte des
Screenings angeht, kann der IQWiG-Bericht keine Aussagen treffen. Denn
zu diesen Aspekten waren die verfügbaren Daten nicht verwendbar oder sie
fehlten ganz.
Screening an aktuelle Gegebenheiten anpassen
Nach den vorliegenden Daten gehört ein Screening auf BAA bei Männern zu
den ganz wenigen Methoden der Früherkennung, für die ein Effekt auf die
Mortalität nachgewiesen ist.
Die Ergebnisse dieser Nutzenbewertung
lassen es also sinnvoll erscheinen,
für Männer ab 65 Jahren ein
einmaliges Screening einzuführen. Wie die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in ihrem Gutachten aber zu bedenken geben, gibt es
Hinweise, dass diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf die aktuelle
Situation in Deutschland übertragbar sind.
Denn zum einen legen aktuelle Daten für mehrere Länder Europas nahe,
dass
die Häufigkeit (Inzidenz und Prävalenz) von BAA in den vergangenen
10 bis 20 Jahren gesunken ist. Das erscheint insofern plausibel, als ein
maßgeblicher Risikofaktor, der Zigarettenkonsum, zurückgegangen ist.
Dann aber wäre der Nutzen womöglich geringer, als er in den einbezogenen
Studien zu beobachten war.
Das heißt, es müssten heute mehr Männer
gescreent werden, um einen Todesfall zu vermeiden.
Zum anderen zeigen aktuelle Quellen, u. a. Registerdaten aus England,
dass sich das Alter, in dem ein BAA auftritt, nach oben verschoben hat.
Trifft dies zu, würden bei älteren Männern größere Effekte erzielt.
Zudem wäre 65 Jahre nicht mehr das am besten geeignete Alter für ein
Screening.
Zielgruppe umfassend über Vor- und Nachteile informieren
Die Einführung eines flächendeckenden BAA-Screenings in Deutschland
sollte begleitet werden durch Maßnahmen der Qualitätssicherung. So
sollte es eindeutige
Falldefinitionen geben und
Qualitätsstandards
sollten festgelegt werden.
Zudem sollte sichergestellt sein, dass
Personen mit einer BAA-Diagnose oder einem auffälligen Befund
nachbeobachtet werden können. Schließlich sollte die Zielgruppe
umfassend und ausgewogen über Vor- und Nachteile eines BAA-Screenings
informiert werden.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG
im Dezember 2014 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem
Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und
als Abschlussbericht im April 2015 an den Auftraggeber versandt. Die
eingereichten schriftlichen Stellungnahmen wurden in einem eigenen
Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.
Der Bericht
wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.
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Weitere Informationen:
https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahr... - zum Abschlussbericht