Medizin am Abend Fazit: Erkennt frühzeitig gefährliche Veränderungen
Das von Tumorzellen in den Blutkreislauf gebrachte Eiweiß Glypican-1
bietet möglicherweise einen neuen Ansatz zur Früherkennung und besseren
Diagnose von Bauchspeicheldrüsenkrebs mittels eines ungefährlichen und
kostengünstigen Bluttests. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame
Studie unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Raghu Kalluri vom MD
Anderson Cancer Center an der University of Texas und von Mitarbeitern
der Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des
Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität
Dresden. Ihre Erkenntnisse präsentieren die Forscher jetzt in der
renommierten Fachzeitschrift Nature (doi:10.1038/nature14581).
Der neue hochempfindliche Bluttest unterscheidet genau zwischen gut-
und bösartigen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und erkennt
gefährliche Veränderungen in frühesten Stadien. Uniklinikum Dresden
Glypican-1 (GPC-1) wird auf der Oberfläche von Tumorexosomen
gebildet.
Bei Exosomen handelt es sich um Membranbläschen in der Größe
von Viren. Sie werden von Tumorzellen milliardenfach gebildet und in die
Blutbahn abgesondert. Dabei transportieren sie Fragmente von
Desoxyribonukleinsäuren (DNS), Ribonukleinsäuren (RNS) und Eiweißen,
welche spezifisch für ihre Ursprungszellen sind. Diese Eigenschaften
machten sich die Wissenschaftler zunutze, indem sie krebsspezifische
Exosome aus dem Blut von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs mit
Hilfe des Eiweißes GPC-1 isolierten.
Dabei waren GPC-1-beladene Exosome im Blut von 250 Patienten mit
Bauchspeicheldrüsenkrebs deutlich erhöht im Vergleich zu gesunden
Spendern oder zu Patienten mit einer gutartigen
Bauchspeicheldrüsenerkrankung.
Dieses Ergebnis ließ eine sehr akkurate
Unterscheidung mit einer
100-prozentigen Sensitivität und Spezifität
zwischen Patienten mit einer bösartigen Erkrankung und Patienten mit
einer gutartigen Erkrankung oder Gesunden zu. Zudem zeigte sich in der
Studie ein deutlicher Abfall von GPC-1 beladenen Exosomen im Blut von
Patienten, nachdem sie sich einer Bauchspeicheldrüsenoperation zur
Tumorentfernung unterzogen hatten.
Damit haben GPC-1-beladene Exosome
eine deutlich höhere diagnostische Aussagekraft als der
Standardtumormarker CA-19-9, welcher nur bei 80 Prozent der Patienten
mit Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöht ist sowie auch bei einigen Patienten
mit einer gutartigen Bauchspeicheldrüsenerkrankung.
Exosome sind aufgrund ihrer doppelwandigen Lipidschicht sehr stabil und
lagerungsbeständig. Bei einer Kühltemperatur von 4°C können sie bis zu
96 Stunden unbeschadet aufbewahrt werden. Bei einer Lagerung von minus
70 bis minus 80°C können sie über mehrere Jahre konserviert werden.
Zudem sind nur wenige Tropfen Blut erforderlich, um den Gehalt von
GPC-1-beladenen Exosomen im Serum zu messen. „Dieses ist ein deutlicher
Vorteil gegenüber anderen Tumormarkern wie zum Beispiel zirkulierenden
Krebszellen. Deren Nachweis ist sehr schwierig und es muss deutlich mehr
Blut vom Spender entnommen werden“, erklärt Dr. Christoph Kahlert,
einer der beteiligten Wissenschaftler der Studie. Er arbeitet jetzt an
der Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des
Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität
Dresden, war aber zu Beginn der Studie noch am MD Anderson Cancer Center
in den USA tätig.
Exosome von Tumorzellen können zudem nicht nur zur reinen Diagnostik
verwendet werden:
durch Analyse der DNS, RNS oder Eiweiße aus den
Tumorexosomen lassen sich möglicherweise weitere Informationen über die
Schwachstellen der Tumorerkrankung gewinnen, gegen die dann eine
zielgerichtete, medikamentöse Therapie begonnen werden kann.
Eine weitere Verwendung könnten GPC-1-beladene Exosome bei der
Früherkennung von Bauchspeicheldrüsenkrebs spielen. Das heimtückische an
dieser Erkrankung ist, dass körperliche Beschwerden häufig erst dann
auftreten, wenn eine Operation mit der Chance auf eine Heilung nicht
mehr möglich ist.
Anders als beim Darm- oder Brustkrebs gibt es auch
noch keine standardisierten Vorsorgeuntersuchungen, denn die
Bauchspeicheldrüse lässt sich nur mit einer
strahlenbelastenden
Computertomographie oder mit einer aufwendigen und kostenintensiven
Kernspintomographie (MRT) bildlich gut darstellen. Dies erschwert die
Etablierung eines flächendeckenden Früherkennungsprogramms.
Hier könnte
möglicherweise der neue Bluttest eine Lösung anbieten. In Untersuchungen
an Mäusen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte gezeigt werden, dass
GPC-1-beladene Exosome schon deutlich erhöht waren, wenn die Mäuse
noch
an Vorstufen von Krebs litten. Zudem war der Test bereits deutlich
positiv, wenn in der simultanen MRT-Bildgebung noch kein Tumor
nachweisbar war.
Sollten diese Ergebnisse in klinischen Studien mit Menschen bestätigt
werden, könnte sie zukünftig zu einer Verbesserung der Prognose von
Bauchspeicheldrüsenkrebs führen. “Je früher Bauchspeicheldrüsenkrebs
oder seine Vorstufen erkannt werden, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der gesamte Tumor durch eine Operation entfernt
werden kann. Dadurch lassen sich die Chancen auf eine Heilung deutlich
verbessern bei einer Erkrankung,
an der gegenwärtig 95 Prozent aller
Patienten innerhalb von fünf Jahren nach Erstdiagnose versterben”, so
Prof. Dr. Jürgen Weitz, Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik
für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Carl
Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden und einer der
Mitautoren der Studie.
Beteiligte Wissenschaftler vom MD Anderson Cancer Center sind Dr. Raghu
Kalluri, Dr. Sonia Melo, Linda Luecke, Dr. Christoph Kahlert, Dr.
Valerie LeBleu, alle vom Department of Cancer Biology; Dr. Seth Gammon
und Dr. David Piwnica-Worms vom Department of Cancer Systems Imaging
und Dr. Elizabeth Mittendorf, vom Department of Surgical Oncology.
Beteiligte Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Viszeral-,
Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an
der Technischen Universität Dresden sind Prof. Dr. Jürgen Weitz, Dr.
Nuh Rahbari, Dr. Christoph Reissfelder und Prof. Christian Pilarsky.
Weitere teilnehmende Partner und Co-Autoren stammen von der Universität
von Oviedo, Spanien und dem Centro Nacional de Biotecnologia, Madrid,
Spanien.
Publikation:
Glypican-1 identifies cancer exosomes and detects early pancreatic cancer, doi:10.1038/nature14581 Published online 24 June 2015
Medizin am Abend DirektKontakt:
Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
des Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
Dr. med. Christoph Kahlert
Tel.: +49 (0) 351 458 18276
E-Mail Christoph.Kahlert@uniklinikum-dresden.de
Web www.uniklinikum-dresden.de/vtg
Konrad Kästner
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Weitere Informationen für international Medizin am Abend Beteiligte:
http://www.uniklinikum-dresden.de/vtg