Medizin am Abend Fazit: Konzertierter Angriff auf das Rotavirus
Mainzer Wissenschaftler entdecken neuen Mechanismus zur Bekämpfung
von Virusinfektionen durch Komponenten des angeborenen Immunsystems
Prof. Diefenbach
Einen neuartigen Mechanismus, mit dem das
angeborene Immunsystem Virusinfektionen kontrollieren kann, haben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Institute für Medizinische
Mikrobiologie und Hygiene der Universitätsmedizin Mainz und des
Universitätsklinikums Freiburg entschlüsselt.
Zentral hierbei ist die
Erkenntnis, dass zwei verschiedene, aber verwandte „Spieler“ des
Immunsystems in einer konzertierten Aktion und im Zusammenspiel
beispielsweise das Rotavirus in die Knie zwingen können.
Das Rotavirus
ist die weltweit häufigste Ursache von Durchfallerkrankungen bei
Kindern.
Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „Nature
Immunology“ veröffentlicht.
Das angeborene Immunsystem bwie Viren,
Bakterien oder Parasiten auf mehreren Ebeneekämpft Infektionserregern: Eine wichtige Rolle
spielen einerseits sogenannte
Interferone, dies sind
spezielle Eiweiße,
die innerhalb kurzer Zeit nach einer Virusinfektion ausgeschüttet werden
und eine entsprechende Immunantwort gegen die befallenen Zellen
auslösen können.
Aber auch so genannte
„Innate Lymphoid cells" (ILCs)
sind wichtige „Spieler“ des angeborenen Immunsystems.
ILCs wirken vor
allem an den inneren und äußeren Körperoberflächen, indem sie ebenfalls
spezielle Eiweiße – in diesem Fall Interleukine – produzieren und so
sehr früh in die Abwehr von Viren, Bakterien und Parasiten eingreifen.
In ihrer aktuellen Arbeit konnten die Forscher am Beispiel des Rotavirus
zeigen, wie eine solche Infektion sehr effektiv bekämpft werden kann:
Dies geschieht durch das Zusammenspiel spezieller Interferone
(Interferon-lambda) mit speziellen Interleukinen (IL-22), die
wiederum durch eine Untergruppe der ILCs, die ILC3-Zellen produziert
werden.
Rotaviren sind hoch ansteckende Erreger, die zu Erbrechen und
Durchfall führen können. Bei Kindern ist das Rotavirus der häufigste
Erreger von Durchfall – und für mehr als 500.000 Todesfälle jährlich
weltweit verantwortlich.
Es greift die auskleidende Zellschicht im Darm –
die sogenannten Epithelzellen – an und schädigt diese.
„Wir konnten zeigen, dass Interferon-lambda, obgleich nötig,
nicht ausreichend ist, um eine Rotavirus-Infektion in den Griff zu
bekommen, sondern dass zusätzlich zum IFN Interleukin-22 (IL-22) zum
Schutz gegen eine Rotavirus-Infektion gebraucht wird“, erläutert
Univ.-Prof. Dr. Andreas Diefenbach. Es gelang den Wissenschaftlern, den
dieser Synergie zugrundeliegenden Mechanismus aufzuklären.
Sie fanden
heraus, dass beide Botenstoffe im Zusammenspiel das Rotavirus optimal
bekämpfen können, indem sie die Bildung antiviraler Proteine vor allem
in den Epithelzellen des Darms triggern, die letztlich den Aufbau neuer
Viruspartikel verhindern.
Dem
Botenstoff Interleukin-22 werden bereits vielfältige Rollen
innerhalb der Immunabwehr zugeschrieben,
beispielsweise in der Abwehr
von bakteriellen Infektionen des Darms und der Lunge. Zudem leistet
Interleukin-22 einen wichtigen Beitrag bei Gewebereparaturvorgängen im
Darm etwa nach Schädigung des Epithels durch Bestrahlung.
„
Die neue
Rolle, in der Interleukin-22 quasi als Verstärker des Interferons wirkt,
ist deshalb so spannend, da sie Implikationen für das Design künftiger
Immuntherapien haben könnte“, so Diefenbach.
Interferone werden
beispielsweise zur Immuntherapie von oft schwer zu behandelnden,
chronischen viralen Infektionen – wie der Hepatitis – eingesetzt.
Der neuartige Mechanismus, nach dem zwei Spieler des angeborenen
Immunsystems – die beide in den Epithelzellen wirken – konzertiert
agieren, könnte im Laufe der Evolution, in der sich auch Viren immer
wieder verändert und angepasst haben, sozusagen als zweite
Sicherungsebene der Immunabwehr nötig geworden sein, mutmaßen die
Wissenschaftler.
Da das Rotavirus insbesondere für Kinder gefährlich
ist, erhoffen sie sich zudem Erkenntnisse über die Funktion der
Immunabwehr am Lebensanfang, wenn das erworbene Immunsystem noch nicht
voll ausgebildet ist.
Originalpublikation
Interferon-λ and interleukin 22 act synergistically for the induction of
interferon-stimulated genes and control of rotavirus infection'
Pedro P Hernández, Tanel Mahlakõiv, Ines Yang, Vera Schwierzeck, Nam
Nguyen, Fabian Guendel, Konrad Gronke, Bernhard Ryffel, Christoph
Hölscher, Laure Dumoutier, Jean-Christophe Renauld, Sebastian Suerbaum,
Peter Staeheli & Andreas Diefenbach
DOI: 10.1038/ni.3180
Medizin am Abend DirektKontakt
Univ.-Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Institut für Medizinische
Mikrobiologie und Hygiene, Universitätsmedizin Mainz, Telefon 06131
17-9363 E-Mail: diefenbach@uni-mainz.de
Dr. Renée Dillinger-Reiter, Universitätsmedizin Mainz,
Telefon 06131 17-7424, Fax 06131 17-3496
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http://dx.doi.org/10.1038/ni.3180