Medizin am Abend Fazit: Placebo gegen Parkinson: Die Macht der positiven Gedanken
Patienten erwarten von einem teuren Medikament eine bessere Wirkung
als von einem billigen. Tatsächlich steigert diese Erwartung den
Behandlungserfolg. Diesen Zusammenhang belegt eine Pilotstudie mit
Parkinson-Patienten, bei der allerdings keine echten Medikamente
verabreicht wurden, sondern lediglich Scheinmedikamente (Placebos).
„Diese Studie ist sehr bedeutsam für die medizinische Praxis“, erklärt
Professor Ulrike Bingel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
(DGN).
(c) fotolia/spinetta
„Es geht hier aber nicht um billig versus teuer. Vielmehr zeigt die
Studie, dass nicht allein die verordnete Arznei heilt.
Ärzte können den
Behandlungserfolg durch Information und Kommunikation positiv
beeinflussen“, so die Placebo-Expertin aus Essen.
In der Studie, die in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht
wurde, hatten zwölf Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Stadium
der Parkinson-Krankheit jeweils eine Kochsalzlösung injiziert bekommen.
Während man der einen Hälfte der freiwilligen Studienteilnehmer sagte,
ihr Medikament würde 1500 Dollar kosten und damit entsprechende
Erwartungen weckte, bekamen die anderen Patienten angeblich eine nur 100
Dollar teure Injektion.
„Obwohl beide Placebos die motorischen Funktionen verbesserten, war der
Nutzen größer, wenn die Patienten zuerst das teure Scheinmedikament
bekamen“, berichten die Wissenschaftler um Dr. Alberto J. Espay vom
Neurowissenschaftlichen Institut der Universität Cincinnati (USA). Im
Vergleich zum echten Standardwirkstoff Levadopa schnitten beide Placebos
zwar schlechter ab. Die Überlegenheit von „teurem“ gegenüber „billigem“
Placebo war jedoch ähnlich groß wie die Überlegenheit von Levadopa
gegenüber dem teuren Placebo.
Placebo verbessert Beweglichkeit und Hirnaktivität
Unter dem angeblich teuren Placebo hatten sich die motorischen
Fähigkeiten der Patienten gemäß der Bewertungsskala UPDRS-III um 28
Prozent verbessert, unter dem angeblich billigeren Scheinmedikament um
nur 13 Prozent. Die ebenfalls in der Studie angefertigten Bilder der
Hirnaktivität – gemessen mithilfe der funktionellen Kernspinresonanz –
zeigten für beide Placebo-Injektionen sogar ähnliche Effekte wie für den
echten Parkinson-Wirkstoff Levadopa.
„Die Fallzahl war sehr klein, daher sind die Befunde aus der Bildgebung
mit Vorsicht zu interpretieren“, gibt Professor Bingel zu bedenken.
„Gleichzeitig wurden jedoch auch die Auswirkungen auf die Beweglichkeit
bestimmt – und die Messwerte bestätigen erneut den Einfluss positiver
Erwartungen auf den Therapieerfolg. Dem Placebo-Effekt liegen messbare
körperliche Vorgänge zugrunde. Bei manchen Therapien ist der
Placebo-Effekt sogar noch größer als der Effekt durch das echte
Medikament. Leider wird dieses große Potenzial in der klinischen
Anwendung viel zu wenig beachtet“, so Bingel.
Teure Arzneien wecken positive Erwartungen
Weil Espay und Kollegen die freiwilligen Studienteilnehmer für ihr
Experiment täuschen mussten, hatte eine Ethikkommission strenge Vorgaben
gemacht, um Nachteile für die Patienten auszuschließen. Als man ihnen
nach Abschluss des Experiments die Wahrheit sagte, berichteten acht der
Teilnehmer, dass sie wirklich größere Erwartungen an die teure Arznei
gehabt hatten. Tatsächlich waren in dieser Gruppe sehr deutliche
Besserungen zu verzeichnen. Bei den anderen vier Teilnehmern dagegen,
die keinen Unterschied zwischen teuren und billigen Arzneien erwartet
hatten, registrierten die Forscher kaum positive Auswirkungen.
Motivation kann heilen helfen
Professor Bingel geht davon aus, dass die Schlussfolgerung der Studie
nicht nur für Parkinson-Patienten gilt, sondern für andere Therapien
verallgemeinert werden kann. Aus der Forschung an Nachahmerpräparaten
(Generika) sei bereits bekannt, dass Erwartungseffekte eine große Rolle
spielen. In einer anderen Studie mit einem Allergiemittel habe man
festgestellt, dass dessen Wirksamkeit ebenfalls durch gezielte positive
Botschaften verstärkt wurde.
Wichtiger als der Preis eines Medikaments ist der Einfluss des Arztes:
„Die Ergebnisse dürfen nicht fälschlich als Argument für den Einsatz
teurer Medikamente interpretiert werden“, stellt Bingel klar. „
Vielmehr
ist es eine wesentliche Aufgabe für uns als Ärzte, die Erwartungen
unserer Patienten an eine Therapie durch gezielte und individuell
angepasste Kommunikation positiv zu beeinflussen“, schlussfolgert die
Neurologin.
Quellen
Espay AJ, et al: Placebo effect of medication cost in Parkinson disease:
A randomized double-blind study. Neurology. 2015 Feb 24;84(8):794-802
LeWitt PA, et al: The pharmacodynamics of placebo: expectation effects
of price as a proxy for efficacy Neurology, 2015 Feb 24;84(8):766-7
Medizin am Abend DirektKontakt
Prof. Dr. med. Ulrike Bingel
Lehrstuhl für Funktionelle Bildgebung
Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Essen
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Fax: +49 (0) 201-723 6882
E-Mail: ulrike.bingel@uk-essen.de
Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Tel.: +49 (0)89 46148622, Fax: +49 (0)89 46148625,
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Frank A. Miltner Deutsche Gesellschaft für Neurologie