Medizin am Abend Fazit: Bluthochdruck: Was Ur-Ozean, unsere Gene, Salz und Fett mit dem „stillen Killer“ zu tun haben
Interview mit dem Bluthochdruck-Experten Prof. Dr. Detlev Ganten zum Welt Hypertonie Tag am 17. Mai 2015
20 bis 30 Millionen Menschen haben allein in Deutschland einen zu hohen
Blutdruck – das ist fast jeder dritte. An den Folgeerkrankungen wie
Herzinfarkt und Schlaganfall sterben laut Weltgesundheitsorganisation
WHO jedes Jahr weltweit über neun Millionen Menschen. Das große Problem:
Die meisten wissen nicht einmal, dass sie bereits erkrankt sind.
Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als „stiller Killer“.
Dabei ist es einfach, Bluthochdruck zu erkennen, zu behandeln und
sogar zu vermeiden. Was jeder Einzelne tun kann, erklärt Professor Dr.
Detlev Ganten. Er ist weltweit einer der führenden
Bluthochdruck-Forscher, Facharzt für Pharmakologie und Molekulare
Medizin, sowie Experte für Evolutionäre Medizin.
Außerdem ist er
Präsident des World Health Summit, der jährlichen internationalen
Weltgesundheitskonferenz in Berlin.
Professor Ganten, Bluthochdruck ist zu einem weltweiten
Gesundheitsproblem geworden. Wie konnte dies geschehen? Mediziner
forschen doch seit Jahrzehnten zu diesem Thema.
Es stimmt: Wir befassen uns seit Jahren mit der Erforschung des
Herz-Kreislauf-Systems und den medizinischen Zusammenhängen von
Bewegung, Gesundheit und Bluthochdruck.
Auch die Bedeutung unserer
genetischen Erbanlagen wird immer wichtiger. Die Antwort allerdings
liegt in unserer evolutionären Entwicklung: Wir Menschen sind auf Salz,
Fett und Zucker fokussiert. Fett gab unseren Vorfahren Reserven für
schlechte Zeiten, Zucker schnelle Energie in Gefahrensituationen und
Salz ist für den Blutkreislauf essenziell.
Wir leben bis heute mit
diesem System, das auf ein Leben und Überleben als Jäger und Sammler
ausgerichtet ist. Allerdings passt das überhaupt nicht mehr in unsere
moderne Welt, in der die Hälfte aller Menschen in Städten leben und wir
uns viel zu wenig bewegen. Wir nehmen heute deutlich mehr Salz, Zucker
und Fett zu uns, als wir verbrauchen. Das treibt den Blutdruck in die
Höhe. An den Folgeerkrankungen sterben jedes Jahr Millionen Menschen.
Die genaue Wechselwirkung von Bluthochdruck und Salz ist bis heute ein
Geheimnis für die Wissenschaft:
Warum treibt Salz bei dem einen den
Blutdruck in die Höhe, bei dem anderen nicht?
Auch hier kommt die Antwort aus der Evolution: Beim Gang an Land, vor
etwa 400 Millionen Jahren, als Amphibien, Reptilien und später auch
unsere näheren Vorfahren entstanden, entwickelte sich ein Organ, dessen
Konstruktionspläne auch heute noch den Blutdruck regulieren: Das
Filterorgan Niere. Es sorgt dafür, dass überschüssiges Salz mit dem Urin
aus dem Körper geschwemmt wird.
Unsere Zellen sind aber bis heute an
die Konzentration der Salze im Ur-Ozean angepasst. Unablässig befördern
kleine Pumpen auf der Zellmembran Salze nach innen und wieder hinaus.
Das wird durch unsere Gene geregelt, die aber bei jedem Menschen ein
wenig anders sind. Darum reagieren die einen mehr und die anderen
weniger empfindlich auf Salz.
Wie kann man einen so individuellen Zusammenhang eindeutig erforschen?
Die einfachste Methode besteht darin, einer Gruppe von Menschen Salz zu
essen zu geben und dann den Blutdruck zu messen. Bei den
salzempfindlichen Menschen steigt er an, bei den unempfindlichen bleibt
er normal. Wenn man jetzt die Gene untersucht, findet man Veränderungen
in der salzempfindlichen Gruppe – diese Gene müssen verantwortlich sein
für den Anstieg des Blutdrucks. Bluthochdruck und Salzempfindlichkeit
sind also zum Teil über die Gene vererbbar. Das kann man heute in der
Forschung gut nachvollziehen.
Das klingt relativ einfach. Ist ein Durchbruch im Kampf gegen Bluthochdruck in Sicht?
Der Ansatz mag einfach klingen, die Forschung an diesem Thema ist
allerdings hochkomplex. Obwohl es schon viele gute Ergebnisse und
hervorragende Medikamente gibt, sollte man sich nicht auf eine
medizinische Lösung verlassen. Viel wichtiger ist, dass wir noch mehr an
der Aufklärung der Menschen arbeiten, denn Bluthochdruck und seinen
Folgen kann hervorragend vorgebeugt werden: Selber Blutdruck messen und
bei Werten deutlich über
140/90 mmHg zum Arzt gehen, mehr auf gesunde
Ernährung achten und sich mehr bewegen. Anstatt zu warten, bis wir krank
werden um dann zum Arzt zu gehen, sollten wir es lieber gar nicht erst
so weit kommen lassen. Das ist nicht nur gesünder, sondern macht das
Leben auch deutlich lebenswerter!
(Quelle: World Health Summit)
www.worldhealthsummit.org
Vom
11. – 13. Oktober 2015 findet der siebte World Health Summit im
Auswärtigen Amt in Berlin statt. Er steht unter der Schirmherrschaft von
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François
Hollande und dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude
Juncker.
Experten aus über 80 Ländern werden Themen des G7 Gipfels im Juni in
Elmau fortsetzen und auf die United Nations Climate Change Conference
(COP 21) im Dezember in Paris vorbereiten. Bestätigte Sprecher sind
unter anderem die Nobelpreisträger Ada Yonath (2009, Israel) und Thomas
C. Südhof (2013, Deutschland), sowie Debra Jones (USA), Direktorin und
UN Repräsentantin von Save the Children.
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