Medizin am Abend Fazit: Zöliakie bei Typ 1 Diabetes schädigt Blutgefäße schneller
Menschen mit Diabetes und Zöliakie haben
ein höheres Risiko für Retinopathien und Nephropathie, wie Auswertungen
von Daten der DPV Initiative ergeben haben. Das Forscherteam um Prof.
Reinhard W. Holl vom Kompetenznetz Diabetes mellitus hatte
Krankheitsdaten von 56.514 Patienten aus 392 Diabeteszentren in
Deutschland und Öster-reich analysiert. Die Ergebnisse sind in der
aktuellen Ausgabe von Diabetes Care erschienen.
Typ 1 Diabetes und Zöliakie treten häufig gemeinsam auf, da sie auf
die gleichen Genvarianten zurückzuführen sind.
So wurde bei jedem
zehnten der in der DPV Datenbank erfassten Typ 1 Diabetiker auch eine
Zöliakie diagnostiziert. Nun bestätigen die neuen Ergebnisse des
Kompetenznetzes Diabetes mellitus, dass Zöliakie darüber hinaus ein
unabhängiger Risikofaktor für mikrovaskuläre Komplikationen
(Schädigungen der kleinen Blutgefäße) an den Augen (Retinopathien) oder
den Nieren (Nephropathie) bei einem Typ 1 Diabetes ist.
Bei einem
Viertel der erfassten Diabetes-Patienten mit Zöliakie konnte mit 26
Jahren – und damit sieben Jahre früher als bei Diabetikern ohne Zöliakie
– eine Retinopathie nachgewiesen werden.
Beim
Mikroalbumin Test
kündigte sich bei einem Viertel der Patienten mit beiden
Krankheitsbildern bereits mit 32 Jahren eine beginnende Nierenerkrankung
an, das heißt zehn Jahre eher als bei Patienten, die nur Typ 1 Diabetes
hatten.
Vorherige Studien aus Großbritannien und Schweden hatten einen
Zusammenhang von Zöliakie und gehäuft auftretenden Nephropathien
beziehungsweise Retinopathien ebenso wie makrovaskuläre
Beeinträchtigungen (Schädigungen der großen Blutgefäße) an anderen
Kohorten aufgezeigt.
Zöliakie-Test bei Typ 1 Diabetespatienten empfohlen
In der Datenbank der DPV Initiative werden prospektive, anonymisierte
Langzeitdaten von Diabetikern aus Deutsch-land und Österreich gesammelt.
Die Patienten waren bei der letzten Nachuntersuchung älter als zehn
Jahre und bei Diagnose des Typ 1 Diabetes jünger als 20 Jahre alt.
„Unsere Ergebnisse untermauern aktuelle Empfehlungen, nach denen
Personen mit Typ 1 Diabetes bei der Diagnosestellung und
in regelmäßigen
Intervallen auf Zöliakie untersucht werden sollten“, so Prof. Holl.
„Außerdem sollten Patienten mit dieser Begleiterkrankung wegen des
erhöhten Risikos für Schädigungen der kleinen und großen Blutgefäße dazu
ermutigt werden,
andere beeinflussbare Risikofaktoren wie den
HbA1c-Wert, Bluthochdruck oder eine Fettstoffwechselstörung aktiv zu
reduzieren.“
Nun steht noch ein Nachweis darüber aus, ob eine glutenfreie Ernährung,
wie sie bei Zöliakie empfohlen wird, das Risiko für die beschriebenen
Komplikationen bei Typ 1 Diabetes minimieren kann. Dieser Fragestellung
sollten nach Meinung der Forscher aus Ulm und Homburg weitere
prospektive Studien nachgehen.
Das Kompetenznetz Diabetes ist ein Forschungsnetzwerk, das seit 2008 vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Mit
über sechzig Experten widmet es sich dem Ziel, mehr Klarheit über die
Prävention, Behandlung und Entstehungsbedingungen von Diabetes mellitus
zu gewinnen. Dadurch könnte zukünftig die Erkrankung verhindert,
verzögert oder eine bessere Versorgung der Bevölkerung gewährleistet
werden.
Originalpublikation:
Rohrer, T. R., Wolf, J., Liptay, S., Zimmer, K. P., Fröhlich-Reiterer,
E., Scheuing, N., Marg, W., Stern, M., Kapellen, T. M., Hauffa, B. P.,
Wölfle, J., Holl, R. W., DPV Initiative and the German BMBF Competence
Network Diabetes Mellitus. 2015. Microvascular Complications in
Childhood-Onset Type 1 Diabetes and Celiac Disease: A Multicenter
Longitudinal Analysis of 56,514 Patients From the German-Austrian DPV
Database. Diabetes Care, 38(5):801-7. doi: 10.2337/dc14-0683. Epub 2015
Feb 17.
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